„Ich weiß nicht. Vielleicht will ich."

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„Nun komm schon. Elly. Sogar Lara macht mit."

Mai packt meine Hand und versucht mich vom Bett zu ziehen. Ich liege darauf, träge und faul wie ein Bär im Winterschlaf und mache mich so schwer wie möglich.

„Geht ohne mich. Ich guck jetzt Videos.", maule ich.

Das Wetter hat von gestern eine 180 Grad Wendung hingelegt und eine wahre Sintflut strömt vom Himmel. Die Regentropfen trommeln auf das Hüttendach, als wollten sie es einschlagen. Und jetzt wollen mich Mai und Kathrin durch das Unwetter ins Gemeinschaftshaus zum Tanzen schleppen. Obwohl ich keinen Funken Talent besitze und gewöhnlich herumstolpere wie ein Clown. Dann auch noch zuzuschauen, wie Mai spielerisch die neusten KPop Tänze raushaut, macht mir noch weniger Spaß.

Außerdem führt Chrissi Aufsicht beim Tanzen. Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich ihr vergeben will. Bis ich eine Antwort dafür habe, versuche ich der Jugendleiterin weiterhin aus dem Weg zu gehen.

Mai zerrt so sehr an mir, dass ich nach vorne rutsche und mit beiden Beinen über den Rand der Matratze hänge.

„Ich zieh dich bis zum Gemeinschaftshaus, wenn du nicht gleich aufstehst."

Eine leere Drohung. Es gibt keinen Grund für mich mitzukommen. Immerhin hat Mai nur Augen für Feli und die hat sich nach Kathrins Bitte sofort bereit erklärt dabei zu sein.

„Warum muss ich mit? Ich kann eh nicht mittanzen."

„Weil ich dich dabeihaben will. Deswegen."

Das ist auch kein Grund.

„Außerdem sind wir die letzten Tage doch genug in der Bude rumgesessen."

Das ist vielleicht ein Grund.

Ich seufze laut und lang. Mein Bett ist heute so gemütlich.

„Komm schon. Wird sicher lustig. Elly.", fällt Kathrin mit in den Chor ein. Wenigstens zerrt sich nicht auch an mir.

Mai funkelt mich mit ihrem entschlossenen ich-trag-dich-wenn-ich-muss Blick an. Die wird nicht aufgeben. Da funktioniert die Antäusch-technik am besten. Kurz nachzugeben, hingehen und flüchten sobald meine beste Freundin abgelenkt ist.

„Ok. Aber ich muss mich noch umziehen. Ihr könnt also schon vorgehen. Ich komm dann gleich."

Kathrin zieht misstrauisch eine Augenbraue hoch, aber Mai nickt zufrieden. Meine beste Freundin kennt mich eben.



Die Sintflut hat das Potential mich zu ertränken, bevor ich überhaupt zum Gemeinschaftshaus komme. Im übergroßen Regenponcho renne ich von Baum zu Baum. Pfützen spritzen unter meinen schlammigen Gummistiefeln. Es rauscht und tropft in den wedelnden Ästen über mir. Die Luft ist frisch und kühl. Sie zaubert Gänsehaut auf meine nackten Unterschenkel.

Vor dem Eingang zu Gemeinschaftshaus ist ein Vordach. Dort lege ich eine Pause ein, schüttle den Poncho aus und putze die schmutzigen Sohlen meiner Stiefel an der Türmatte sauber.

Eine hübsche Gestalt saust durch den Regen. Weiße Jacke, die Kapuze über den Haaren, weht sie zu mir herein. Chrissi zieht ihre Mütze herunter und schüttelt ihren Pferdeschwanz. Sie lächelt mich an. Ein paar Wassertropfen rinnen über ihre Gesicht.

„Oh Hallo. Elly. Das trifft sich gut. Ich hab die Süßigkeiten drinnen in der Tasche."

Ich nicke nur. Es ist so schwierig mit Chrissi umzugehen, egal ob ich sie anschwärme, oder wütend auf sie bin. Und trotzdem taucht sie ständig dort auf, wo ich bin.

Glühwürmchen (girlxgirl)Where stories live. Discover now