Kapitel 22

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This time around we'll try to smile 'cause we're sick of tears

Most days are easy now, but it gets hard this time of year

I can't believe you're really gone


Es ist der 4. Advent und somit nicht mehr lange bis Weihnachten. Missie und ich haben zu einem kleinen Dinner zu uns eingeladen. Zumindest sollte es nur ein kleine Runde sein. Am Ende ist Lissie da, Tony und Carol mit ihren drei kleinen Rackern und Zoe mit Jasper und ihrem neuen Freund David.

Die Erwachsenen sitzen gemütlich am Tisch, wir trinken Wein und reden, während die Kinder in Missies Zimmer spielen. Einzig Tonys und Carols jüngster Sohn Jake liegt in Tonys Armen und schlummert.

„Wann genau fängst du deinen neuen Job nochmal an?", fragt David an mich gewandt.

„Anfang Februar", erwidere ich. „Allerdings habe ich meinen letzten Arbeitstag hier in LA bereits diese Woche. Damit habe ich über Weihnachten frei und im Januar mehr als genug Zeit für den Umzug und für Missie, damit sie sich gut einleben kann."

„Und habt ihr nun auch das Datum mit dem Umzugsunternehmen klären können?", erkundigt sich Tony. Er hat uns viel mit der Organisation geholfen und alle Probleme mitbekommen.

„Ja, endlich", seufze ich. Und erzähle erneut von unserem engen Zeitplan. Das wird stressig, aber ich habe glücklicherweise genug Personen die helfen.

„Ich kann es ehrlich immer noch nicht glaube, dass ihr wirklich weggeht. Wir werden euch so vermissen", sagt Carol und schnieft leise. Tony reicht ihr ein Taschentuch und sie tupft sich vorsichtig die Augen trocken.

Ich lächele vorsichtig, steht auf und nehme sie in den Arm.

„Ich werde euch auch sehr vermissen. Aber es ist das Richtige", verspreche ich. „Und wir werden ja in Kontakt bleiben. Wir kommen euch besuchen und ihr uns. Das wird schon klappen", sage ich aufmunternd.

„Gabriel hat es damals vorausgesagt, aber ich wollte es nicht glauben", meint Zoe. Überrascht schaue ich sie an.

„Was hat er?", frage ich. Denn das ist mir wirklich komplett neu.

Zoe schaut zu Carol die zustimmend nickt. Dann erzählt Zoe weiter: „Damals in dem Gespräch kurz vor seinem Tod. Er hat zu Carol, mir und Anne – die per Videochat zugeschaltet war – gesagt, dass du irgendwann zurück nach Arkansas ziehen wirst. Zu deiner Familie. Und es sei gut so, weil du sonst keine Chance haben würdest, über ihn hinwegzukommen. Dann hat er uns das Versprechen abgenommen, dass wir dich bei deinen Entscheidungen unterstützen würden. Immer für dich und Missie da sein. Das hätte er natürlich nicht tun müssen, denn ihm war klar, dass wir das sowieso getan hätten. So wie du es ja schließlich auch für unsere Familien tust. Aber wir haben trotzdem unser Bestes gegeben. Und tatsächlich kam nun alles so, wie er es vorhergesagt hat."

Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, da ich es gar nicht glauben kann. Gabriel wusste damals schon, dass ich irgendwann zurück nach Arkansas ziehen werde? Wie? Es war nie ein Thema zwischen uns. Und doch hat er Recht. Ein Grund, warum ich wegziehen wollte, war, weil mich hier alles an ihn erinnert. In gewisser Weise hindert mich das daran, in meinem Leben vorwärts zu kommen. Und auch wenn ich traurig bin, weil ich Ihn damit verlasse, muss ich es tun.

„Etwas ähnliches hat Gabriel damals auch zu Michael und mir gesagt", meint Lissie da auf einmal. Wieder fahre ich überrascht herum und schaue sie an. Sie spricht ohne Aufforderung weiter: „Er hat uns natürlich auch darum gebeten, dass wir uns um euch kümmern. Und er hat auch gesagt, dass du irgendwann wegziehen würdest. Er sagte er könne es verstehen, wenn wir in LA bleiben wollen. Aber da wusste er ja auch nicht, dass Michael nur noch wenige Jahre hatte. Es ist schwierig für mich, meine beiden Männer und die ganzen Erinnerungen zurückzulassen. Aber ich würde nicht ohne euch hierbleiben wollen. Deswegen ist es jetzt auch für mich eine Chance, in meinen letzten Jahren noch etwas Neues zu erleben. Es war für uns beide eine schwierige und lebensverändernde Entscheidung, aber ich glaube daran, dass es das Richtige ist."

„Danke Lissie", sage ich und lege all meine Dankbarkeit hinein. Eigentlich kann ich ihr gar nicht genug danken, für alles, was sie für uns getan hat.

„Du brauchst mir nicht zu danken", sagt Lissie nur abwinkend. Und doch strecke ich die Hand nach ihrer aus und drücke sie, um meine Worte nochmal zu betonen. Denn in diesem Fall gebe ich ihr nicht Recht.

