Kapitel 4, Tess

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Ich gehe durch einen Korridor, einen Stapel Bücher in der Hand und versuche die Balance zwischen "anständig laufen" und "sich beeilen" zu finden. Ich bin zwar gerade allein, aber man weiß ja nie, wann irgendwer kommt.

Ich muss die Bücher, die ich gerade trage zu der Prinzessin bringen, der nämlich gerade langweilig geworden ist. Sie hat einen Antrag bekommen, hat allerdings - gegen alle Erwartungen - abgelehnt.
Mir steht es nicht zu, nachzufragen, aber als ich gestern ein Bad für sie vorbereitet habe, da habe ich gehört, wie sie mit der Königin darüber gesprochen hat, dass sie noch nicht bereit für eine Ehe ist.

Alle wichtigen Leute am Hof sind entsetzt, aber die kriegen sich schon wieder ein. Ich muss sagen, dass ich schon ein bisschen stolz bin. Und beeindruckt.

Morgen will sie mit mir in die Stadt fahren, was ich immer besonders aufregend finde, weil sie meistens so freundlich ist und mir erlaubt, eine Stunde allein durch die Stadt zu schlendern, wenn sie bei ihrer Schneiderin ist und das finde ich immer richtig toll.

Oft kaufe ich dann Leckereien, für mich und Ivy, äh, Ivy und mich.
Manchmal bringe ich Philip einen neuen Hut mit und manchmal reicht mein Erspartes auch gar nicht und ich schlendere bloß durch die Straßen und schaue mir die Märkte an. So oder so liebe ich es.

Ich bin so in meine Tagträume vertieft, dass ich zusammenzucke, als plötzlich ein Schatten vor mir auftaucht.
Instinktiv renne ich weg, obwohl es nur ein Schatten ist, aber irgendwas ist so falsch mit dem Schatten, denn es gibt nichts, was ihn werfen könnte.

Ich renne so schnell ich kann und drücke die Bücher fest an mich. Der Schatten verfolgt mich, ich habe das Gefühl, dass sich eine kalte Hand auf meine Schulter legt.

Tränen der Angst laufen mir über die Wangen und ich will schreien, aber meine Kehle fühlt sich merkwürdig zu an.

Auf einmal stolpere ich und falle der Länge nach hin. Ich hab Angst vor dem, was als nächstes passiert, als mich auf einmal eine Stimme rettet.

"Theresa?", fragt Kyle, ein Freund von Philip. "Ist alles okay mit dir?"

Der Schatten ist verschwunden und ich liege auf dem Boden, Tränen überströmt und vollkommen aus dem Wind.

Schnell stehe ich auf. Der Schreck sitzt mir immer noch in den Gliedern.
"Ja", sage ich schnell. Ich hab zwar keine Ahnung was eben passiert ist, aber immerhin ist es jetzt weg.

"Kyle?", frage ich.

"Ja?", er schaut mich ein wenig besorgt an.

"Kann ich eine Weile mit dir gehen?"

"Klar." Er lächelt und stellt zum Glück keine Fragen mehr. Er stellt eigentlich nie Fragen, sondern beobachtet nur. Das finde ich so sympathisch an ihm.

Wir gehen eine Weile zusammen in die Richtung, aus der ich her gestürmt bin und irgendwann trennen sich unsere Wege und ich biege in den Teil ab, in dem die Prinzessin ihre Gemächer hat, um ihr die Bücher zu bringen.

𝕯𝖊𝖒𝖔𝖓𝖘 | 𝐑𝐚𝐛𝐞𝐧𝐟𝐞𝐝𝐞𝐫𝐧 𝐮𝐧𝐝 𝐇𝐞𝐫𝐳𝐞𝐧 𝐚𝐮𝐬 𝐒𝐭𝐞𝐢𝐧Where stories live. Discover now