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Eigentlich hätte ich froh sein können, dass mein Vater den gesamten Sonntag nicht mit mir gesprochen hatte, andererseits war er nicht besonders freundlich und ließ mich kaum am Familienleben teil haben. Dennoch sprach er furchtbar laut, ob mit Absicht oder ohne wusste ich nicht, und maulte stets herum. Er schimpfte das jemand wie ich hier nichts bekommen sollte. Schließlich scheine ich die Familie zu verachten. Wieso also sollte er gutes Essen an mich verschenken. Aber Kindergeld für mich war ihm immer willkommen gewesen. "Wann haust du wieder ab?", fragte meine Mutter irgendwann dann doch. "Bald. Am Nachmittag - wie sonst auch immer.", antwortete ich so normal wie möglich. Doch für meinen Vater klang es nicht so normal. In seinen Ohren schwang Sarkasmus mit. "Ah kann der feine Herr es nicht erwarten wieder zu gehen? Egal womit du dein Geld fürs Internat verdienst. Geh mehr schaffen, damit du auch am Wochenende deinen Luxus leben kannst.", sagte er und wedelte abfällig vor meiner Nase herum.
"Wieso kannst du es nicht ertragen, wenn ich Ziele im Leben habe? Wie kann es bitte schlimm sein für sein Geld zu arbeiten um sich dann mehr leisten zu können. Ich verstehe dich nicht." Ich startete einen letzten Versuch meinen Vater und seinen Hass auf Besserverdiener zu verstehen.
"Guck dich doch mal an! Du bist schon so wie die reichen Pinkel. Dir reicht hier nichts. Du tust hier so, als ob es euch schlecht ginge."
Ich sah mich skeptisch um und schaute ihn dann an. "Siehst du das alles hier eigentlich nicht mehr? Es ist schmutzig, es riecht. Keiner hier hat mal vernünftige Schuhe oder eigene die er sich nicht teilen muss. Wir holen essen bei der Tafel und letztes Jahr hatten wir drei Monate kein warmes Wasser, weil ihr nicht bezahlt habt... Und du meinst ich sei das Problem?"
Ich lehnte zur Seite und öffnete den Kühlschrank.
"Guck dir das an. Der ist halb leer und du meinst uns ginge es nicht schlecht? Ich bin zwar seit kurzem erst volljährig begreife aber mehr als ihr. Erwachsene Menschen sollten Verantwortung für ihre Kinder tragen - nicht anders herum."
Ich kam mir vor als wäre ich der Erwachsene und sie meine Kinder die ich belehrte.
"Ach jetzt guck ihn dir an, denkt er wäre hier der Neunmalkluge. Womit verdienst du denn dein feines Geld mh? Was kannst du schon um soviel Geld für ne alberne Schule ausgeben zu können?", spottete mein Vater und stand auf. Er knallte den Kühlschrank zu und schaute mich nur an.
"Haha jetzt sag mir nicht du stellst dich wo an die Straße.", er lachte laut los doch endlich schritt meine Mutter ein. "Lass solche Witze!", mahnte sie ihn und sah mich anschließend an. "Ich hoffe er hat Unrecht. Ach ja ich denke es wäre besser, wenn du früher zurück fahren würdest."
Ich wusste nicht ob sie mich verteidigen, loswerden oder mahnen wollte. Dennoch entschloss ich mich vorerst zu gehen und sammelte meine Sachen oben zusammen.
" Cindy?", rief ich laut und händigte ihr den Schlüssel aus. Ich hatte das Gefühl und die Hoffnung sie würde es in Ordnung halten.
Mit gepackten Seesack auf dem Rücken wählte ich Jins Nummer und wartete. Ich wartete und wartete, doch dran ging er nicht. Nicht mal die Mailbox. Irgendwann kam die automatische Ansage, dass der Teilnehmer zur Zeit nicht erreichbar sei. Ich war frustriert, aber überraschenderweise auch irgendwie abgestumpft gegenüber dem Gefühl von Misserfolg. Als würde mich jegliches Scheitern und jeglicher Gegenwind immer kälter werden lassen. "Vielleicht stumpfe ich wirklich emotional ab, bei all der Scheiße die mir passiert.", fasselte ich mir selbst zu, während ich mich auf den Weg zum Fitnessstudio machte. Ich könnte den Weg im Schlaf laufen und würde direkt vor der Tür landen. So einfach war der Weg ins Anatol. Komplett konzentriert darauf wieso es mir scheinbar nichts ausmachte wie meine Familie mich behandelte dachte ich darüber nach das auch das Mobbing einen Teil dazu beitrug mich immer mehr abzustumpfen. Einzig wenn es um Jin ginge triggerten mich die Dinge noch. Ganz besonders, wenn es Max oder Dylan betraf.
Gerade dachte ich noch über die beiden nach, als ich genau jene zwei beim betreten des Fitnessstudios sah. Nur wenige Meter vor mir schienen sie sich ziemlich gut zu unterhalten und mich nicht zu bemerken. Mit großem Abstand folgte ich ihnen, stellte meinen Sack neben dem Tresen ab und hielt sie weiter im Auge. "Kann ich den hier stehen lassen?", fragte ich und musste die zwei dafür weiter ziehen lassen. "Ja klar.", freundlich zog die angestellte meine Sachen hinter den Tresen und passte bereitwillig auf. Besorgt lief ich zwischen den ganzen Typen herum, von denen jeder so starke Arme hatte das er einen Kopf problemlos zerquetschen könnte. Zusammen mit Jins Vater entdeckte ich Dylan. Max stand etwas abseits vom Ring und beobachtete Jin wie er gerade am Boxen war.
"Ach Lucas was treibt dich her?", Dylan hatte mich entdeckt und winkte mich heran. "Ihr kennt euch?", vergewisserte sich Jins Vater und sah mich an. "Mhm vom Internat.", antwortete ich mit einem ziemlich schlechten Unterton. Auch Dylan hatte den gehört und reagierte sofort. Er machte einen Schritt vor und stand nun zwischen mir und Jins Vater. "Ja, wir sind gute Freunde geworden. Ich trainiere dort auch im Boxclub.", er grinste übermäßig und streckte die Hand vor. Nur skeptisch nahm Jins Vater sie entgegen. "Freunde mh?", wiederholte er und sah mich dabei an. Hinter Dylans Rücken gestikulierte ich verneinend herum und selbst ein Blinder hätte meine Ablehnung erkannt.
"Na wenn das so ist und du dort auch trainierst - wie wäre es mit einem kleinen Match?"
Er ließ Dylans Hand nicht los, zog ihn näher und klopfte ihm kräftig auf die Schultern.
"Jin,... Ey... Kommt raus.", rief ich so das er und sein Partner mich hören konnten.

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