Türchen 5 - Marie Yunoh

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Detective Klaus und Ruth eilten die Treppe hinunter. Die Polizistin wollte die Erste an der Tür sein, doch als sie im Wohnzimmer ankamen, drang bereits heftiges Gezeter aus dem Korridor.

»Na prima ...«, murmelte Ruth hinter ihr.

Kurz darauf stürmte ein Mädchen herein, welches sie vorhin schon auf dem Video der Überwachungskameras gesehen hatte. Die Haare hatte sie in einem unordentlichen Dutt zusammengebunden, doch ihre Klamotten saßen perfekt.

»Kann mir mal einer erklären, was der hier will?« Anklagend deutete sie auf einen Jungen, der hinter ihr ins Wohnzimmer trat. Er war recht schmächtig, die dunklen Haare fielen ihm ins Gesicht, welches er zu einer verärgerten Miene verzogen hatte.

»Der ist hier, weil er nach Ruth sehen will«, schleuderte er Marie entgegen, die wütend ihre Arme verschränkte und erst jetzt die Polizistin zu bemerken schien.

»Und wer ist das da?«

»Detective Klaus!« Das Gesicht des Jungen hellte sich auf. Er kam auf sie zu und reichte ihr die Hand.

»Hallo, Adrian. Was machst du hier?«

Der Junge sah ein wenig verlegen zur Seite. »Paul hat heute Morgen beim Frühstück erzählt, dass Leon vermisst wird. Er hat den Notruf von Ruth angenommen.«

Paul war Adrians Stiefvater und hatte bereits mehrere Schichten mit Nicola zusammengearbeitet. Öfter war sie auch Adrian auf der Wache begegnet. Der Junge war recht unscheinbar aber immer höflich.

»Eigentlich dürftest du gar nicht hier sein. Das ist ein Tatort ...«, erinnerte Detective Klaus ihn an die Vorschriften.

»Na, endlich sagt's mal jemand!«, rief Marie aus und warf die Hände in die Luft.

Adrian ignorierte sie und setzte einen flehenden Blick auf. »Könnten Sie nicht eine Ausnahme machen? Ich bin auch gleich wieder weg. Ich möchte nur wissen, wie es Ruth geht.«

Detective Klaus seufzte. »Fünf Minuten.«

Der Junge nickte ihr dankbar zu, dann stürmte er zu dem Mädchen mit dem Bob und umarmte sie. Während er sich mit ihr leise unterhielt, wandte sich Nicola Marie zu. Mit ungläubigem Blick sah diese zwischen ihr und Adrian hin und her.

»Das lassen Sie einfach zu, ja?«

Die Polizistin setzte ein breites Lächeln auf. »Exakt.« Dann entfernte sie sich einige Schritte von der Gruppe. »Dürfte ich kurz allein mit dir sprechen?«

Sie sah die flatternde Wut in Maries dunklen Augen, als sie widerwillig zu Detective Klaus trat. Sie verschränkte abweisend die Arme und reckte ihr Kinn trotzig in die Höhe.

»Wenn meine Eltern erfahren, dass Sie Fremde einfach in das Haus meines Freundes lassen, werden sie sicher nicht begeistert sein. Wir haben die besten Anwälte der Stadt, das sollten Sie vielleicht wissen.«

»Sehr beeindruckend«, tat Nicola ihre Drohung ab. »Ich würde gern wissen, wo du gestern Abend hingegangen bist, als du die Party verlassen hast?«

Marie schluckte schwer. »Verdächtigen Sie mich etwa?«

»Beantworte einfach nur die Frage.«

»Ich bin nach Hause gegangen, was denken Sie denn? Dass ich meinen Freund entführe und in meinem Keller gefangen halte?«

Die Polizistin zuckte kurz mit den Schultern. »Ich weiß nicht, hältst du ihn denn in deinem Keller gefangen?«

Marie klappte die Kinnlade herunter. »N ... Nein! Nein, tu ich nicht!«

»Schon gut, kein Grund zur Aufregung. Wann hast du die Party verlassen?«

Als die Brünette antwortete, klang sie deutlich zurückhaltender. »Ich weiß es nicht genau. Vielleicht so gegen 20:15 Uhr?«

»Kann jemand bestätigen, dass du zu Hause warst?«

Marie blickte betreten zu Boden. »Nein, ich war allein. Meine Eltern sind in Paris. Meine Mutter arbeitet dort. Aber ich schwöre, ich habe nichts damit zu tun, dass Leon vermisst wird! Das würde ich ihm nie antun.«

Nicola seufzte laut. »Ich werde dich dennoch bitten müssen, vorerst mit aufs Revier zu kommen.«

The Lost ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt