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Er soll mich bloß nicht so anlächeln.
In meinem Kopf sind eine Menge Fragen. Zum Beispiel mit eine der größten: Was zur Hölle macht er hier?
Mein Dad hat sich von meiner Mum trennen lassen und wir haben danach nichts mehr von ihm gehört. Er hat irgendwo neu geheiratet und neue Kinder bekommen.
Jetzt ist er wieder da und möchte eine Beziehung zu mir aufbauen?
Das kann er vergessen.

„Ist das dein Dad?" fragt mich Adam leise.
Ich nicke stumm ohne die Augen von meinem Dad zu nehmen.
Am liebsten hätte ich Adam einen blöden Kommentar an den Kopf geworfen, weil mich diese Situation überfordert. Es macht mich wütend, dass mein Dad hier ist.
Ja, das ist mein Dad. Was denkt Adam, wer dieser Mann sonst wäre? Sieht man denn nicht die Ähnlichkeit, die dieser Mann in mir hinterlassen hat?

Mein Dad sieht von mir zu Adam und versucht es auch bei ihm mit einem Lächeln. Ich hoffe doch sehr, dass Adam nicht zurück lächelt.
Er soll auf meiner Seite sein. Nicht auf Dad's.

„Hope, es ist schön dich zu sehen." sagt er vorsichtig und tritt zwei Schritte nach vorne.
Ich presse die Lippen zusammen. Es ist surreal. Als würde ich träumen.
Dieser Moment fühlt sich einfach nicht echt an.
All die Jahre war er weg. Und jetzt ist er einfach hier.
Er lebt, er ist real.
Und er hat ein Leben mit einer anderen Familie. Irgendwo weit weg von uns.
„Du bist erwachsen geworden." sagt er und mustert mich von Kopf bis Fuß.

Ich wende den Blick schnell ab und drehe mich zu Adam.
Mein Blick richtet sich auf seine Brust und ich zwinge mich mit neutraler Stimme zu sprechen.
„Ich gehe schon mal rein und versuche die Kiste zu tragen." sage ich und drehe mich um.
Ich gehe ins Wohnheim und renne beinahe in mein Zimmer. Dort schließe ich die Tür hinter mir.
Ava sitzt auf ihrem Bett an ihrem Laptop. Aber auch sie nehme ich nur benommen wahr.
Ich laufe an ihr vorbei und schließe mich im Bad ein.
Dort starre ich auf den Fußboden.
Ich starre einfach und versuche zu atmen.

Okay. Beruhige dich.

Ich zwinge mich ein paar mal tief durchzuatmen. Mit der Rückkehr meines Vaters habe ich nicht so schnell gerechnet. Ich meine, Sam hat mir Bescheid gesagt, dass er wohl vor einigen Wochen den Kontakt zu uns sucht. Und Mum hat ihm sogar unsere Nummern gegeben. Aber ich habe nur mit einer Nachricht höchstens einem Anruft gerechnet. Und nicht mit einem Besuch an meinem College!
Was denkt er sich?

Ich gehe die drei Schritte auf das Waschbecken zu.
Als ich meine Hände Links und Rechts am Waschbecken abstütze und mich im Spiegel ansehe, zwinge ich mich meinem Blick stand zu halten.
Ich kann mich kaum selber ansehen.
Er ist mein Vater. Und ich bin leider seine Tochter.
Ich bin zwar nicht das exakte Ebenbild von ihm, aber ich sehe Ähnlichkeiten.
Mein Kopf geht in den Nacken und ich sehe an die Decke.

Jetzt bloß nicht weinen.

Er hat es nicht verdient. Nicht einen verdammten Tropfen meiner Tränen.
Er hat uns freiwillig verlassen. Es ist doch seine Schuld. Sieht er nicht, was er uns angerichtet hat? Wir sind ohne Dad aufgewachsen. Niemand konnte meine Hand halten wie ein Vater es getan hätte.
Sam hatte kein väterliches Vorbild. Das einzige, was ihm blieb ist die Kenntnis, dass unser Dad uns verlassen und im Stich gelassen hat.

Wo war er als ich meinen ersten Freund bekam oder ich meinen High School Abschluss gemacht habe?
Wo war er bei meinem College Umzug?
Mum war da.
Sie war immer da.
Meine Mum musste da sein. Sie hat alles auf ihre Schultern genommen und mich und Sam groß gezogen. Sie musste Mum und Dad spielen.

Die Realisierung, dass ich ohne Vater aufgewachsen bin trifft mich hart. In so vielen Situationen hätte ich väterliche Unterstützung gebraucht. Ich hätte einen guten Rat gebrauchen können. Ich hätte ein schöneres Leben haben können.

Meine Augen füllen sich mit Tränen.
Ich kann sie nicht aufhalten.
Ich will sie nicht mehr aufhalten.
Es ist mir egal.
Er ist mir egal.
Ironischerweise weine ich dennoch um ihn.
Um meinen verlorenen Dad.
Ich lasse es zu, dass mir die Tränen die Wangen herunter laufen und schniefe einmal.
Und dann nochmal. Und irgendwann heule ich richtig.

Danke Dad, für Nichts.

He's my Badboy/FuckboyWhere stories live. Discover now