Das Schreiben üben

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,,So wie das Eisen außer Gebrauch rostet und das still stehende Wasser verdirbt oder bei Kälte gefriert, so verkommt der Geist ohne Übung.''

Es ist schwierig, das Schreiben zu üben und das liegt meiner Meinung nach an zwei Dingen:

1.Das Schreiben ist meist selbst beigebracht/gelernt.

2.Es ist schwierig, einzelne Techniken zu üben, weil man nur im Kontext einer Geschichte sieht, ob sie funktionieren.


Selbst erlernt

Sich ein Handwerk selbst zu erarbeiten, ist immer schwieriger als es beigebracht zu bekommen. Man muss sich selbst entscheiden, in welche Richtungen man forscht und was man schlecht oder gut macht. Und das obwohl man vielleicht noch gar nicht die Erfahrung hat, das sinnvoll einzuschätzen. Es ist einfach, sich vollkommen zu verrennen und erst nach Wochen oder Monaten zu merken, dass man den falschen Weg gegangen ist. Das macht das Lernen frustrierend und noch langsamer als es sowieso schon ist. Man findet außerdem kaum Hilfestellungen zum tatsächlichen Üben, sondern nur Regeln (z.B. Show, don't Tell) oder Anregungen zum Kreativ-werden (z.B. writing prompts). Deswegen „üben" viele Schreibende, indem sie Geschichten schreiben. Und das ist zwar auch Übung, aber selten effektiv.

Schreiben als Gesamtkunstwerk

Das Geschriebene funktioniert oft nur als Gesamtkunstwerk und deswegen ist es schwierig einzelne Aspekte zu üben. Das möchte ich näher erklären: Beim Zeichnen zum Beispiel ist es relativ einfach, explizit einzelne Techniken zu üben, selbst wenn man noch am Anfang des Lernens ist. Man kann sich hinsetzen und die Anatomie eines Menschen mit einfachen Formen „nachbauen" oder Farbtheorie lernen oder Komposition ausprobieren oder auch einfach mit verschiedenen Medien spielen etc. Beim Schreiben ist das nicht so einfach. Denn was sind die Techniken des Schreibens?

Ist Dialog eine Technik?

Ist Beschreiben eine Technik?

Grammatik?

Wortwahl?

Plotten?

Spannungsbögen?

Schreibstil?

Und wenn das alles Techniken sind, wie kann man sie einzeln üben ohne nicht auch den Rest zu benutzen?

Auch „Fehler" bzw. verbesserungswürdige Stellen zu finden, dauert beim Schreiben unglaublich lange. Wenn man auf ein Bild schaut, sieht man meist sofort, dass das eine Auge viel größer geraten ist als das Andere. Aber beim Schreiben muss man vielleicht ein oder zwei Stunden lesen bevor man merkt, dass sich die Dialogstimmen der Figuren kaum voneinander unterscheiden.

Wie sieht „Schreiben üben" überhaupt aus?

Das allerwichtigste beim Üben ist, dass du dir ein Ziel setzt. Scheue dich nicht davor, sehr präzise zu werden. Mir ist zum Beispiel einmal aufgefallen, dass ich sehr ablenkend häufig die Namen meiner Figuren benutze, auch wenn ich einfach die entsprechenden Pronomen hätte benutzen können. Also habe ich nur für mich selbst versucht eine Kurzgeschichte komplett ohne Namen zu schreiben, die dennoch leserlich und verständlich ist. Diese Geschichte ist mittlerweile ein paar Jährchen alt und ich würde heute Einiges anders machen, aber ich finde immer noch, dass ich mein Übungsziel erreicht habe.

Der Aufbau einer guten Übung

Die besten Übungen teilen drei Eigenschaften: Sie sind kurz, wiederholbar und die Erreichung des Ziels ist messbar. Warum sind diese drei Eigenschaften wichtig? Kurz und wiederholbar gehen Hand in Hand. Je häufiger du etwas üben kannst, desto mehr wird es dir langfristig nutzen. „Kurz" ist hierbei übrigens eine relative Einheit, aber ich würde darauf achten, dass eine Übungseinheit weniger als eine Stunde dauert, damit die Konzentration bleibt und die Übungsaufgabe nicht aus dem Ruder läuft. Auch dass die Erreichung des Ziels in irgendeiner Form messbar sein sollte, ist hoffentlich selbstverständlich. Denn wenn du nicht prüfen kannst, ob das Üben hilft, dann kannst du dir die Mühe wahrscheinlich auch sparen.