„Bei mir war Gabriel nicht ganz so emotional", gesteht Tony und lächelt, als er sich an das Gespräch erinnert. „Er hat mir vor allem gesagt, wie es mit der Firma weitergehen soll. Welche Wege ich in Angriff nehmen und welche ich lieber links liegen lassen sollte. Er hat mir einen kompletten Zehn-Jahres-Plan ausgefertigt und vorgelegt."

„Die Firma war ihm sehr wichtig. Er hat sein ganzes Herzblut hineingesteckt", sage ich. „Wobei er dich als seinen Partner immer sehr geschätzt hat. Dass du ihn auch am Anfang so eingebunden hast, wo er noch nicht die Mittel hatte, um Inhaber zu werden, hat ihm viel bedeutet", sage ich zu Tony.

Die beiden hatten eine ganz besondere Beziehung zueinander. Sowohl persönlich als beste Freunde, als auch auf ihrer gemeinsamen beruflichen Laufbahn.

„Das weiß ich. Wobei ich auch weiß, dass ich es ohne ihn nie so weit geschafft hätte. Ich habe mich natürlich an seinen Plan gehalten. Und ich habe andere Firmen mit Aufträgen pleite gehen sehen, die ich auf seinen Rat hin abgelehnt habe. Ich hoffe ich werde auch später noch die richtigen Entscheidungen treffen und unsere Firma so führen, wie er es gewollt hätte", sagt er.

„Das wirst du bestimmt", wirft Carol ein und lehnt sich zu ihrem Mann, um ihn einen kurzen Kuss zu geben.

„Ich glaube an dich", sage ich ebenfalls zu Tony.

„Danke euch. Ich versuche auf jeden Fall sein Andenken in Ehren zu halten", verspricht Tony. Wir alle nicken stumm.

„Ich finde es sehr schade, dass ich Gabriel nicht kennenlernen konnte", merkt David leise an. „Zoe hat mir schon viel erzählt, aber so wie ihr über ihn redet, muss er ein ganz Besonderer Mensch gewesen sein. Das Leben ist nicht gerecht, dass er euch so früh genommen wurde."

„Nein, das Leben ist nicht gerecht. Aber wir machen das Beste daraus", erwidert Zoe. Sie lehnt sich zu David und er nimmt sie in den Arm. Keiner zweifelt daran, dass Sie mit dem Besten David meint, der sie wie eine Göttin behandelt, nachdem sie alleinerziehend ist und schon viele schlechte Beziehungen hatte.

Ein paar Minuten sitzen wir schweigend da und schwelgen in unseren eigenen Gedanken, während wir gedämpft die Geräusche der spielenden Kinder durchs Haus hallen hören. Dabei kommt mir eine Idee.

„Lasst uns eine neue Tradition starten", sage ich. Alle schauen auf und mich an. „Lasst und Weihnachten immer zusammen hier in LA feiern. Weihnachten war für Gabriel und mich so ein besonderes Fest. Unser Hochzeitstag und sein Todestag sind an Heiligabend. Ich fände es schön, wenn ich ihn an diesem Tag, so wie immer in den letzten Jahren, besuchen könnte. Also die Stelle am Meer, wo wir ihn verstreut haben. Und so könnten wir sicherstellen, dass wir uns wenigstens einmal im Jahr treffen. Was haltet ihr davon?", frage ich in die Runde. Sofort ertönt einstimmig gemurmelte Zustimmung.

„Das ist eine gute Idee", meint Lissie. „Deine Familie würde bestimmt auch gerne mitkommen."

„Wir könnten einen Saal mieten und mit all unseren Freunden und Familien feiern, je mehr, desto besser, nicht?", fragt Carol. Sie war schon immer Fan von großen Partys.

„Es ist ein Termin, wo einem nichts anderes kurzfristig dazwischen kommen sollte", ergänzt Tony, der immer eher praktisch denkt.

„Ich fände es wirklich schön und wir finden bestimmt genug Platz, damit ihr bei uns unterkommen könnt und nicht im Hotel oder so", meint Zoe und David nickt zustimmend.

„Das wird Missie bestimmt freuen", sage ich glücklich. Es fühlt sich in gewisser Weise erleichternd an, einen solchen Plan zu haben. Zu wissen, dass wir zurückkommen werden. Dass ich Gabriel besuchen kann, in der Zeit, die immer unsere Liebste im Jahr war.

Unwillkürlich laufen mir die Tränen über die Wangen, doch ich lächele. Denn genau in dieser Zeit ist es immer am schwierigsten. Ich weiß nie, ob ich lieber weinen soll, weil ich ihn so vermisse, oder lächeln, weil er gewollt hätte, dass ich trotzdem eine schöne Zeit habe. So oder so vermisse ich ihn schrecklich. Und das wird auch immer so bleiben, egal, wie lange er schon fort ist.

Sail that boat into the red horizonWhere stories live. Discover now