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(Thanks für die 100 reads by the way 💜🌈)

Masha Karminsky:

»Okayyy 😊«
-13:53 Uhr

Ich starrte auf mein Handy. Und mit jeder Sekunde, die verging, spürte ich mehr und mehr ein Lächeln in mein Gesicht wandern. Dass dazu noch die auf meinem ganzen Körper verteilte Gänsehaut und das Zittern trotz der Wärme kamen, war mir aber schon vorher klar. Ich wusste nicht, was Elisabeth mit mir machte, was sie in mir auslöste. Aber trotz der 'Symptome', die bei mir auftraten wusste ich, dass es etwas gutes war. Schließlich fühlte ich mich gut, wenn ich an sie dachte und wenn ich mich daran zurückerinnerte, über was ich alles nachgedacht hatte, als wir am späten Mittwochnachmittag nebeneinander in diesem Bus saßen, dann ist es mir klar, dass sie etwas mit mir macht. Dass sie irgendetwas an sich hat, was mich fasziniert und etwas bei mir auslöst.
Es war kurz nach 15 Uhr, als ich in meinem Outfit für den Tag vor dem großen Spiegel auf meinem Flur im Erdgeschoss stand. Der Gang war eng, gerade einmal zwei Meter breit, aber der Spiegel reichte fast über die ganze Wand, hinter der die Treppe nach oben entlangführte. Ich betrachtete meine Spiegelung. Ich trug einen korallroten Strickpullover aus flauschiger Wolle und eine dunkle Jeanshose, dazu einen ebenfalls korallroten Schal. Mit meinem Outfit war ich mehr als nur zufrieden. Den ganzen Tag lang über hatte ich in Schlafanzug in meinem Haus gehockt und war nur einmal kurz draußen im Garten, weil die Fische in meinem Teich etwas zu fressen brauchten. Deswegen zwang ich mich innerlich dazu, für meine Verabredung mit Elisabeth umso besser auszusehen. Dabei wusste ich nicht einmal genau, ob es überhaupt das Ziel des Treffens war und ob es überhaupt in eine romantische Richtung gehen sollte. Aber wenn ich daran dachte, wie Elisabeth ihren Wunsch danach, mich wiedersehen zu können geäußert hatte, war mir nahezu klar, dass sie genau auf diese Seite hinauswollte. Sie hatte Interesse an mir. Romantisches Interesse. Und das war auch okay so, denn irgendwie wurde mir von Sekunde zu Sekunde klarer, dass dieses Interesse nicht einseitig war, sondern auch auf meiner Seite bestand. Und obwohl ich noch nie in meinem Leben wirklich ernsthaft verliebt gewesen war, sondern nur in meiner Abizeit unzählige Dates mit Mädchen gehabt hatte, die sich dann irgendwie doch nicht mit mir verstanden, meinte ich, das beurteilen zu können. Meine vielen seltsamen Dates früher waren meist nur unangenehme Treffen mit anderen Mädchen, bei denen ich die kleinste Hoffnung hatte, mich mit ihnen verstehen zu können. Aber immer war es mehr oder weniger eine Enttäuschung. Ob das an meinem introvertierten Charakter lag, habe ich nie herausgefunden. Ich meine, es hatte auch an etwas anderem liegen können.
Um 15:48 Uhr verließ ich schließlich mein Haus und ging meine Straße entlang in Richtung der Bushaltestelle. Ich trug wieder meine olivgrüne Daunenjacke, weil mir sonst zu kalt wurde, obwohl bald schon April war. Es war später Nachmittag, also war es noch nicht allzu kalt, aber ich fror generell schnell, weswegen ich statt zu meinem üblichen Mantel, den ich im Frühling trug eher zu der dicken Daunenjacke griff. Langsam ging ich auf die eher einsam stehende Bushaltestelle zu, an der sich noch keiner befand und nervös sah ich mich um. Mein Blick galt den Häusern auf der anderen Straßenseite und dem Himmel, der sich zunehmend orange färbte. Es war zwar kühl draußen, aber immerhin war das Wetter einigermaßen gut, dachte ich lächelte für einen kurzen Moment. Und auch, als meine Gedanken wieder zu Elisabeth wanderten, musste ich lächeln. Ich wusste nicht, warum, aber dieses warme Gefühl in meinem Oberkörper, welches der Gedanke an sie verursachte, brachte mich zum Lächeln. Und kaum hatte ich meinen Gedanken zu Ende gebracht, hörte ich Schritte unweit von mir. Und diese Schritte bewegten sich vorsichtig, aber zielgerichtet auf mich zu.
Schließlich sah ich auf und somit direkt zu Elisabeth. Sie trug ihre Haare, die in haselnussbraunen Wellen über ihre Schultern fielen offen. Dazu trug sie einen petrolfarbenen Wollpullover und eine weite Jeans und Stiefel. Für einen Moment musterte ich nur ihr Outfit, welches meiner Meinung nach perfekt zu ihr passte.
"Hey", begrüßte ich sie, als wir einander nahe genug standen. Elisabeth lächelte mich an, begrüßte mich dann aber auch mit einem freudigen: "Hallo...", welches direkt von einem "Wie geht's dir so?", gefolgt war. Ich konnte zwar nicht aufhören, zu lächeln, aber wie es mir so ging, wusste ich auch nicht so wirklich. Trotzdem antwortete ich einfach: "Ziemlich gut... Und dir, Elisabeth?", fragte ich und sprach sie dabei direkt mit ihrem Namen an, was ihre volle Aufmerksamkeit innerhalb einer Sekunde auf mich ganz alleine richtete. Mein Gegenüber nickte, bevor wir uns in Bewegung setzten und nebeneinander die kleinen Bürgersteige entlanggingen, während wir über alles mögliche redeten. Sie kam mir vor, als würde ich sie seit vielen Jahren kennen. Und irgendwie wunderte mich das, aber gleichzeitig tat es das kaum noch.
Wir unterhielten uns hauptsächlich über das Studium und weitere eher oberflächliche Dinge. Trotzdem war es angenehm, mit ihr zu reden und die Blicke, die zwischendurch immer wieder von ihrer Seite aus auf mir lagen, waren ziemlich aussagekräftig. Und das nicht nur bei ihr, sondern ganz klar auch bei mir. Schließlich wusste ich schon, dass das warme Gefühl, welches sich von Zeit zu Zeit auf meinem Körper verteilte, nicht von ungefähr kam.
Elisabeth erzählte mir, dass sie Slawistik studierte, weil sie eines Tages Historikerin werden wollte und sie erzählte von ihrem allgemeinen Interesse für die osteuropäischen Länder und deren Geschichte, Kultur und Sprache. Dass sie sich mit der Sprache hin und wieder ein wenig schwertat, konnte ich gut nachvollziehen. Ich hatte in meinen zwei Studiengängen, Slawistik und Geschichte, mit mehreren Sprachen zu tun gehabt. Und auch, wenn Russisch meine Muttersprache war, tat ich mich mit Sprachen wie Rumänisch in meinem Slawistikstudium und Latein und Griechisch im Geschichtsstudium umso schwerer.
-"Wo genau aus Russland kommen denn deine Eltern her?", fragte Elisabeth interessiert, während wir durch den kleinen Stadtpark gingen.
"Meine Eltern kommen beide aus Deutschland, aber meine Oma war aus St. Petersburg", erklärte ich und dachte an die ganzen kalten Winter, die ich bei meiner Großmutter in der nordwestlich gelegenen russischen Großstadt verbracht hatte.
-"Interessant... Ich meine... Bis auf meinen Uropa aus Stockholm waren alle in meiner Familie von hier...", erzählte Elisabeth ruhig und mir fiel direkt auf, dass sie waren anstatt sind sagte. Für eine Sekunde sah ich die braunhaarige jüngere Frau neben mir an, versuchte, ihr einen möglichst sorgenvollen Blick zu geben. Andersherum ging es mich mehr oder weniger nichts an, ob und wenn ja was mit ihrer Familie passiert war und noch dazu war es sicherlich ein Thema, über das sie nicht gerne sprach. Schließlich sprach ich eigentlich auch nicht gerne über Familie. Meine hatte mich immerhin nach meinem achtzehnten Geburtstag komplett aus ihrem Leben gestrichen, weil ich angeblich eine Enttäuschung für meine Eltern war, meine Liebe zu anderen Frauen als widerwärtig galt und ich doch ohnehin das schwarze Schaf der Familie war. Es war einfach alles, nur nicht leicht. Aber dass der Punkt, an dem der Kontakt innerhalb eines Monats komplett abbrach, auch schon fast fünfzehn Jahre her ist, zeigte zumindest für mich persönlich, dass ich leider auch ohne Familie gut leben konnte.
Der Weg, der aus dem Stadtpark hinausging, führte in eine Siedlung mit vielen Einfamilienhäusern. Ich wohnte nicht weit entfernt und pflegte schon immer die Gewohnheit, jeden Tag nach der Arbeit in dem kleinen Park mit den vielen Pflanzen und Bäumen spazieren zu gehen. Und wenn ich mich richtig erinnerte, dann war diese seltsame junge Frau, die ich fast drei Tage zuvor abends in Park gesehen hatte, niemand geringeres, als Elisabeth. Ich musste lächeln und atmete einmal tief durch. Elisabeth sah mich an und sie lächelte auch wieder so herzlich und so warm und ihre Augen glitzerten für einen Moment. Ich fühlte mich durch dieses Glitzern an einen Ort zurückversetzt, den ich nicht definieren konnte und durch den Gedanken daran wurde mir wieder ziemlich warm, vor allem in der Herzgegend.
Dann redeten Elisabeth und ich eher stumpf über die Häuser in der Gegend und sie erzählte, dass sie irgendwann, wenn sie jemanden fürs Leben gefunden hat, gerne in eines der alten und großen Einfamilienhäuser ziehen würde. Und ich erklärte auch, dass ich in einem solchen Haus wohnte und das auch ganz alleine. Währenddessen gingen wir die Straße an den großen Vorgärten mit kurzem Gras entlang.
"Ich wohne halt alleine...", erklärte ich.
-"Und du wirst nie einsam?", war Elisabeth verwundert und sah mich eine kurze Sekunde lang an.
"Nein... Also... Selten... Und wenn, dann habe ich meine umfassende Schallplattensammlung", stotterte ich ein wenig. Ich gab es zu; ich konnte nicht klar denken, wenn Elisabeth mich so tief ansah.
-"Ich wohne auch alleine...", erzählte sie mit einem traurigen Unterton.
"Und bist du einsam, Elisabeth?", fragte ich und bekam dieses Mal keine Antwort. Erst nach fünf Sekunden und einem kurzen Moment der Realisation, bemerkte ich, dass Elisabeth etwa zehn Meter hinter mir zum Stehen gekommen war. Ich sah zu ihr. Sie starrte auf die gegenüberliegende Straßenseite, auf der ein älterer Mann sichtlich beschäftigt damit war, sein Auto zum Laufen zu bringen. Ich konnte die Abgase riechen und alles davon tat mir ein wenig in der Nase weh, aber Elisabeth war in dem Moment wichtiger. Langsam bewegte ich mich auf sie zu. "Elisabeth?", sprach ich sie direkt an und sofort bekam mein Herz einen Riss, als ich erkannte, wie sehr sie zitterte. Und ich wusste ganz genau, dass sie vor ein paar Minuten noch nicht so gezittert hat. "Hey... Elisabeth?", versuche ich es nochmal, doch im nächsten Moment fingen an, Tränen über ihre rosafarbenen Wangen zu rollen. Dazu war das Zittern ununterbrochen. Ich wusste nichts, wie ich reagieren sollte. Zumal ich nicht wusste, warum eine solche Reaktion bei der jungen Frau auftrat. Ich bemühte mich sehr, irgendwas zu tun. Schließlich war ich nicht besonders gut, was die Gefühle von Menschen anging. Deswegen berührte ich Elisabeth einfach vorsichtig mit meinen Fingerspitzen an ihrer linken Hand und flüsterte: "Hey, was ist denn los?".

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