Kapitel 2

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Bring me love this Christmas

'Cause I've been good this year


Vom Geschäft für Haushaltswaren gehen wir direkt zum nächsten Starbucks. Er hält mir die Tür auf und zahlt, ohne eine Diskussion zuzulassen, unsere Getränke und Muffins. Dann suchen wir uns einen gemütlichen Platz mit Sesseln im hinteren Teil des Raums und beginnen zu reden.

„Woher kommst du, Yule? Dein Akzent lässt darauf schließen, dass du nicht aus LA kommst", beginnt Gabriel. Er schaut mich ehrlich interessiert an.

„Ich komme aus Arkansas. Geboren und aufgewachsen. Meine Familie wohnt auch immer noch dort. Für mein Architekturstudium bin ich dann an die UCLA. Und danach habe ich eine Stelle bei einem der größten Architekturbüros des Landes bekommen. Deswegen bin ich hiergeblieben", sage ich und frage ihn dann wiederum: „Und du kommst aus LA?"

„Ja, ich kenne kaum etwas anderes als LA. In Arkansas war ich noch nie. Wie ist das Wetter dort?", fragt er.

„Wirklich?", frage ich lachend. „Du willst über das Wetter reden?" Als er das realisiert beginnt er auch zu lachen. Ein tiefes, angenehmes Geräusch, welches mir eine Gänsehaut über den Körper jagt.

„Das war eigentlich nicht meine Absicht, sorry. Ich stelle mir nur irgendwie immer vor, dass es überall immer regnet oder schneit, weil es das in LA nicht tut. Und in Arkansas gibt es viel Landwirtschaft, oder? Da muss es doch viel regnen", versucht er sich zu rechtfertigen. Ich finde es süß und erlöse ihn aus seiner Unsicherheit.

„Da hast du aber in Erdkunde gut aufgepasst. In Arkansas gibt es viel Landwirtschaft und Viehzucht. Daher regnet es auch deutlich mehr als hier in LA. Allerdings liegt es so weit südlich, dass es auch im Winter selten schneit. Und im Sommer kann es ganz schön heiß werden. In den letzten Jahren gab es einige Dürren und Landwirt zu sein ist noch schwieriger geworden", erkläre ich.

„Oh, das klingt aber nicht so gut. Was machen denn deine Eltern beruflich? Habt ihr eine Farm oder so?" Seine Frage klingt so vorsichtig, dass ich grinsen muss.

„Also das typische Mädchen vom Land bin ich nicht. Ich komme zwar aus einer Kleinstadt, in der es viele Farmen gibt, aber mein Vater ist dort der örtliche Zahnarzt. Und meine Mutter hat einige Zeit bei ihm in der Praxis ausgeholfen, war aber auch immer für uns Kinder da", erkläre ich.

„Das heißt, du hast Geschwister?", fragt er weiter.

„Ich habe einen Bruder, der zwei Jahre jünger und eine Schwester, die 10 Jahre jünger ist. May geht noch zur High-School und Forrest studiert gerade am Community College. Hast du Geschwister?", hake ich nach, weil ich das Gefühl habe, dass wir nur von mir reden.

„Leider nicht. Ich bin außerdem nicht mal das leibliche Kind meiner Eltern, sondern wurde als Baby adoptiert. Meine leibliche Mutter war ein Junkie und so kam ich unterentwickelt und mit Herzfehler auf die Welt. Meine Adoptiveltern haben mich aufgenommen und mit mir gekämpft. Wir haben es gut überstanden, aber nach dem ganzen Stress, wollten meine Eltern kein zweites Kind adoptieren." Gabriel redet darüber, als wäre es nichts Besonderes, aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Er scheint es zu merken und legt beruhigend seine Hand auf mein Bein. „Mir geht es gut. Mein Herz ist vielleicht nicht so stark wie bei komplett gesunden Menschen, aber auch weit davon entfernt gar nicht zu funktionieren. Ich kann größtenteils ein ganz normales Leben führen. Und ich erzähle das auch nicht, weil ich Mitleid will, oder so. Ich will einfach nur ehrlich sein."

„Dann danke ich dir für deine Ehrlichkeit. Und es tut mir leid, was du in so jungen Jahren bereits durchmachen musstest", erwidere ich und lege meine Hand auf seine. Es fühlt sich einfach richtig an. Dieser Mann vor mir, der mir so sehr vertraut. Der mir all das erzählt, obwohl wir uns gerade mal vor einer halben Stunde kennengelernt haben. Von dem ich mich so unfassbar angezogen fühle, dass ich kaum klar denken kann.

Sail that boat into the red horizonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt