27. Hannes - kämpfen

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Tief sog ich die kalte Luft des Morgens ein und läutete. Nichts passierte. Hinter der Tür lag die Wohnung im Stillen. Mein Puls beschleunigte sich. Was, wenn er nicht hier wäre? Jetzt, wo ich mich endlich traute! Erneut drückte mein Finger auf die Klingel. Mein Herzschlag setzte aus und ich strengte meine Ohren an. Ignorierte das Zwitschern der ersten Vögel und lauschte angestrengt. Wieder nichts. Ich hatte zwar einen Schlüssel, und eigentlich durfte ich ihn auch ohne Ankündigung benutzten. Aber irgendwas sagte mir, dass sich unsere Situation in soweit verändert hatte, dass diese Regel nicht mehr galt. Also drückte ich erneut. Ließ meinen Finger auf der Klingel und läutete Sturm.

„Sei da, sei da, sei bitte da!", flehte ich im Geiste und wurde immer nervöser. Wo war er nur? Im Gegensatz zu mir verbrachte Benny seine Nächte eigentlich immer in seiner Wohnung, statt im Big Mouth zu nächtigen. Er ging auch nie mit zu anderen Kerlen, das war nicht seine Art. Sonst. Das Herz wurde mir schwer. Ich hatte ihm in letzter Zeit, in der ich mich nur noch in Selbstmitleid suhlte, so wenig Beachtung geschenkt. Und nun, stand ich da und hatte keine Ahnung. Ich war schon ein beschissener Freund. Kein Wunder, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Aber noch gab ich nicht auf.

„Was zur Hölle!" Die Tür wurde aufgerissen und ich zuckte erschrocken zusammen. So tief in meinen Gedanken, hatte ich Ben nicht kommen hören. „Nimm deine Finger, von meiner beschissenen Glocke." Fuhr er mich erneut an und ich brauchte eine Sekunde, bis ich begriff, was er meinte. Augenblicklich zog ich meinen Finger zurück und ließ meinen Blick über ihn wandern. Benny war fast nackt. Okay, nein, das stimmte nicht. Er trug dunkel Schatten unter den Augen, einen mürrisch verkniffenen Gesichtsausdruck, eine, sehr tiefsitzende Boxershort und sah dabei so verdammt sexy aus. Mein Mund wurde trocken. Ich wusste, dass er attraktiv war. So rein theoretisch, wie man eben einen Kumpel ansah. Aber jetzt, wo ich ihn wie scheinbar mit anderen Augen betrachtete, konnte ich mich nicht mehr sattsehen.

Die breiten Schultern, die festen Muskeln, die gerade sehr angespannt wirkten. Der sehr gut definierte Sixpack. Und allen voran die kleine, feine, aus dunklen Härchen gepflasterte Spur, die in seiner Boxer verschwand. Mein Blick glitt noch ein Stückchen tiefer, die Beule in dieser ließ mich schlucken und ich blinzelte. Riss mich los von diesem Anblick, der mich dazu verführte hinzu fassen. Doch das würde wohl meinen Tod bedeuten.

„Hannes ...", seufzte Benny schwer. „Was in drei Teufelsnamen willst du hier?"
„Ich will mit dir reden ...", sagte ich nach einer Weile, in der ich mich dazu zwang meinen Blick wieder ganz nach oben zu richten und in seine Augen zu sehen. Ein Fehler. Oder vielleicht auch nicht. Aber darin war wieder dieses Feuer, das irgendwie dafür sorgte, dass mein Hirn nur noch mit halber Kapazität lief.

„Wir haben geredet. Ich denke, es ist alles gesagt!", erwiderte er und schloss seine Augen. Ich blinzelte, denn sofort fehlte was. Ganz von selbst fuhr meine Hand in die Höhe und ich berührte seine Wange. Er erstarrte unter meiner Bewegung, doch ich war so fasziniert, was diese einzige Berührung in mir auslöste. Mich mehr fühlen ließ, als ich glaubte, je wieder fühlen zu können. Dieses Kribbeln, das von meinen Fingerspitzen über das Blut in meine Brust rauschte, ließ mich taumeln vor Glück. Ich trat näher an ihn heran. Spürte die Hitze seines Körpers, fast berührten wir uns und strich ihm sanft über die Wange. Hoffte, dass er die Augen aufmachte, dass mich erneut sein Feuer traf. Sein Feuer, was nur für mich brannte. Ja, das war es, was ich die ganze Zeit gesucht hatte. Und nein, ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieses Gefühl, diese Empfindungen, die ich in diesem Augenblick lediglich bei dieser zarten, unschuldigen Berührung verspürte, jemals wieder verging.

Seine Hand fuhr in die Höhe, landete auf meiner. Seine Finger, die genau so zart über meine fuhren, ließen mein Herz stolpern. Ich sehnte mich so sehr nach ihm. Nach seiner Wärme, nach seinen Armen. Ich könnte ihn an mich ziehen, ihn küssen. Ich müsste mich nur trauen.

Mr. Unvollkommen (Mr. 4)Where stories live. Discover now