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Ein Seufzen entwich meiner Kehle, als ich aus dem Schulgebäude rausging und mich die drückende Hitze förmlich erschlug. Die Sonne strahlte mir sofort ins Gesicht, weshalb ich meine Hand vor die Augen hielt und langsam auf mein Auto zu ging. Heute war mit Abstand der anstrengendste Tag für mich. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen und die 'vielen' Kontakte mit Billy raubten mir meine letzten Kräfte.

Ich machte mir unzählige Gedanken wegen der anstehenden Party. Meine Nervosität und mein vorlautes Mundwerk hatten mich in diese Scheiße geritten und ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.

Was sollte ich anziehen? Wann sollte ich erscheinen? Gleich zu Anfang? Ich sollte Steve und Nancy fragen, wann sie hingingen, schließlich war ich mit sonst niemandem befreundet und ich hatte definitiv nicht vor dort alleine rumzuhängen.

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, dass ich längst vor meinem Auto stand und in die gähnende Leere vor mir starrte. Ich blinzelte ein paar Mal, steckte den Schlüssel in die Tür und schloss sie auf. Müde schmiss ich meine Sachen auf den Beifahrersitz, schlug dann die Autotür wieder zu und wartete auf meine Runde.

Wieder drifteten meine Gedanken zur Party. Sollte ich mit jemandem mitfahren oder sollte ich selber fahren, damit ich nicht an jemanden gebunden bin? Ließen mich meine Eltern überhaupt gehen? Einerseits hoffte ich, dass sie mir es verbieten würden, andererseits täte es mir vielleicht mal ganz gut rauszukommen und einfach mal zu leben, auch, wenn ich vehement gegen diesen Gedanken ankämpfte und mir einredete, ich bräuchte das nicht.

"Ist das Auto nicht ein bisschen zu groß, für so ein zartes Mädchen wie dich?", hörte ich eine allzubekannte Stimme fragen. Was hatte er heute nur mit mir? Warum schenkte er mir auf einmal so viel Beachtung?

Etwas verwirrt musterte ich mein Auto und blickte dann rüber zu Billy.

"Ein Chevrolet Chevelle SS.. Hätte da nicht ein süßer kleiner BMW oder Volkswagen gereicht?", er schenkte mir eines seiner unvergleichlichen Lächeln, während er einen Zug von seiner Zigarette nahm.

Ich rollte mit den Augen, konnte mir ein kleines Lachen jedoch nicht verkneifen.

"Es gibt keine zu großen Autos.", entgegnete ich ihm freudig und wartete auf seine Reaktion.

"Eins muss man dir lassen: Du hast guten Geschmack..", rief er mir entgegen, trat seine Zigarette aus und stieß sich von seiner Motorhaube ab, um die Fahrertür zu öffnen.
"Und man hat hinten ordentlich Platz für.. viel Spaß.."

Er zwinkerte mir zu und stieg schließlich ein. Ohne zu zögern startete er den Motor und fuhr schnellstens vom Parkplatz, ließ mich etwas erschrocken und sprachlos zurück.

Ich rollte wieder mit den Augen. Es war klar. Früher oder später würde so ein dummer Kommentar von ihm kommen, mich überraschte es aber, dass er sich so lange Zeit gelassen hatte.

"Hey Amy!", ich sah zu meiner linken und bemerkte Jonathan, der sich einen sicheren Weg durch den vollen Parkplatz bahnte.
"Ihr redet miteinander?"

Man konnte an seinem Blick erkennen, dass er nicht wirklich erfreut war, dass Billy mit mir Kontakt knüpfte. Ich zuckte mit den Schultern und gab ihm ein beruhigendes Lächeln.

"Nichts 'ernstes', nur.. Smalltalk", versicherte ich ihm und versuchte ihn schnellstmöglich abzulenken.
"Gehst du morgen zur Party?"

"Ja, Nancy hat mich dazu überredet. Oder eher gesagt: gezwungen..", seufzte er und wandte den Blick von mir ab. Ich schenkte ihm einen entschuldigenden Blick, als dann auch schon unsere Turteltauben auf uns zu schlenderten. Ich ergriff sofort die Chance und zog Nance zur Seite.

"Du musst mir einen Gefallen tun. Ich brauche jemanden, der mit mir shoppen geht.", ich bemerkte ihren entsetzten Gesichtsausdruck.
"Ich weiß wir sind jetzt nicht die dicksten, aber ich brauche echt deine Hilfe."

Sie schien für einen kurzen Moment zu überlegen, willigte am Ende aber dann doch noch ein.

"Ja, geht klar. Vielleicht lernen wir uns dann ein bisschen näher kennen.. Du weißt schon.. Ohne die Jungs um uns herum.."

Mir fiel ein Stein vom Herzen und irgendwie freute ich mich auf einen Mädelstag. Es war untypisch für mich, mich auf so kleine Sachen zu freuen, aber vielleicht brauchte ich auch einfach mal eine Veränderung in meinem Leben.

"Passt es dir morgen nach der Schule?", fragte ich vorsichtig, woraufhin sie nickte und sich mit Steve kurzerhand von mir und Jonathan verabschiedete.

"Brauchst du morgen jemanden, der dich fährt?", fragte er plötzlich, als ich mich eigentlich auch verabschieden wollte.

"Um ehrlich zu sein weiß ich es noch nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich morgen die erste bin, die von der Party abhaut und ich will euch dann nicht auf die Pelle rücken. Ich glaube ich fahr selber.", erklärte ich ihm. Er nickte verständnisvoll und deutete an, dass auch er sich langsam auf dem Heimweg machte.

Ich stieg in mein Auto, ließ die Fenster runter, drehte die Musik auf und fuhr etwas zu zügig nach Hause.
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Am Esstisch war es ruhig. Wie eigentlich jedes Mal. Meine Eltern und ich tauschten uns untereinander schon vorher aus und sobald das Essen fertig war und wir uns am Tisch versammelten, herrschte absolute Stille, bis auf das Besteck, welches immer wieder gegen das Porzellan stieß. Ich überlegte, wann der beste Zeitpunkt war, die morgige Party anzusprechen. Irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl und irgendwie auch.. Angst, obwohl meine Eltern eigentlich recht locker waren und mir viel Vertrauen schenkten.

Als wir fertig waren, half ich meiner Mutter den Tisch abzuräumen, mein Vater saß noch an seinem Platz und las seine Zeitung. Ich ergriff die Chance und fragte einfach gerade heraus nach.

"Tina, eine gute Bekannte aus der Schule, schmeißt morgen Abend eine Party..", fing ich an und wartete die Reaktion meiner Eltern ab.

Mein Vater hielt seine Zeitung etwas runter und warf mir einen skeptischen Blick zu. Meine Mutter hingegen lächelte mich liebevoll an und deutete an, dass ich weitersprechen sollte.

"..und.. Ich hab mich gefragt, ob ihr mich gehen lasst..?"

Man hörte das Rascheln des Papiers. Mein Vater hatte seine Zeitung komplett auf dem Tisch abgelegt und stützte sich nun mit beiden Ellenbogen auf den Tisch ab. Das Lächeln meiner Mutter hingegen verblieb auf ihren Lippen und sie streichelte fürsorglich und ermutigend über meine linke Schulter.

"Das freut mich, dass du.. endlich mal rausgehst.. und Spaß hast.", versicherte sie mir und blickte danach zu meinem Vater rüber.

Er beäugte mich etwas kritisch, begann dann aber weiter zu lesen.
"Pass aber auf dich auf!"

Ich lächelte dankbar und nickte, auch wenn er mich gar nicht mehr ansah.

"Steve wird auch da sein, er wird ein Auge auf mich haben..", versicherte ich beiden, umarmte meine Mutter dankend und rannte hoch in mein Zimmer.

Breit lächelnd schmiss ich mich auf mein Bett und konnte es mittlerweile irgendwie kaum erwarten, dass es endlich losging. Das war, um ehrlich zu sein, meine erste Party überhaupt. Ich hatte eigentlich nie wirklich Interesse an sowas. Steve erzählte ständig wer mit wem rummachte und wie betrunken doch alle waren, wer eine Schlägerei angefangen hatte und wer wem fremd ging. Ich hatte nie verstanden, was an so einer Veranstaltung Spaß machte.

Aber heute beschloss ich - gezwungener maßen - mir ein eigenes Bild davon zu machen und mich einfach mal gehen zu lassen.

Ich würde Spaß haben auf dieser Party. Und was für einen..

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt | Billy HargroveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt