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Ich sehe verstohlen aus der Küche in mein Wohnzimmer hinaus und versuche zu verarbeiten, was hier gerade passiert

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Ich sehe verstohlen aus der Küche in mein Wohnzimmer hinaus und versuche zu verarbeiten, was hier gerade passiert. Lielle, Arlo und Brian sitzen auf der Couch, während meine Praktikantin sich das Essen,welches Brian mitgebracht hat, in Windeseile in den Rachen schiebt und dabei unaufhörlich plappert. Die beiden Männer allerdings schweigen und starren sich an, wie zwei Löwen kurz vor dem Kampf. Ich stoße einen tiefen Seufzer aus, ehe ich mich dazu aufraffe meinen Zufluchtsort zu verlassen. Während ich das Wohnzimmer betrete, spüre ich die Blicke der Männer auf mir aber ich sehe keinen von ihnen direkt an. Ich stelle Brian und Lielle ein Bier vor die Nase und setze mich danach auf den Boden.
Mein Blick fällt zu meiner Praktikantin, die sich die Reste ihres Essens von den Fingern leckt und hoffe, dass sie bald wieder zu reden anfängt, denn ich hab absolut keinen Plan was ich sagen soll.
„Also, Benny...", höre ich Brian spöttisch Arlo's Kosenamen aussprechen und sehe kurz zu meinem Ex, der schief grinst. Er weiß genau, dass Brian ihn reizen möchte und ich fange an nervös mit dem Fuß zu wippen. „...du warst also schon einmal kurz davor zu heiraten..."
Ich bin fassungslos. Schnell werfe ich Brian einen fragenden Blick zu, aber dieser ignoriert mich. Was soll das bitte?
Lielle, die gerade noch fieberhaft auf ihrem Handy herumgetippt hat, schenkt ihre Aufmerksamkeit nun auch diesem unangenehmen Gespräch. Ihre Augen blitzen neugierig. Arlo grinst immer noch und trinkt seelenruhig einen Schluck aus seiner Flasche. Dabei lässt er Brian nicht aus den Augen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit in der ich versuche meine Nerven zu beruhigen, antwortet er endlich.
„Schuldig im Sinne der Anklage."
Oh verdammt!
Brian lächelt fies, denn er wird nicht locker lassen.
„Woran hat's gelegen, dass du es nicht durchziehen wolltest?", bohrt er nach und ich hätte gute Lust ihn fest zu treten.
„Brian...", warne ich ihn und er sieht milde lächelnd zu mir.
Er zuckt mit den Schultern und seine Augen huschten zurück zu Arlo, der immer noch meinen Kater hinter den Ohren krault.
„Wieso, Ava? Wir werden dafür bezahlt seine Hochzeit zu planen. Sollten wir da nicht wissen, was der Grund für seine letzte geplatzte Hochzeit war?"
Der Ton mit dem er spricht wirkt spöttisch und das finde ich mehr als nur unangebracht.
„Ich denke, das tut nun wirklich nichts zur Sache.", erkläre ich.
Arlo gibt ein kurzes Lachen von sich, während er mich freundlich ansieht. Lielle lehnt sich nach vorne und verfolgt das Gespräch aufmerksam.
„Schon gut, Ava... Ich beantworte diese Frage liebend gerne."
Mir wird flau und meine Kopfhaut prickelt auf unangenehme Art.
„Ich war sehr jung und gerade mitten in meiner Examensprüfung. Meine Verlobte war einfach wunderbar, eine tolle Frau. Fürsorglich, klug, wunderschön und..." Er sieht mir dabei tief in die Augen, was mich beinahe zum Wimmern bringt. „Perfekt..." Ich beiße mir fest auf die Lippen.
Diese Dinge über mich zu hören, bringen mich dazu unruhig herumzuzappeln. Ich möchte das nicht hören, zumindest nicht vor den anderen.

„Aber wenn sie das alles war, warum hat es dann nicht geklappt?", mischt sich Lielle in das Gespräch und wirkt äußerst interessiert. Arlo seufzt und sieht wieder kurz zu mir. Ich möchte den Kopf schütteln, aber das wäre komisch und irgendwie auffällig, deshalb starre ich meinen Ex einfach nur ungläubig an.
„Ich bekam Panik. Sie hat ihr Studium zurückgestellt um die Hochzeit zu planen, unsere komplette Wohnung war voll mit Stoffmustern, Collagen und Zeitungsschnipseln. Ihre komplette Energie hat sie in diese Hochzeit gesteckt, ich hatte das Gefühl sie irgendwie zu verlieren..."
Mich durch seine Augen zu sehen, war kein angenehmes Gefühl und Tränen bahnen sich ihren Weg in meine Augen. Die schmerzhaften Erinnerungen drohen mich zu überrollen. Ich muss verhindern, dass er weiterspricht, es tut einfach furchtbar weh. Aber wie soll ich das bloß anstellen? Dies ist nicht der richtige Ort und auch nicht der richtige Zeitpunkt, um mich diesen Dingen zu stellen. Es würde zu viele Fragen aufwerfen, die ich nicht im Stande bin zu beantworten.
Wie von der Tarantel gestochen, springe ich auf und alle Augen sind plötzlich auf mich gerichtet.
„Entschuldigung aber wir haben noch viel zu tun, wir sollten jetzt damit beginnen die Einladungen zu beschriften." Meine Stimme hört sich brüchig und kraftlos an.
Ich vermeide es, Arlo direkt anzusehen und laufe stattdessen schnell in die Küche, wo ich die Einladungen schon bereitgelegt habe. Ich setze mich und fange sofort an, das erste Kuvert zu beschriften.
Ich hebe meinen Blick nicht einmal, als ich das Geräusch der Stühle höre, die über meinen Küchenboden gezogen werden. Ich fühle Arlo's Nähe aber traue mich nicht ihn anzusehen.
Auf Brians dummes Gesicht, habe ich auch keine Lust, deshalb fokussiere ich mich auf Lielle die mir gegenüber sitzt.
Ich bin heilfroh darüber, dass sie hier ist denn sie hält das Gespräch aufrecht und verhindert somit, dass ich mich komplett unwohl fühle. Ich möchte diesen Abend einfach nur schnell hinter mich bringen. Ich beschrifte so säuberlich und eilig ich kann und beteilige mich nur gelegentlich am Smalltalk. Ich bin so fokussiert, meine Gefühle im Zaum zu halten, dass ich mir wie ein Roboter vorkomme. Innen drin brodeln meine Gefühle und ich habe Angst, dass sie beim kleinsten Wort überkochen könnten.
Da spüre ich Arlo's Atem an meinem Ohr.
„Alles in Ordnung Ava?", flüstert er damit es außer mir keiner hört und ich lasse meine Augen zu ihm schnellen. Er wirkt ehrlich besorgt, während seine grauen Seelensteine zwischen meinen hin und her wandern. Ich schlucke und nicke ihm rasch zu.
„Fertig... Nichts für ungut Mr. Munro aber erlauben Sie mir die Frage: Wieviele Menschen kennen Sie bitte?" höre ich Lielle's ausgelaugte Stimme und fange sofort an, die Stifte einzusammeln.
Arlo lacht und greift nach dem fertigen Stapel Einladungen.
„Die Meisten davon sind einfach Kollegen von Viktoria und ein paar Stars und Sternchen. Ich selbst, habe nur meinen Vater, Schwester, Großmutter und ein paar Freunde und Kollegen eingeladen.", antwortet er ihr freundlich.
Wenn ich an seine Familie denke, bekomme ich prompt ein schlechtes Gewissen. Arlo's Schwester und ich waren gute Freundinnen gewesen. Nach der geplatzten Hochzeit habe ich nicht nur ihn, sondern auch sie aus meinem Leben gestrichen. Ich war nicht in der Lage dabei eine Linie zu ziehen. Auch mit seiner Großmutter, hatte ich ein gutes Verhältnis, ich frage mich wie es ihr wohl gehen wird und ob sie Viktoria genauso ins Herz geschlossen hat, wie mich.
Nein, hör sofort auf damit!
Ich fühle mich so ausgelaugt und müde, wie schon lange nicht mehr und das Einzige was ich jetzt will, ist schlafen gehen.
Ich erhebe mich um meinen Gästen zu signalisieren, dass es Zeit zum Aufbrechen ist. Sie folgen meiner Geste.
„Danke für die Hilfe.", sage ich mit letzter Kraft und sehe ihnen der Reihe nach ins Gesicht.
„Gern geschehen...", kommt es von Lielle, die die Einzige zu sein scheint, die froh ist endlich verschwinden zu können. Die beiden Männer sehen mich unentschlossen an, aber ich lenke meine Aufmerksamkeit auf den Tisch. Dort liegen drei unbeschriftete Einladungen.
Ich greife danach.
„Shit, haben wir jemanden vergessen?", keuche ich und blättere fieberhaft durch die seitenlange Gästeliste.
Mir ist mittlerweile zum Heulen zumute, ist es etwa zu viel verlangt, dass ich meine Ruhe will?
„Ich kann dir helfen, die Liste zu checken...Da ich sie ja sowieso mitnehmen muss.", schlägt mein Ex vor und ich blicke ihn erschrocken an.
Nein, er muss gehen! Ich halte seine Nähe und die aufwühlenden Gefühle nicht mehr aus.
Bevor ich den Mund öffnen kann, mischt sich Brian ein.
„Das wird nicht nötig sein. Ich helfe Ava, die restlichen Einladungen kann ich auf der Heimfahrt in den nächsten Postkarten werfen...", sagt er und stellt sich an meine Seite. Meine Schläfen pochen und die Bilder verschwimmen vor meinen Augen. Fühlt sich so ein Schlaganfall an?
Arlo schüttelt wild den Kopf und tritt ebenfalls an meine Seite.
„Das ist wirklich nett aber unmöglich!"
Mein Kopf zuckt zu meinem Ex und ich werfe ihm einen fragenden Blick zu. Diese Testosteron-gesteuerte Spannung, bringt mich beinahe um den Verstand. „Viktoria besteht darauf, die Einladungen mit ihrem neuen Duft zu besprühen, der in wenigen Tagen rauskommt, deshalb muss ich bleiben."
Brian stösst ein abfälliges Schnauben aus.
„Ist doch lächerlich, es wird keiner merken wenn diese drei Einladungen nicht duften..."
Es ist wie bei einem verdammten Tennismatch. Die beiden Männer knallen sich gegenseitig, die Matchbälle um die Ohren und mein Kopf droht gleich zu platzen.
„Es ist nicht lächerlich, die Braut möchte es so und basta.", zischt Arlo, mittlerweile wirkt sein Ton nicht mehr so freundlich. Er funkelt Brian wütend an, dieser wiederum funkelt genauso entzürnt zurück.
„Aaalso, du hast ja genug Hilfe, Ava!", lacht Lielle obwohl sie von der hitzigen Diskussion trotzdem verwirrt zu sein scheint. „Ich hau ab! Bis morgen!"
Sie öffnet die Türe und verschwindet, am liebsten würde ich sie begleiten.
Als die Türe ins Schloss fällt, ist es kurz mucksmäuschenstill im Raum. Ich reibe mir die Schläfen.
„Sag mal, was soll der Scheiß eigentlich?", meldet sich Brian und sieht zuerst Arlo vernichtend an und dann mit einem vorwurfsvolleren Blick zu mir.
„Entschuldige bitte?"
Arlo baut sich vor meinem Kollegen auf und schüttelt genervt den Kopf.
„Nein ich entschuldige gar nichts. Was soll der Mist? Warum lässt du Ava nicht in Ruhe? Reicht es dir nicht, dass sie deine dumme Hochzeit mit Model Tausendschön planen muss. Musst du sie nun auch privat mit deiner Anwesenheit belästigen?", kommt es zischend aus Brian's Mund.
Obwohl er recht hat, ärgert es mich maßlos, dass er meine Schlachten für mich schlagen möchte. Ich bin doch kein kleines Kind!
Arlo gibt ein höhnisches Lachen von sich.
„Ich belästige sie nicht, wir haben uns gut unterhalten bevor du aufgekreuzt bist. Was gibt dir eigentlich das Recht, darüber zu urteilen, ob ich sie sehen darf oder nicht?"
Seine Stimme ist angeschwollen und ich erkenne wie mein Ex die Fäuste ballt.
Brian sieht aus als wäre kurz davor zu platzen.
„Ich sag dir, was mir das Recht dazu gibt!", schreit er und tritt einen Schritt auf meinen Ex Verlobten zu, der vor Wut schäumt.
„Du hast sie danach nicht gesehen! Sie war total abgemagert und bleich, kein Funkeln in den Augen- gar nichts! Sie war nicht in der Lage zu schlafen oder zu Essen! Du feiger Drecksack, hattest nicht einmal den Anstand, die Hochzeit die du hast platzen lassen, selbst zu regeln, alle nach Hause zu schicken oder dich um die Rechnungen zu kümmern!", schreit Brian und ich zucke bei der Erinnerung daran leicht zusammen. Arlo's Gesichtszüge werden weicher, verschwunden ist die Wut und er Trotz. „Ich habe ihr damals angeboten, keine Rechnung zu stellen damit sie nicht für etwas aufkommen muss, was sie nicht genießen konnte. Jetzt wo sie erfolgreich und glücklich ist, kommst du angelatscht und machst dich bei ihr breit? Fick dich doch!"
Ich habe die ganze Zeit die Luft angehalten. Es war fürchterlich, diese Schilderung über meinen Zustand zu hören. Ich schäme mich wahnsinnig, dass mein Ex hört, wie verzweifelt ich war. Auch Arlo sieht schockiert aus, sein Ärger war anscheinend verflogen. Seine Augen huschten zu mir und ich glaube darin pure Reue zu erkennen.
„Das mag ja alles stimmen, aber ich muss mich nicht vor dir, sondern Ava rechtfertigen. Ich hab sie damals verletzt, ihr wahnsinnig weh getan. Ich war ein Feigling aber sie war nicht die Einzige die unter dieser dummen Entscheidung gelitten hat. Ich habe versucht sie zu erreichen aber es ging nicht... Ich...", bevor er weitersprechen kann, höre ich plötzlich meine eigene leise Stimme murmeln.
„Raus..."
Beide Männer sehen verdattert zu mir. Ich habe die ganze Zeit über geschwiegen, aber es war nun einfach zu viel.
Sie bewegen sich nicht einen Millimeter und das macht mich wahnsinnig wütend.
Arlo möchte einen Schritt auf mich zu machen aber ich weiche sofort zurück.
„Ich sagte, raus! Alle beide...", kam es erneut aber dieses Mal lauter aus meinem Mund.
Arlo senkt beschämt den Blick und Brian blickt mich mitleidig an.
Sie machen beide keine Anstalten zu gehen und das war der Moment wo ich explodierte.
Ich packe beide am Kragen und schiebe sie zum Vorzimmer hinaus.
„Ihr beiden Idioten, streitet als wäre ich gar nicht hier. Ihr redet und redet... Über meine Gefühle, über etwas wovon keiner von euch nur die geringste Ahnung hat. Es reicht, ich bin kein Spielzeug über dass ihr euch zoffen könnt. Du...", schreie ich wie von Sinnen und zeige auf Brian.
„Hör auf mich andauernd beschützen zu wollen oder was auch immer dieses Federhandschuh-Theater soll. Geh nach Hause, mach einfach bloß deinen verfickten Job, ich brauche keinen Babysitter!" Brian sieht so verdattert aus der Wäsche, dass es beinahe komisch ist.
Arlo grinst schadenfroh aber auch ihm werde ich das freche Grinsen austreiben. Ich habe genug davon.
„Und du! Du verziehst dich jetzt sofort zu deiner Verlobten. Was suchst du andauernd hier bei mir? Was willst du? Dein schlechtes Gewissen beruhigen? Sichergehen dass ich dir nichts nachtrage? Du kommst zu spät! Ich bin über die Vergangenheit hinweg. Jede einzelne Träne die ich über dich vergossen habe, fordere ich hiermit zurück. Ich brauche keine Erklärungen, keine Entschuldigungen von dir und verflucht noch eins: Keine Fish and Chips- die hängen mir mittlerweile zum Hals raus!"
Mit diesen Worten öffne ich die Haustüre und deute den beiden Arschlöchern, sich vom Acker zu machen, was sie wortlos akzeptieren. Ich fühle mich auf angenehme Weise berauscht. War es klug meinen fünf Jahre aufgestauten Frust in nur ein paar Minuten loszuwerden? Vielleicht nicht! Möglicherweise, wirke ich wie eine übergeschnappte Furie aber das ist mir gerade sowas von egal. Die beiden trotten mit hängenden Köpfen an mir vorbei, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren. Nachdem ich die Türe hinter ihnen zugeschlagen habe, gehe ich sofort ins Bett.

Dort brauche ich allerdings eine Weile bis ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle habe. Ich überlege, was ich an meiner Situation ändern kann. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, wo Männer um die Tugend und Ehre einer Frau, wie gekränkte Gockelhähne kämpfen müssen. Wenn ich endlich anfange mich und meine Vergangenheit zu akzeptieren, mich nicht mehr von ihr identifizieren lasse, werden es die anderen auch nicht mehr tun. Ich bin eine der erfolgreichsten Hochzeitsplanerinnen London's, wenn ich meinen Scheiß einfach nur auf die Reihe bekommen würde, wäre die dazugehörige Agentur ebenfalls in meinen Händen. Arlo hin oder her. Das muss mein voranginges Ziel sein, dass ich durch nichts und niemanden aus den Augen verlieren darf. Den ersten Schritt dazu habe ich heute getan, Brian und Arlo werden mich nicht so schnell mehr unterschätzen. Keinen einzigen Gedanken verschwende ich an diese Hornochsen und nehme mir fest vor, ab morgen eine andere zu sein. Taff, stark und selbstbewusst. Sollen sie doch jemand anderen bedauern und bemitleiden.

𝐵𝑒𝒻𝑜𝓇𝑒 𝓎𝑜𝓊 𝓈𝒶𝓎 𝐼 𝒹𝑜...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt