Durch Raum und Zeit

🦇 Unerwartete Freundschaft 🦇

Es dämmerte bereits und die Grillen zirpten ihr lautes Konzert, um die nahende Nacht anzukündigen. Fern am Bachufer plätscherte es sacht und der Wind rüttelte sanft an den Ästen, wog die Bäume in ihren Schlaf. Alles war einfach nur idyllisch und dennoch erscholl zu solch einer späten Stunde ausgelassenes Kindergelächter.

>>Ich krieg dich schon noch, Taehyung! Du wirst sehen!<<

Der Angesprochene, der die Spitze seiner eingeschworenen Kameradschaft anführte, drehte sich nicht einmal um. Ganz auf sein Ziel fokussiert, preschte er mit einer Geschwindigkeit voran, welche ihm die Bewunderung all seiner Klassenkameraden, sowie höheren Jahrgängen, eingebracht hatte. Schon hörte er die Verfolger hinter sich, aber er selbst war siegessicher. Er würde auch dieses Rennen gewinnen. Immer weiter trieb er den großen Holzreifen mit einem langen Stock vor sich her. Seine Mütze wäre ihm fast vom Kopf geweht, aber er konnte sie gerade noch auf seine schwarzen Locken drücken. Glück gehabt, denn seine Mutter hätte sehr mit ihm geschimpft, hätte er sie verloren.

>>Ihr bekommt mich niemals!<<, rief er triumphierend aus, als er kurz danach über eine Unebenheit im Waldboden stolperte und der Länge nach hinschlug. Sein Knie traf mit Wucht auf den mit kleinen Kieselsteinen übersäten Boden und er jaulte auf vor Schmerz. Sofort noch schossen ihm Tränen in die Augen. Seines Antriebs beraubt, rollte der Reifen den absteigenden Weg weiter, wo er an einem nahestehenden Baumstamm abfederte und ins Gras fiel.

Seine Kameraden kamen kurze Zeit später bei ihm an und fingen an zu lachen. Taehyung sah finster drein. Die Einzige, welche ausgerechnet nicht lachte, war die Schwester seines größten Rivalen an der Schule. >>Hast du dir sehr wehgetan, TaeTae? Soll ich dir helfen?<<, fragte Areum besorgt und hielt ihm ihr Stofftuch entgegen.

>>Nenn mich nicht so! Ich bin kein Baby und ich mach das selbst<<, blaffte er, immer noch benebelt von dem heißen Schmerz in seinem Bein. Er riss ihr das Tuch aus der Hand und begann vorsichtig über sein stark blutendes Knie zu tupfen, was ihn unterdrückt zischen ließ. Er wusste, dass er unfair ihr gegenüber war, aber er mochte einfach keine Mädchen. Sie waren so unendlich albern, hatten nur ihre Puppen und Kleider im Kopf. Zugegeben, Areum war anders und spielte immer mit den Jungs, aber das machte sie noch längst nicht besser. Das einzige Mädchen was er leiden mochte, war seine Mutter. Aber seine Mutter war ja immer hin eine Frau und kein närrisches Mädchen.

Er besah sich sein Knie jetzt erst richtig. Die Haut war abgeschürft und klitzekleine Steinchen steckten in einer nicht allzu tiefen Wunde. Er musste schlucken. Das sah ganz schön eklig aus. Dünnflüssig rann ihm das rote Blut aus der Verletzung. Mutter würde das sicherlich wieder hinbekommen, beruhigte er sich und zwang seinen Schmerz hinunter.

>>Das nennt man dann wohl Pech, Sportsfreund. Ich hätte dich sowieso noch eingeholt<<, stichelte Jimin, der sich mit den anderen Jungs im Hintergrund hielt. Taehyung sah in sein rundes, pausbäckiges Gesicht und hätte sich am liebsten mit ihm geprügelt. Um zu zeigen, dass er alles andere als getroffen war, richtete er sich humpelnd auf, wobei er sein Knie jedoch nicht durchdrücken konnte und meinte abfällig: >>Träum weiter! Damit du gewinnen konntest, hat es meinen Sturz bedurft<< Die Rivalen warfen sich grimmige Blicke zu, ihre Münder zu schmalen Strichen verkniffen.

>>Wir sollten jetzt nach Hause gehen. Vater wird sonst unheimlich ärgerlich auf uns werden, Jimin<<, warf Areum ein, um den Streithähnen Einhalt zu gebieten. Sie mochte es nicht, dass Jimin immer so feindselig gegenüber Taehyung war. Erst sah es so aus, als wenn sich der ältere Bruder mit seiner Schwester streiten wollen würde, aber dann besann er sich auf seine Vorbildfunktion. >>Areum! Wir gehen!<<, verkündete er sogleich, als wenn er es gewesen war, der sie auf die Uhrzeit aufmerksam gemacht hatte. Sogleich nahm er sie bei der Hand, aber sie entzog sich ihm. >>Sollen wir dich noch nach Hause bringen?<<, fragte sie stattdessen besorgt an Taehyung gerichtet.