Regenwolken

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Vielleicht spiegelt das in einer Weise gerade eher mich wieder als Leyla aber ich dachte mir, selbst Dr. Sonnenschein kann mal ein paar Regenwolken begegnen.
Und das zu schreiben hat mir sehr sehr gut getan. Also vielleicht könnt ihr damit etwas anfangen, wenn es auch von der Stimmungslage her doch ungewöhnlich ist.

Leyla starrte aus dem Fenster als er das Oberarzt-Zimmer betrat. Draußen prasselte der Regen auf den Asphalt und die Büsche vor dem JTK neigten sich im stärker werdenden Wind während sich der Hinmel nur noch mehr zu verdunkeln schien.

Schon die ganze Nacht hatte es wie aus Einmern geschüttet und der Ausdruck auf dem Gesicht seiner Frau war ähnlich dunkel wie die trübe Wolkendecke über ihnen. Eigentlich war Leyla ein fast durchweg positiver, optimistischer Mensch, der immer wieder das Helle in Dingen sah, doch er konnte schon die letzten Tage beobachten, dass ihren Augen das gewisse Strahlen fehlte, welches sie sonst immer noch viel schöner machten. Den meisten Menschen wäre es wohl nicht aufgefallen, sie war emphatisch, liebevoll und freundlich anderen gegenüber - genau wie immer.

Naja, fast wie immer.

Er kannte sie besser.
Er bemerkte, dass sie eigentlich eine Pause brauchte.
Sie liebte ihren Beruf und ihre Familie, das wusste er, aber die Assistenzärzte steuerten auf ihre Facharztprüfung zu und Leyla tat alles, um sie bestmöglich darauf vorzubereiten und investierte extra Stunden, um sie zu unterstützen. Dazu kam Raya, und auch wenn die gemeinsame Zeit mit ihrer kleinen Tochter wunderschön war, zehrte es eben auch manchmal an den Kräften. Dann noch die nie enden wollenden Termine und alles, was der Alltag eben so von einem verlangte und auch wenn Ben alles tat um sie zu unterstützen, verbrachte er in seiner neuen Position doch mehr Zeit in der Klinik und im OP als zuvor.

Sie hatte versichert, dass dies völlig in Ordnung war, aber Ben wusste, dass sie sich genauso sehr nach Zweisamkeit sehnte wie er selbst.
Dazu vermisste sie Zoe, die sie schon länger als üblich nicht mehr gesehen hatte, da das letzte Treffen verschoben werden musste denn Mira hatte sich einen Infekt zugezogen. Zu allem Überfluss hatte sich Leyla dann auch noch am Telefon mit ihrer Mutter gestritten, weil sie für eine geplante Familienfeier keinen Urlaub nehmen konnte - ein Streit, der für eine unruhige Nacht gesorgt hatte. Pausenlos hatte sich seine Frau im Bett gewälzt, war mehrmals aufgewacht und jedesmal hatte es wieder etwas länger gedauert, bis sie erneut in den Schlaf fand.

Nachdem er sie einen weiteren Moment betrachtet hatte, legte er lautlos die Akten in seiner Hand ab und schritt die letzten paar Meter auf sie zu und trat neben sie, doch Leyla schien ihn erst so richtig wahr zu nehmen, als er vorsichtig seine Hand auf ihre legte um seine Finger mit ihren verschränken zu können.
Sie zuckte kurz vor Überraschung zusammen, entspannte sich aber sofort wieder und blickte ihn dann für einen langen Moment an.

"Hallo, schöne Frau," sagte Ben und hoffte inständig, ein Lächeln auf ihr hübsches Gesicht hervorlocken zu können.
Es klappte, auch wenn es ein zaghaftes, kleines Lächeln war, aber für den Moment gab er sich damit zufrieden.

"Hey," seufzte sie leise und betrachtete die Regentropfen, die immer wieder in eine Pfütze fielen und das Wasser zum Tanzen brachten. Vorsichtig streichelte er über ihre Wange, und auch wenn sie weiterhin nach draußen sah, konnte er spüren, wie sich Leyla in seine Berührung lehnte.

Behutsam strich er ihr eine Locke hinters Ohr, welche aus ihrem sonst perfekt gemachten Dutt gefallen war, bevor er den Arm um seine Frau legte und sie an sich zog.
Das schien Leyla den letzten Schubs zu geben, denn sie drehte sich und schlang beide Arme fest um seine Mitte und lies sich von ihm in eine innige Umarmung ziehen.
Minutenlang standen sie so da, das Prasseln des Regens das einzige Geräusch in dem sonst stillen Raum, aber es brauchte auch keine Worte.
Leyla hatte ihren Kopf in die Beuge zwischen seiner Schulter und seinem Kopf vergraben und er hielt sie einfach nur fest, denn genau das war es, was sie gerade brauchte - was sie beide gerade brauchten.

Geborgenheit. Wärme. Liebe.

Das Gefühl, zusammen zu sein und zusammen zu stehen, selbst wenn die Momente der Zweisamkeit oft zu kurz kamen im Alltag. Es brauchte keine Worte, denn diese Umarmung gab ihnen jede Bestätigung die sie brauchten und sagten mehr, als tausend Worte es konnten.

"Ich habe gelesen, am Wochenende soll es endlich aufhören zu regnen," murmelte er leise in ihr Haar.

"Elias würde gerne mal wieder mit seinem Patenkind in den Zoo - wenn du mich fragst, hat er mehr Freude daran als unsre kleine Maus," fügte er hinzu und spürte Leylas Grinsen an seiner Brust. "Jedenfalls habe ich mir frei genommen und würde gerne meine Frau ausführen..."

Er drückte ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn und Leyla hob ihren Kopf um ihn ansehen zu können, behielt aber die Arme eng um seinen Körper.

"So, so. Wohin möchtest du mich denn ausführen?" Fragte sie leise, doch die Neugier war auch in ihrer so ruhigen Stimme deutlich zu hören.

"Das verrate ich nicht. Noch nicht," erklärte Ben und zwinkerte. "Aber eigentlich ist es auch ganz egal. Was wirklich wichtig ist, sind du und ich. Nur wir beide und den ganzen Tag für uns, ohne Termine, ohne Pläne, ohne Telefonate und auch ohne sonstige Verpflichtungen."

Er wusste nicht ob er es sich einbildete, aber Ben meinte, ein paar Tränen in ihren Augen glitzern zu sehen, konnte allerdings nicht weiter darüber nachdenken, denn Leylas zarte Lippen lagen aufeinmal auf seinen und sie küsste ihn langsam und voller Liebe und das war das einzige, was in diesem Moment zählte.

"Danke!" Flüsterte sie und als sie erneut in einem Kuss versanken, wusste er - ein Tag zu zweit war genau das, was sie brauchten.

Beyla One-ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt