Türchen 8 - Klein Hotels

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Auf dem Weg zu besagtem Hotel hatte Detective Klaus bereits mit den Inhabern telefoniert. Sie hatte gleich gewusst, warum ihr der Name so bekannt vorgekommen war. Patricia und Benjamin Klein waren Beatrice' Eltern und führten die erfolgreiche Hotelkette Klein Hotels auch hier in Grimstone Creek. Sie hatte ein Treffen mit Beas Vater vereinbart, war während des Gesprächs mit ihren Informationen jedoch relativ vage geblieben.

Sollten er oder auch seine Frau etwas mit der Entführung zu tun haben, so musste Nicola nicht unnötig die Pferde scheu machen.

Also trat sie aufs Gas – überschritt dabei leicht die Geschwindigkeitsbegrenzung und hielt schließlich vor dem luxuriösen Gebäude. Von innen drang ein warmer Schein in die winterliche Kälte und lud Nicola ein, das Hotel zu betreten.

Sie lief zum Tresen und wurde, als sie sich als Polizistin auswies, von der jungen Empfangsdame, direkt in ein Hinterzimmer geführt. Ein bereits leicht ergrauter Mann in maßgeschneidertem Anzug erhob sich von einem ledernen Schreibtischstuhl, umschritt den schweren Mahagonischreibtisch und reichte Nicola die Hand.

»Hallo, Detecitve. Wir hatten miteinander telefoniert. Ich bin Benjamin Klein.« Als er lächelte, entblößte er eine gerade Reihe perfekter, weißer Zähne. Die Ähnlichkeit zu seiner Tochter war unübersehbar. »Sie hielten sich recht bedeckt während unseres Telefonates. Worum geht es? Es klang dringend.«

Er bat Detective Klaus mit einer knappen Geste einen Stuhl an, auf dem sie sich niederließ. »Sicherlich haben Sie bereits davon gehört, dass Leon Primero vermisst wird.«

Der Mann nickte. »Ja, es ist schrecklich. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es seinen Eltern gehen muss.«

Nicola konnte sich gerade noch davon abhalten, spöttisch die Augenbrauen hochzuziehen und belustigt zu schnauben. »Ja«, sagte sie nur und wischte seine Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. »Jedenfalls gibt es Hinweise, dass sich der oder die Täter hier bei Ihnen im Hotel aufhalten. Ich werde Ihre Hilfe benötigen, um sie ausfindig zu machen.«

»Ja, natürlich. Ich helfe gern.«

»Gut, haben Sie eine dieser beiden Personen schon einmal gesehen?« Die Polizistin schob Mr Klein die Kopien der beiden Mitarbeiterfotos über den Tisch zu. Dieser nahm beide in die Hand und studierte sie kurz, dann reichte er Nicola die Blätter wieder und deutete auf das Bild von Tristan.

»Der Junge war gestern hier und hat eine Bestellung am Tresen abgegeben.«

Innerlich jubelte Nicola, denn endlich schienen die Ermittlungen nicht mehr nur aus losen Fäden zu bestehen.

»Es war ganz seltsam, wissen Sie«, fuhr der Mann fort. »Wir wurden wegen eines Notfalls in den dritten Stock gerufen. Doch als wir dort ankamen, war keiner da und einen Notfall gab es auch nicht.«

Detective Klaus zückte ihren Block. Diese Informationen waren Gold wert. »Haben Sie bei Ihrer Rückkehr etwas Verdächtiges bemerkt oder vielleicht jemanden gesehen, der Ihnen komisch vorkam?«

Mr Klein schüttelte den Kopf, hielt dann aber mit erhobener Hand inne. »Nein, warten Sie. Jetzt, wo sie danach fragen ... als meine Kollegin und ich in die Lobby zurückkehrten, stand die Tür zu meinem Büro offen. Ich dachte eigentlich, ich hätte sie hinter mir geschlossen, doch in dem Moment war ich ein wenig durch den Wind und bin davon ausgegangen, dass ich sie in der Eile aufgelassen habe.«

Der Stift kratzte eilig über das Papier des Schreibblockes. »Was könnte jemand hier drin gewollt haben?«

Der Mann zuckte mit den Schultern. »Da fällt mir nichts ein. Ich lagere hier nichts Wichtiges, wertvolle Dokumente verwahre ich in meinem privaten Safe. Wer hier reingekommen ist, hätte höchstens Zugriff auf die Buchungsdateien gehabt.«

»Und was ist dann passiert?«

»Als ich wieder in der Lobby war, hat der Lieferantenjunge am Tresen gewartet. Er hatte wohl die Anweisung bekommen, die Pizza hier abzugeben, sodass wir sie zum Zimmer 394 bringen könnten.«

Aufmerksam setzte sich Nicola aufrechter hin. »Wer wohnt in diesem Zimmer?«

»Ähm, einen Moment«, bat Mr Klein, drehte sich zu seinem Computer und klickte einige Male mit der Maus. Dann las er vor: »Ein gewisser G. Rinch.«

Sobald er den Namen ausgesprochen hatte, zog er verwirrt die Augenbrauen zusammen. Nicola war klar, dass es sich nur um einen Decknamen handeln konnte.

»Haben Sie den Mann oder die Frau gesehen, die die Pizza entgegengenommen hat?«

»Das ist das Seltsame. Ich habe mich persönlich auf den Weg gemacht, um dem Gast zu erklären, dass Lieferungen durchaus auch auf die Zimmer bestellt werden können. Doch als ich klopfte, machte keiner die Tür auf. Ich habe einige Minuten gewartet und dann die Pizza einfach auf den Boden gestellt.« Er blickte wieder auf den Bildschirm. »Hier ist übrigens vermerkt, dass der Gast heute bereits wieder ausgecheckt hat.«

»Wäre es möglich, dass ich mir das Zimmer einmal genauer ansehe?«

Der Mann stimmte zu, erhob sich und führte die Polizistin zu den Fahrstühlen. Gemeinsam fuhren sie in den dritten Stock, wo Mr Klein ihr die Tür zum Zimmer 394 mit einem Generalschlüssel öffnete. Ein wenig angespannt betrat Nicola den Raum, während der Mann an der Tür wartete.

Schritt für Schritt wagte sie sich in das geräumige Zimmer vor. Zwei Einzelbetten standen an der Wand, gegenüber befand sich ein leerer Schreibtisch mit Stuhl, und in dem Korridor führte eine Tür ins Bad. Nachdem die Polizistin überprüft hatte, dass sich darin niemand befand, stülpte sie sich erneut ihre Handschuhe über und durchkämmte den Raum. Der Zimmerservice war schon längt da gewesen und hatte alle möglichen Beweise bereits beseitigt.

Dennoch durchsuchte sie jeden kleinen Winkel des Zimmers, schließlich übersahen selbst Putzkräfte mal etwas. Und tatsächlich: Leicht verborgen hinter einem der bodenlangen Vorhänge lag ein kleines Stück Papier auf dem Boden. Detective Klaus hob es hoch und drehte es um. Es handelte sich um eine Visitenkarte: Tony Childs, Immobilienberater.

Darunter standen eine Adresse und Telefonnummer.

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