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Elisabeth Karlsson:

Es war nicht nur ein angenehmes Gefühl, die Wärme von Mashas Oberkörper an meinem Rücken zu spüren, sondern auch, wie sie ganz vorsichtig meine Haare durchkämmte, immer wieder mit ihren zarten Fingern über diese strich. Und ich merkte, dass ich es viel zu sehr mochte, sie nebenbei in unserem Spiegelbild zu beobachten. Einerseits sah ich mich selbst, wie ich zwar etwas besser aussehend als am frühen Morgen aber trotzdem nicht gerade eine Augenweide war und dann sah ich Masha, die mit einem konzentrierten aber dennoch entspannten Gesichtsausdruck meine Haare kämmte und sogar dabei wunderschön aussah. Ihre Haut sah ziemlich jung und weich aus und mittlerweile war ich mir sicher, dass sie um einiges jünger war, als ich sie bei unserer ersten wirklichen Begegnung im Café und danach in diesem Bus eingeschätzt hatte. Sie war sicherlich noch unter 30.
Mir war zwar bewusst, dass man eine Frau nie nach ihrem Alter fragen sollte, aber in Mashas Fall interessierte es mich wirklich und selbst, wenn ich mit meiner jetzigen Schätzung recht haben sollte, änderte es nichts. Sie war einfach unwahrscheinlich schön - egal, ob sie nun erst Mitte zwanzig oder vielleicht schon fast 40 war. Wobei ich von letzterem nicht ausging, schließlich sah sie ziemlich jung aus, trotzdem nicht jünger, als 20.
"Masha?", sprach ich sie schließlich leise an und ich spürte an meinem Rücken, dass ein kurzes Zucken durch ihren Oberkörper ging, weil sie wahrscheinlich so sehr darin vertieft war, vorsichtig meine Haare durchzukämmen.
-"Ja...". Ich nahm meinen Mut zusammen.
"Sorry, dass ich das so frage... Aber wie alt bist du eigentlich?", fragte ich vorsichtig, schließlich hatte ich keine Ahnung, wie sie auf solche Fragen reagierte.  Aber sie schien es entspannt zu sehen.
-"Ich werde im August 36 Jahre alt...", meinte sie. Innerlich wie äußerlich staunte ich. Sie sah wirklich jünger aus, als 36, denn vor allem ihre Haut war so jung und fein, sie hatte bis auf typische, leichte Lachfalten keinerlei Anzeichen darauf, dass sie schon etwas älter war.
"Ehrlich? Du siehst viel jünger aus... Wie Mitte 20 ungefähr...", sagte ich erstaunt und bemerkte erst in dem Moment, dass es ein unwahrscheinliches Kompliment an diese wunderschöne, tolle Frau war, ihr das zu erzählen. Masha schien überrascht, aber auch ein bisschen überfordert von dieser Bemerkung zu sein. Sie hörte auf, meine Haare, die nun wahrscheinlich weich wie Seide waren, zu kämmen und wir beide sahen in den Spiegel - im Spiegelbild trafen sich unsere Blicke. Dieses tiefe Braun und das langweilige Graublau.
-"Danke", hauchte sie und für mich klang der Unterton ihrer Stimme dankbar, liebevoll aber auch traurig zugleich. Mir kam es vor, als hätte sie schon seit Jahren kein Kompliment mehr bekommen. "Nichts zu danken...", erklärte ich deswegen und sah nochmal in den Spiegel. Mashas Gesicht sah wirklich wunderschön aus, wie gezeichnet und ihre feuerroten Haare, die in dem warmen Licht des Badezimmers nur nich feuriger wirkten, umrahmten ihr Gesicht wie Flammen. Sie war wirklich bildschön und das sollte sie auch wissen. "Du bist wunderschön", sagte ich deswegen einfach und realisierte erst einige Momente später, was ich von mir gegeben hatte. Ich sah immer noch in das Spiegelbild, in welchem Masha und ich uns anlächelten. Ihr liebevolles, herzliches, dankbares Lächeln auf ihren rosafarbenen, sicherlich wunderbar weichen Lippen sah so unbeschreiblich schön aus. Ich atmete tief durch und lehnte meinen Kopf ein wenig seitlich nach hinten an Mashas warmen Oberkörper. Irgendwie hoffte ich, dass sie diese Bewegung nicht wahrnahm oder gar daraus schloss, dass ich ihre Nähe suchte und in sie verliebt war oder ähnliches. Aber andersherum fragte ich mich, ob sie das nicht ohnehin schon dachte. Der Stoff ihres bunten Pullovers war warm und scheinbar unbemerkt von Masha vergrub ich meinen Hinterkopf in diesem. Dieser lag etwa auf der Höhe ihres Schlüsselbeins und ich bemerkte, dass ich hören konnten, wie ihr Herz schlug. Es raste - sie war eindeutig nervös. Machte ich sie nervös? Mit meiner Nähe oder dem liebevoll gemeinten Kompliment? Ich wusste es auch nicht. Unwillkürlich musste ich lächeln und genoss weiterhin die menschliche Nähe zu Masha und die wunderbare, angenehme Wärme ihres Oberkörpers. Dann löste sie sich abrupt und ging auf etwa einen Meter Abstand. Deutlich nervös richtete sie ihre Haare und lachte kurz ziemlich gestellt.
-"So...", sagte sie dann darauf bezogen, dass sie fertig mit meinen Haaren ist und irgendwie war mir ohne die Nähe von Masha plötzlich ziemlich kalt. Ich drehte mich um und nickte dankbar. Dann herrschte zwischen uns eine komische Stille, in der sich etwas ganz mutig es in mir schon überlegte, zu fragen, ob ich sie nervös machte. Aber das ließ ich erst einmal.
-"Deine Haare sind wirklich weich wie Seide", flüsterte Masha plötzlich und ich musste lächeln. "Meistens haben sie Kletten und wehen mir ständig ins Gesicht", erzählte ich und Masha lachte kurz - dann bewegte sie sich wieder ein paar Meter auf mich zu. Ich merkte, wie sich mein gesamter Kreislauf wieder auf den Kopf stellte. Mein Blick traf meinen eigenen und den von Masha in dem Spiegelbild. Sie stand wieder hinter mir - nun jedoch mit etwas Abstand. Wenige Sekunden später spürte ich zwei warme Hände an meinen Schultern und sofort kehrte die Wärme in mir, die verschwunden war, als Masha sich entfernt hatte, zurück.
-"Rede dich und dein Aussehen nicht schlecht, Elisabeth... Das tut auf Dauer nicht gut", sagte Masha, während sie mir ihren Fingern vorsichtig über meinen oberen Rücken strich. Ich nickte nur - innerlich trafen mich diese Worte ziemlich, wohin sie äußerlich keine Wirkung zeigten. Wir betrachteten uns gerne gefühlte Ewigkeit in dem alten Badezimmerspiegel und ich genoss die Wärme von Mashas Berührungen an meinem Rücken, bis uns etwas aus unserer Starre löste. Mein Handy, welches auf einer kleinen Kommode neben dem Waschbecken lag, klingelte.
Ich sah erschrocken zu dem kleinen Gerät, rechtfertigte mich sofort: "Sorry, ich sollte mein Handy wirklich mal leise stellen...". Masha hingegen lächelte nur und ging bewusst auf etwas Abstand. Ich sah, wer mich angerufen hatte - es war Anna, die Schwester von Jonathan. Verdammt, dachte ich sofort, als mir einfiel, dass wir uns irgendwann in meinen Semesterferien am Wochenende zum Telefonieren verabredet hatten. War das wirklich heute? Schließlich wollte sie schon die ganze Zeit über Tipps von mir haben, wie sie sich schon bald am besten um einen Studienplatz bewerben könnte, schließlich wollte sie in einen ähnlichen Bereich wie ich. Ihrer war Literatur, am besten slawische Literatur.
Unüberlegt entschied ich mich dazu, nicht ans Telefon zu gehen und mich stattdessen noch einmal bei Masha für den kleinen Vorfall zu entschuldigen.
-"Ist doch nicht schlimm", sagte sie nur, mir war die Antwort eigentlich schon bewusst. Trotzdem wollte ich sie gepaart mit ihrem warmen Lächeln wahrnehmen.

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