Ich gebe zu, das ist alles noch ein bisschen abstrakt. Allerdings wäre es mir hier kaum möglich auch nur eine ansatzweise sinnvolle Liste mit praktischen Übungen aufzuschreiben. Dafür ist das Thema „Schreiben" zu weitläufig. Stattdessen werde ich versuchen, dir hier ein paar Wekzeuge an die Hand zu geben, damit du dir deine eigenen Übungen erstellen kannst.

Formuliere eine Schwäche

Egal ob du eine Schwäche durch Testlesende oder durch eigene Detektivarbeit findest oder du einfach nur etwas Bestimmtes üben möchtest, solltest du deine Übungen immer damit beginnen, eine Schwäche in deinem Schreiben zu formulieren. Werde dabei so präzise und kleinschrittig, wie du nur kannst, denn so kannst du auch deine Übungen präziser auf dich zuschneiden. Sag beispielsweise nicht: „Meine Dialoge fühlen sich unnatürlich an", sondern versuche präziser zu werden. „Es fällt mir in Dialogen schwer, natürlich klingende Überleitungen von einem Thema ins andere zu formulieren" oder „Obwohl meine Figuren aus unterschiedlichen sozialen Schichten kommen und einen unterschiedlichen akademischen Hintergrund haben, klingen sie gleich" oder „Ich finde es schwierig, Jugendsprache in meine Dialoge einzubauen" usw.

Ich teile meine Schreibübungen immer nach der Länge ein, die sie einnehmen werden. Dabei versuche ich zuerst zu analysieren, wie viel Platz ich bräuchte, um eine gewisse Technik sinnvoll auszuarbeiten.

1.In wenigen Sätzen ...

kannst einfache Formulierungen üben, die keinen Kontext brauchen, wie z.B. aussagekräftige Figurenbeschreibungen oder einfache Aktionsbeschreibungen.

2.In wenigen Absätzen ...

können Momentaufnahmen mit einfachen Zusammenhängen geübt werden, wie z.B. Zeitsprünge oder kurze Dialoge.

3.Auf wenigen Seiten ...

kannst du ganze Strukturen üben, wie z.B. den Spannungsbogen einer Geschichte oder den Aufbau einer ganzen Szene. Es spricht zwar nichts dagegen, z.B. Formulierungen innerhalb einer Kurzgeschichte auf mehreren Seiten zu üben anstatt in wenigen Sätzen, aber dann wird dein Fokus nicht mehr zu 100% auf deinem formuliertem Ziel liegen.

Geh beim Üben ins Extrem

Schrecke nicht davor zurück, beim Schreiben üben extreme Varianten auszuprobieren. Als ich gemerkt habe, dass ich zu oft die Namen meiner Figuren benutze habe ich als Übung eine ganze Geschichte ohne Namen geschrieben. Das ist offensichtlich nichts, was ich in einer längeren Geschichte beibehalten möchte. Aber ins Extrem zu gehen, macht es dir später einfacher, eine „abgeschwächte" Version der Übung in deinen Geschichten einzubauen.

Wie hast du dich verbessert?

Nachdem du deine Übungen abgeschlossen hast, kehre zu deiner ursprünglich formulierten Schwäche zurück. Nimm dir fünf Minuten und formuliere genau, welche Lösungen du gefunden hast, was du gut gelöst hast und was dir noch schwer fällt. (Ich rate dir, dafür ein eigenes Notizbuch oder Dokument zu nutzen, damit du deine Fortschritte und Erkenntnisse immer nachlesen kannst.) Scheue nicht davor zurück, dich selbst zu loben! Wir sind meist zu kritisch mit unserer eigenen Arbeit.

Außerdem: Wenn dir während deiner Übungen weitere Schwächen oder Schwierigkeiten auffallen, dann ist es sinnvoll sie aufzuschreiben, damit du sie bei einer späteren Übungssession, naja, üben kannst.


Niemand kann auf Anhieb einen perfekten Text/Buch verfassen, denn auch Schreiben muss gelernt sein. Wie bei jeder anderen Tätigkeit gilt auch beim Texten: Übung macht den Meister. 

Liebe Grüße

Natalia

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