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Die Kantine war heute erschreckend leer. Kein Wunder. Bei dem außergewöhnlich guten Wetter würde ich auch jegliche Chance ergreifen. Ich liebte den Sommer. Überall Mädchen, die ihre Beine zeigten, ob nun in kurzer Hose, in einem luftigen Sommerkleid oder in einem dieser süßen Miniröcke..
Gelangweilt spielte ich mit meinem Feuerzeug, während ich das Mädchen beobachtete, wie sie an dem viel zu großen Tisch saß - fast schon verloren wirkte - und an was auch immer arbeitete. Mich wunderte es eh, dass Harrington und seine nervige Freundin oder dieser Byers Junge nicht mit am Tisch saßen. Ich hatte sie noch nie irgendwo alleine gesehen. Zumindest nicht seit sie mir aufgefallen ist.

Vor ein paar Tagen habe ich das erste Mal von meiner Gruppe ihren Namen gehört. Es wurde über ihre bezaubernden Outfits gesprochen, ihr ansteckendes Lächeln und ihre wohl nie vergehende gute Laune. Bisher hatte ich aber nie ein Gesicht zu den ganzen Erzählungen, bis mir irgendwann aufgefallen ist, - als ich endlich mal im Unterricht aufpasste - dass sie in Chemie mit mir in einer Klasse ist.
Sie war das erste Mädchen, welches ich am ersten Tag an dieser Schule richtig wahrgenommen habe. Doch dann kam wieder das Arschloch in mir durch und ich konzentrierte mich nur noch auf die willigen Mädchen, die es mir einfach zu leicht machten.
Aber seitdem ich endlich Gesicht mit Namen und Namen mit Gesicht verbinden konnte, war alles irgendwie.. anders.

Egal wie laut es auf dem Parkplatz vor der Schule war - ich hörte ihr
sorgenfreies Lachen.
Jeden Morgen, wenn ich meinen Wagen vor dem Schulgebäude parkte, wartete ich an meinem Auto, bis sie kam - weil sie jeden Morgen ein Lächeln auf den Lippen hatte, welches ich beneidete und ansteckend fand - ganz, wie es mir versprochen wurde.
Egal mit welchem Mädchen ich flirtete und wie sehr ich mich darauf konzentrierte, meinen Charme spielen zu lassen - sie war plötzlich immer da, wo ich auch war.
In einem ihrer farbenfrohen und leichten Sommerkleidern, ihre Haare meist offen und über ihre Schultern liegend, wobei ich sie auch attraktiv fand, wenn sie ihre Haare zusammen gebunden oder Locken hatte.

Ich wusste nicht was mit mir los war, aber die wenigen Worte, die ich mit ihr wechselte, waren harmlos.
Ich ließ keinen Anmachspruch fallen, ich streichelte ihr keine Strähne hinters Ohr - was übrigens der absolute Renner bei den Damen war - und ich überredete sie auch nicht auf ein Date. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass sie einfach zu unschuldig wirkte oder, weil ich wusste, dass ich sie verderben würde.

Sie sah gut aus, keine Frage..

Gott, ich untertrieb.. sie war eine Schönheit und äußerst anziehend. Jeder könnte sich glücklich schätzen mit ihr ausgehen zu dürfen, aber irgendwas weckte den Beschützerinstinkt in mir und ich hasste es.

Was mich jedoch immer wieder sehr amüsierte war, wie sie jedes Mal nervös wird, wenn ich mit ihr redete. Es brachte sie immer wieder aus dem Konzept und sie stammelte hilflos vor sich hin. Ich wusste, dass ich sie haben kann, wenn ich wollte, aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht richtig sei. Und ich bin normalerweise kein Mensch, der viel Wert auf Moral legt.

"Planst du deinen nächsten Angriff auf Harrington's kleines Schoßhündchen?"

Tommy riss mich aus meinen Gedanken. Während der Rest der Gruppe über seinen dummen Kommentar lachte, brummte ich nur genervt und warf ihm einen scharfen Blick zu. Er verstand sofort und aß stumm sein Sandwich weiter.

Ich warf meinen Blick zurück auf das zierliche Mädchen. Ich hatte nur einen kurzen Moment nicht hingeschaut und schon redete sie mit einem Jungen, der mit ihr irgendwas besprach. Ohne, dass ich es kontrollieren konnte, verkrampfte sich mein Kiefer und ich
ballte meine Hände zu Fäusten.
Sie hatte sich sein Buch genommen, blätterte ein paar Seiten zurück und zeigte ihm irgendwas. Sie lächelten sich beide an, bis er wieder zurück zu seiner Gruppe ging.
Ich bemerkte, wie ich mich wieder entspannte, beobachtete ihn noch ein wenig, versuchte über den Lärm hinweg zu hören und seine Lippen zu lesen.

Sie meinte die Antwort..

Ich hatte eine Idee, zögerte aber lange mit mir selbst, ob ich es wirklich umsetzen sollte. Mein Blick glitt rüber zur Uhr, die über dem Eingang der Kantine hing.

15 Minuten.. Zeit für zwei Zigaretten..

Mit einem Seufzen holte ich mein Mathebuch raus und blätterte durch die letzte Unterrichtsstunde, suchte nach noch nicht gelösten Aufgaben und nahm meinen Stift.

"Scheiß drauf..", nuschelte ich und machte mich auf den Weg zu ihr, ignorierte die Kommentare und Fragen der anderen.

Vorsichtig platzierte ich das Buch vor ihr, um sie nicht groß zu erschrecken und setzte mich gegenüber von ihr. Ihre Augen begutachteten erst das Buch, dann striffen sie zu mir, ein dickes Fragezeichen hing über ihrem Kopf.

"Kannst du mir mit den Aufgaben helfen?", fragte ich sie und wandte den Blick nicht von ihr ab.

Sie musterte mich skeptisch und arbeitete dann weiter.

"Ich.. Ich bin gleich fertig, dann.. kannst du es abschreiben..", murmelte sie und suchte ihr Lineal.

"Nein."
Sie sah zu mir auf, ich schüttelte den Kopf.
"Ich will sie nicht abschreiben. Ich möchte, dass du es mir erklärst."

Sie lächelte mich an. Wie jedes andere Lächeln, war dieses ebenso aufrichtig und bezaubernd. Aber dieses Mal war es besonders. Sie schenkte es nämlich mir.

"Okay.."

Sie lehnte sich etwas über den Tisch und fing an mir die Aufgaben zu erklären. Sie war wie ausgewechselt. Plötzlich nicht mehr so schüchtern und zurückhaltend. Sie redete frei und ohne zu stottern.
Ich verfolgte ihre Bewegungen, begutachtete ihre Hände, rutschte hoch zu ihren entblößten Schultern, über ihre vollen Lippen und blieb an ihren beruhigenden blauen Augen hängen. Ich hörte ihre ruhige, angenehme Stimme, wusste aber nicht was sie genau sagte, da ich zu beschäftigt war, den Moment in mich aufzusaugen.
Plötzlich erwiderte sie meinen Blick, errötete leicht, nachdem sie mich bemerkt hatte, warf mir aber dennoch einen fragenden Blick zu.

"Habe ich.. zu schnell geredet?", fragte sie peinlich berührt, blieb meinem Blick jedoch standhaft.

Ich lächelte sie an, entblößte meine weißen, makellosen Zähne und schüttelte mit dem Kopf.

Ich nahm das Buch, löste die Aufgaben und ließ sie danach einen Blick darüber werfen. Sie verglich meine Notizen mit ihren und nickte grinsend.

"Vielen Dank..", bedankte ich mich mit ruhiger, schmeichelnder Stimme. Ich hielt mein Lächeln noch immer aufrecht und gerade als wir fertig waren, hörte man die Schulglocke. Ich nahm meine Sachen, stand auf und warf ihr einen letzten Blick zu, als ich dann an meinen eigentlichen Tisch ging und meine Tasche nahm.

Ich leckte mir amüsiert über die Unterlippe. Ich wusste, dass sie den Blick nicht von mir abwenden konnte, weshalb ich meine Hose noch etwas hochzog, damit sie auch ja nichts verpasste.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt | Billy HargroveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt