Chapter 67

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C H A R L I E
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Mit der Tasche über der Schulter laufe ich blind durch die Straßen. Warum tut er das? Ist das seine Art, sich an mir zu rächen?

Egal, wie oft ich mir die Fragen stelle, ich kann mir einfach keine Antwort darauf geben. Habe ich mich etwa so in ihm getäuscht? Vielleicht sind ja nur die Masken gefallen, oder?

Fragen über Fragen, die ich mir nur mit einem Seufzer beantworten kann. Ich sehe mich um und finde mich in einem Park wieder. Nachdem ich einfach nur durch die Straßen gelaufen bin, bin ich froh, dass ich mich nicht komplett verirrt habe. Ich krame mein Handy raus und wähle die Nummer meines Vaters, damit ich nicht zu Fuß nach Hause laufen muss.

Nach einem fünfminütigen Gespräch lege ich schließlich auf und laufe zu der Parkbank, an der er mich abholen wird. Mein Vater hat zum Glück nicht besonders viel von dem Streit mit Jared mitbekommen. Ich schätze, er hat noch nicht mal mitbekommen, dass ich mit ihm zusammen war, was aber besser ist, denn er hätte nur unnötig rumgestresst.

Nach einer kurzen Wartezeit fährt er mit seinem Wagen ran und ich reiße die Autotür auf.

„Hey Dad", sage ich lächelnd und schnalle mich an.

„Charles. Sag mal, hattest du kein Training heute?", fragt er verwundert und setzt den Blinker ein, um auf die Straße rausfahren zu können. Ich überlege, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte, entscheide mich aber dagegen, um Stress zu vermeiden.

„Nein, es ist ausgefallen. Der Trainer hat irgendwelche Beinprobleme", lüge ich schließlich und sehe aus dem Fenster. Er nickt nur und fährt den Weg zu uns nach Hause.

„Was hast du heute noch vor?", fragt er so nebenbei und ich antworte mit einem Schulterzucken.

„Gut", er räuspert sich kurz, bevor er weiterspricht.

„Deine Mutter hat angerufen. Sie hat nach dir gefragt, und ob du dich immer noch nicht unentschieden hast."

Ich sehe ihn stirnrunzelnd an. Meine Mutter soll nach mir gefragt haben?

Mir ist klar, dass das Angebot mit dem Umzug zurück eventuell noch steht, aber wirklich in den Sinn gekommen ist es mir nicht. Jetzt, wo alles in die Brüche gegangen ist, würde ich es schon in Betracht ziehen, zurück nach London zu gehen.

„Dad, ich..-", setze ich an, aber er unterbricht mich mit einem Lächeln.

„Charlie, es ist okay. Wenn du dich vielleicht doch für London entscheidest, ist es okay für mich", sagt er, doch in seiner Stimme schwankt ein wenig Schmerz. Würde ich es übers Herz bringen, jetzt wegzuziehen?

„Okay", sage ich leise und kaum hörbar, während er in unsere Einfahrt fährt. Ich lächele ihm noch kurz zu, bevor ich vor ihm aussteige und schonmal die Tür öffne. Ich laufe noch mit Schuhen die Treppen hoch und stürme in mein Zimmer.

Mit einem großen Sprung lande ich auf meinem Bett und vergrabe mein Gesicht in mein Kissen. Zurzeit wächst mir einfach viel zu viel über den Kopf und ich fühle mich einfach nurnoch maßlos überfordert.

Ich nutze die Stille zum Nachdenken und versuche, irgendwie Lösungen für meine Probleme aufzutreiben.

Das größte Problem ist Jared und es ist das einzige Problem, dass mich wirklich zerstört. Innerlich, und ich schätze mal, äußerlich genauso.

Ich bin kurz vor dem Einschlafen, als mein Handy stark vibriert und mir einen Anruf meldet. Liz Name wird angezeigt und ich gehe seufzend ran.

„Was gibt's?", frage ich lustlos und sie schreit empört auf.

„Begrüßt man so seine beste Freundin?", fragt sie und ich muss leicht grinsen.

„Entschuldige, guten Tag, liebste Liz", verbessere ich mich.

„Ja, moin Charles. Du hörst jetzt auf, Depressionen zu schieben und kommst zu mir", befiehlt sie mir und ich seufze. Warum muss Liz nochmal mit Jared unter einem Dach wohnen?

„Na na na, ich kann dein Augengerolle bis hier her hören", lacht sie und ich lege lächelnd auf.

Schnell springe ich auf und krame nach einer langen Jogginghose und einem Sweatshirt mit Aufdruck. Meine Haare lasse ich in einem Dutt und laufe dann runter.

„Ich gehe zu Liz!", rufe ich durch das Haus und trete heraus, bevor die Antwort meines Vaters ertönt.

Ich gehe in einem schnellen Tempo und erreiche das große Haus nach ungefähr zehn Minuten.

Ich sehe Jareds Wagen in der Einfahrt und muss schlucken. Ein Teil von mir hat gehofft, dass er nicht daheim ist.

Ich laufe zur Haustür, die aufgerissen wird, bevor ich überhaupt geklingelt habe. Liz fällt mir um den Hals und ich taumele zurück.

„Ruhig, Brauner", lache ich und schließe meine Arme um sie.

„Wir machen heute einen Chillerday", sagt sie mit einem verschwörerischen Blick und ich stöhne genervt auf, trotz Grinsen im Gesicht.

„Komm rein jetzt", befiehlt sie mir und zieht mich rein. Langsam betrete ich das Haus, in dem ich nicht mehr war, seit dem Tag an dem Hannah ebenfalls hier war. Zögernd ziehe ich meine Schuhe aus und folge Liz hoch. Ich bete zu Gott, dass ich Jared nicht begegne, dieser aber will meinen Wunsch nicht erfüllen und der Teufel in Person tritt aus seinem Zimmer heraus, als wir gerade oben ankommen.

Ich erinnere mich an die heutigen Gespräche und sofort werde ich wieder wütend. Er sieht mich an und bleibt stocksteif stehen, während Liz ihm komische Blicke zuwirft.

„Was will denn die  hier? Hat sie schon alle ihre Typen heute durch gehabt oder was?", fragt er kalt und Liz fällt empört die Kinnlade runter.

Ich sehe ihn kalt an, bevor alles aus mir herausbricht und ich rasend vor Wut auf ihn losgehe. Er bleibt stehen und beobachtet mich mit einer hochgezogener Augenbraue.

„Du kleines Arschloch!", rufe ich und fange an auf seine Brust zu trommeln.

„Hör auf, so einen Mist zu reden! Hör auf damit, mich als Schlampe darzustellen. Du bist selber kein Stück besser", schreie ich völlig außer mich und betone jedes Wort mit einem Schlag auf seine Brust.

„Charlie. Charlie!", höre ich Liz Stimme, aber ich schlage einfach weiter. Auch, wenn er einfach nur dasteht und mich ansieht, ist es ein befreiendes Gefühl.

„Hör auf damit, so zu mir zu sein. Es war doch alles deine Schuld", rede ich weiter, doch anscheinend reicht es ihm und er packt meine Handgelenke mit seinen Händen, um weitere Schläge abzuwehren. Seine Berührungen sind wie Blitze, sie durchzucken jedes Körperteil, jede Nervenzelle, jeden Muskel. Er hält einfach nur meine Handgelenke fest und sieht mir in die Augen.

„Es war deine Entscheidung", zischt er schließlich, lässt mich los und läuft an mir vorbei, natürlich nicht ohne mich ein wenig zur Seite zu schubsen.

Mit offenem Mund stehe ich da und will etwas erwidern, aber ich bringe nichts raus. Liz stellt sich neben mich und legt ihre Arme um meine Schulter.

„Charlie..-", sagt sie leise, doch ich unterbreche sie.

„Warum? Warum glaubt er mir nicht einfach und zieht mich damit auf?", frage ich völlig verwirrt und sie zuckt mit den Schultern.

„Ich will es aber wissen!", rufe ich und sie zuckt zusammen.

„Glaub mir Charlie, ich würde auch gerne wissen, warum er so zu dir ist. Aber das kann er sich wahrscheinlich selbst nicht erklären. Ich denke, du fehlst ihm einfach und das ist halt seine Art, es dir zu zeigen."

Bester FeindМесто, где живут истории. Откройте их для себя