Zu Gast bei Asmodeus

8 1 0
                                    


Emanuel nimmt mit misstrauischem Zögern zwischen Lilith und Asmodeus Platz.
Den alteingesessenen Gästen ist eine gewisse Neugier an den ungewöhnlich fratzenhaften Gesichtern abzulesen. Insbesondere Leviathan, die ihm gegenüber sitzt, scheint ihre Blicke nicht bei sich behalten zu können.

"Sooo..." Wie auf ein nettes Schwätzchen aus, stützt sie das Kinn auf die ineinander verschränkten Klauen. "Du bist ein Sünder? Du warst also mal ein Mensch? Wahnsinn...Sicher gefällt's dir bei uns viel mehr. Ich würde vermuten, der Dämon-Lifestyle hat deutlich mehr zu bieten."

"Ich denk, zwischen heut und früher hat sich mein Lifestyle kaum geändert." meint Emanuel und beobachtet währenddessen eine anthropomorphe Ziege mit Smoking, die herbeieilt und den Herrschaften Wein und Wasser einschenkt. Asmodeus nickt ihr dankend zu.

"Hält es dich deswegen auf der Erde?" will Beelzebub wissen und malt mit ihrer Gabel kleine Kreise in die Luft. "So viel ähneln kann sich da nichts. Bei uns hier unten ist es viel angenehmer. Klar, geht's nicht immer fair zu. Aber anders als auf der Erde täuschen wir nicht vor, dass wir so wär'n."

"Es erweist sich als vorteilhaft." Emanuel gibt sich Mühe, zumindest ein bisschen unverdächtig zu erscheinen. "Im Prinzip unterscheidet sich die Hölle nicht stark von Wien. Für mich könnt Simmering der achte Höllenkreis sein, he."

Er grinst nervös in die Runde, wie ein Stand-up-Comedian, der bei seinem ersten Auftritt vergebens auf Applaus wartet.

"Ich war schon oft dort." bestätigt Leviathan begeistert. "Was für eine Stadt! Absolut atemberaubend, vielfältig und voller Menschen, die komplett von sich selbst überzeugt sind!" Sie lächelt Emanuel viel zu strahlend an, als dass er es ernst nehmen könnte. "Es ist schon eine ganze Weile her. Aber wenn ich dich reden höre, schießt es mich praktisch mit Überschall in diese gute alte Zeit zurück. Habt ihr denn wirklich noch immer alle diesen drolligen Akzent?"

Emanuel räuspert sich und übersieht vorerst die Scherben seines gesplitterten Stolzes. "Ja, ich geh mal davon aus, dass sich die Sprache seitdem ned wesentlich verändert hat."

Leviathan stößt Beelzebub in ihre Seite. "Hörst du den Burschen reden?" kichert sie, als kümmere es sie nicht, dass das Gesprächsthema sie hören und möglicherweise Anstoß nehmen könnte. Ganz im Gegenteil, die Dämonin wirkt ausgesprochen und unentschuldigt amüsiert. "Hörst du, wie er jedes zweite Wort ausdehnt, um viel länger zu sprechen, als wirklich nötig ist!"

Emanuels Deckmantel der Höflichkeit zerbröckelt in ein missbilligendes Stirnrunzeln, als die beiden Dämonen, die, wie er findet, selbst einen recht eigenartigen Duktus am Laufen haben, sich weiter über seine melodische Wiener Mundart lustig machen.

Als kleiner Junge hat er oft zu hören bekommen, dass er mehr redet, als es den meisten Ohren lieb ist. Er hört noch heute die erschöpfte Stimme seiner Mutter, nachdem sie sein Gebrabbel wieder mal ein Stück zu lange geduldet hatte: "Red in a Sackerl und stöll's vor de Tür!"

Leviathan und Beelzebub erholen sich gerade noch von ihrem Augenblick des Amüsements, als sich diesmal Astaroth zu Wort meldet:

"Und Äh...wenn man das wissen darf, was genau treibst du denn so unter den Sündern?"

Emanuel entfährt ein tiefes Seufzen, ähnlich dem eines seelisch gequälten Philosophen. "Ach...pfff...was immer sich gerade anbietet... Mal Wollust, mal Völlerei..hin und wieder darf auch mal Trägheit dazukommen."

Für Astaroth scheint das nicht ausreichend zu sein. "Mit Menschen lässt sich ja viel machen...Hast du dich auf einen bestimmten Menschen spezialisiert?" bohrt der Dämon weiter nach. Diese penetrante Neugier ist schon eigenartig, aber Emanuel erkennt in der Frage sofort seine Chance. "Äh..ja....Du meinst so wie Goethe's Mephisto? Ja hab ich. Ist fast genauso." Emanuel verschränkt die Arme hinterm Kopf, lehnt sich lässig zurück und ist überrascht, wie stabil der Stuhl ist, auf dem er sitzt, denn die Lehne gibt unter seinem Gewicht kein Stück nach. "Ist im Prinzip auch nur so ne Wette zwischen mir und dem alten Herrn da oben. Er hat so daher erzählt von nem Kerl in Wien, der schon irgendwie in seinem Sinne lebt und handelt und so, aber halt irgendwie auch ned so ganz. Ich hab drauf gewettet, dass ich's hinkriege, dafür zu sorgen, dass der Typ vom rechten Weg abkommt. Ich weiß noch, ich hab gleich gesagt: Ich werd am Ende nix bekennen müssen, ich weiß schon, was ich tue."

Keine Ruhe in Frieden [Roman]Where stories live. Discover now