Kapitel 62

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Die nächsten Tage wollte ich mich einfach nur verkriechen. Meine Mutter beachtete mich noch weniger als sonst und Marlisa versuchte mich wieder auffällig oft zu nerven. Einige Zeit ließ sie sich so gut wie gar nicht in der Schule blicken und wenn, dann hielt sie Abstand von mir. Aber das schien nur für ein paar Wochen der Fall gewesen zu sein. „Nova?", fragte sie herzallerliebst und blinzelte mich an. „Ja?", fragte ich verwirrt. „Ich muss mit dir reden. Sofort." Marlisas Ton ließ keinen Widerspruch zu. Sie packte mich an meinem Handgelenk, wobei sie ihre langen Acrylnägel in meine Haut bohrte. „Was willst du denn von mir?", blaffte ich sie vorsichtig an. Wir blieben im Musiktrakt stehen. Zum Glück war es menschenleer. Sie sah mich gereizt an. „Ich wollte dir nur mitteilen..." Sie atmete theatralisch aus. „dass ich dir Herrn Hardwig nun überlasse."
Bitte?
„Was?"
„Ja. Ich habe kein Interesse mehr an dem Typen. Du kannst ihn dir krallen. Letztendlich bin ich sowieso viel zu schön für ihn."
Na klar.
„Das... das kommt jetzt sehr plötzlich. Woher der Sinneswandel?"
„Weißt du, ich hab ein wenig nachgedacht und mir ist so aufgefallen, dass du und er viel besser zusammenpassen würdet. Ich meine, du bist ein fragiles Opfer, er ist ein fragiles Opfer... Gleich und Gleich gesellt sich gern, oder nicht?"
„Ja, mag sein, aber... Okay. Wenn du meinst."
Sie lächelte mich fake an. Ich erschrak leicht, als plötzlich eine laute Männerstimme hinter mir aufdonnerte. „Alles in Ordnung bei euch?", fragte Dano bebend und kam auf uns zu. „O, Herr Hardwig, wir haben eben von Ihnen gesprochen", grinste sie. „Ach wirklich?" Dano stellte sich neben mich und sah sie skeptisch an. „Ja, Nova hat mir eben gestanden, dass sie auf Sie steht." Ich sah sie ungläubig an.
Was eine dumme Hure.
Wie dreist konnte man sein? Selbst wenn es ein Geheimnis gewesen wäre, dann hätte sie mich jetzt total gesnitched. So ein Bitchmove.
„Ach, ist das so?" Dano lächelte mich belustigt an. „Ja, sie hat total von Ihnen geschwärmt und gesagt, dass sie Ihnen gerne einen bla-"
„Jaja, ich denke, du solltest jetzt besser gehen. Nova und ich klären das unter einem Vieraugengespräch." Dano schob Marlisa an mir vorbei. Entsetzt starrte ich ihr hinterher. „Was eine dumme Fotze! Das habe ich ihr nie erzählt!", flüsterte ich verärgert. „Weiß ich doch. Hauptsache sie hat das jetzt nur gesagt, um dich bloßzustellen, weil sie denkt, ich wüsste das nicht. Solange sie nicht dieses Gerücht bei der Schulleitung streut, ist alles gut." Er sah mich wieder an. „Hat sie dir was getan? Alles okay bei dir?"
„Ja, sie hat mir nur gesagt, dass sie nicht mehr auf dich steht."
„Erfreuliche Nachrichten."
Dano wollte gerade wieder gehen, da stellte ich mich ihm in den Weg. „Dano?", flüsterte ich leise. „Ja?", flüsterte er ebenfalls zurück. „Wann machen wir mal wieder was zusammen?"
„Definiere „was machen"."
„Na, sich einfach treffen. Bisschen schnacken. Haben uns so lang nicht gesehen."
„Das letzte Mal war vor zwei Tagen."
„Ich war für zehn Minuten bei dir und hab ich mich ausgeheult." Mir stiegen Tränen in die Augen. Langsam bekam ich ein ungutes Gefühl bei ihm. „Samstag?"
„Okay", nickte ich unter Tränen. „Nicht weinen, mein Spatz. Ich liebe dich", formte er mit seinen Lippen und ging in die Pausenhalle.

Nachdem ich im Gym meine Beine komplett zerstört hatte, fuhr ich nach Hause. Schnell duschte ich und machte mich fertig, ehe ich aus dem Haus schlich und zu Dano lief. Ich war fertig. Mental und körperlich. Auch wenn ich absolut keinen guten Draht zu meiner Mutter hatte, war es eine umso größere Strafe für mich, dass sie mich nicht mal mehr beachtete. Weder redete sie mit mir, noch guckte sie mich an. Und mein Vater nahm es einfach hin. Ihn mochte ich zwar mehr, aber welcher liebende Vater ließ seine Tochter so im Stich? Nein, sobald ich hier raus kann, werde ich zu beiden Kontakt abbrechen. Die einzig sinnvolle Lösung.
Ich schloss die Tür mit Danos Zweitschlüssel auf. Er war gerade am telefonieren, als ich langsam ins Wohnzimmer trat.
„Ja, aber das habe ich dir doch schon mehrmals gesagt... Ja!... Nein..." Er sah zu mir auf. „Ja, dann mach das so. Wird schon passen. Bis dann." Dano legte auf. „Du hier?", fragte er und umarmte mich. „Ja? Du hast gesagt, dass ich Samstag vorbeikommen kann."
„Ehrlich? Dann habe ich das schon wieder vergessen... Na ja, egal." Er nahm mein Gesicht in seine Hände und lächelte mich an. Ich schmiegte mich an ihn. „Ich habe dich so vermisst", flüsterte ich und sofort stiegen mir Tränen in die Augen. „Ich weiß", hauchte er zurück und gab mir einen Kuss auf den Scheitel. „Aber diese verdammte Arbeit... Ich schwöre dir, dass sobald Ferien sind, wir mehr machen. Dann habe ich auch endlich ein bisschen Luft. Da gehört meine ganze Zeit nur dir." Er gab mir einen Kuss. „Was hast du denn alles zu tun, dass du nie Zeit für mich hast?"
„Diverse Planungen, Korrekturen... Alles Mögliche halt. Und gerade habe ich auch noch die ganzen Facharbeiten bei mir liegen, die ich durchgucken muss, ich-" Er pausierte. „Es ist einfach unglaublich viel. Kriege kaum noch Schlaf, esse total wenig-"
„Und vernachlässigst dein Privatleben, ich verstehe", beendete ich seinen Satz. Dano seufzte. „Es tut mir leid." Er küsste mich und streichelte meine Wange. „Dano, es wäre kein Problem für mich, wenn ich hier sein könnte, während du arbeitest. Ich würde hier still rumgammeln und du könntest in Ruhe deine Sachen machen." Er schüttelte sofort den Kopf. „Was? Wieso?"
„Nova, wenn du da bist, kann ich keinen kühlen Kopf bewahren. Ich kann und will nicht neben dir arbeiten. Wenn du da bist, will ich was mit dir machen."
„Ich kann's nicht nachvollziehen, aber okay." Ich war traurig. So hatte ich mir die Beziehung nicht vorgestellt. „Hm, Spatz?" Er stupste gegen meine Nase. „Wollen wir einen Film gucken?", schlug er vor. „Ja!", freute ich mich und schaltete den Fernseher ein. Nachdem ich ein wenig herum gesucht hatte, fand ich schließlich einen Film, den auch Dano zu interessieren schien. Ich legte mich aufs Sofa, Dano kuschelte sich an mich und hatte seinen Kopf auf meiner Brust liegen. Während des Filmes kraulte ich seinen Kopf. Es dauerte nicht lange, da fing sein Handy an zu vibrieren. Dano versuchte es erst zu ignorieren, er gab dann aber doch nach. Genervt seufzte ich. Nicht mal einen Film gucken konnte er. Er sah aufs Display und stöhnte auf. Er drückte die Person weg.
Na Gott sei Dank.
Wenig später hatte Dano aber sein Handy immer noch in Benutzung. Er schrieb und las Emails.
Kann er das nicht später machen?!
Langsam wurde ich wütend. Wenn er keine Lust auf mich hatte, sollte er das sagen und kein Feigling sein.
Bzzz.
Sein Dreckshandy.
Welcher Idiot ruft ihn denn die ganze Zeit an? Nein, wieso ist Dano so ein Idiot und geht ran?
„Ja?"
Ich verdrehte die Augen. Dano richtete sich auf und verließ den Raum.
Leck mich am Arsch, Dano.
Eingeschnappt rollte ich mich auf dem Sofa zusammen und sah mit Zornesfalten auf der Stirn den Film weiter. Der Film war echt scheiße, aber besser als sich jetzt mit Dano zu unterhalten. Als er wiederkam, setzte er sich an meine Füße und wollte meine Beine auf seinen Schoß ziehen, ich hingegen zog sie näher an mich. Seinen verwirrten Blick sah ich auch aus dem Augenwinkel. Er beließ es dabei und legte seine Hand auf mein Bein. „Schatz?"
„Hm?", brummte ich und starrte stur auf den Fernseher.
„Was ist? Irgendwas hast du doch."
Gut erkannt.
„Dass du sowas noch merkst, obwohl du nur mit deiner Arbeit beschäftigt bist, ist bewundernswert", gab ich patzig zurück.
Dano seufzte angestrengt. „Nova", quengelte er. „Was? Tu mal nicht so, als wärst du hier das Opfer. Du hast mir versprochen, dass wir uns heute sehen und einfach was machen. Bisschen reden. Aber was machst du? Zehn Minuten konntest du mal deine Flossen von der Arbeit lassen. Ich fühl mich einfach von dir verarscht, bin ich ehrlich." So traurig, wie er guckte, tat er mir eigentlich leid. Aber das musste mal raus. Auch genauso deutlich. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Dano, sag was."
Stille. Ich meinte nur leises Schluchzen zu hören. „Dano, weinst du?" Ich legte meine Hand auf seine Schulter. Er sah mich an. Rote Augen und kurz davor loszuheulen. „Dano, Schatz", redete ich auf ihn ein und umarmte sein Gesicht. Er zog mich näher ran und ich setzte mich auf seinen Schoß. Sein Gesicht hatte er an meine Brust gelegt. Schuldbewusst strich ich durch seine Haare. Ich wollte ihn nicht zum Weinen bringen.
Scheiße, wieso war bloß so ausgerastet?
„Ich arbeite nur so viel, damit ich dir was bieten kann", sagte er leise und sah zu mir hoch. Ich streichelte seine Wange. „Dano, wenn du mir Aufmerksamkeit und Liebe gibst, kannst du mir genug bieten."
„Ja, aber ich will dir auch materielle Dinge bieten können. Ich..." Er machte eine Pause. „Ich habe sonst Angst, dass du mich verlässt." Aus seinen Augen liefen ein paar Tränen. „Für jemanden, der mehr Geld als ich hat."
„So schätzt du mich ein? Dass ich dich für Geld verlassen würde?" Er sagte nichts. „Bitte verlass mich nicht", hauchte er dünn. Bei diesem Anblick zerriss es mir fast das Herz. Er litt. Sehr sogar. Aber ich auch. Wenn dein Freund dich so vernachlässigte, auch wenn er es nur gut meinte, tat das ebenfalls weh. Man fühlte sich nicht wertvoll genug. Ich wollte einfach nicht, dass ich bei ihm dasselbe Gefühl bekam, wie bei meinen Eltern. Mir reichte es, wenn die mich vernachlässigten.
Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „So geht es aber auch nicht. Du kannst dich nicht kaputt arbeiten, dann habe ich früher oder später auch nichts mehr von dir. Und es ist ja auch in Ordnung, dass du viel arbeitest. Aber wir haben uns wochenlang nicht gesehen, wir haben nicht mal telefoniert. Das verletzt mich."
„Ich weiß", schniefte er und umarmte mich. Ich seufzte. Ich liebte diesen Mann sosehr, dabei war auch er derjenige, der mich am meisten verletzte.
Eine Weile hockten wir so und sagten nichts. Das Versprechen, ihn nicht zu verlassen, konnte ich einfach nicht geben. Zu sehr ließ er unsere Beziehung hängen.

Teachers Pet (Lehrer x Schülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt