Kapitel 99: Drache - Teil 5

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Mehn Wudu, Dia Nemesis und Mehn Zairda verbrachten die ganze Nacht in dem Wäldchen, das vom Feuer der Explosion zur Hälfte niedergebrannt worden war. Noch Stunden nach dem hinterhältigen Verrat zogen die Erzwächter und anderen Anhänger durch die Ruinen. Offenbar auf der Suche nach entweder den Schätzen oder Überlebenden. Vielleicht auch beidem.

Wie viele wohl heute gestorben sind?, fragte Mehn Wudu sich und drückte Mehn Zairda näher an sich, die im Schlaf leise stöhnte. Er hatte sie zuvor am Ufer des Fernen Stroms, geschützt im Schatten einiger tief hängender Äste, gewaschen. Der flache Bauch und die Blutergüsse, die sich mittlerweile darauf ausgebreitet hatten, erinnerten ihn schmerzhaft an das, was in ihrem Zimmer passiert sein musste.

Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, damit Dia Nemesis seine Tränen nicht sah. Wer auch immer das getan hat, wird es bereuen. Alle Gilden werden bereuen, was heute passiert ist.

»Wir sollten nach Überlebenden suchen«, sagte Dia Nemesis in die Stille hinein, machte aber selbst keine Anstalten, aufzustehen.

»Es gibt keine«, antwortete Mehn Wudu mit krächzender Stimme. »Sie sind alle im Atem des Drachen verbrannt. Und wenn nicht, dann wurden sie entweder nachher getötet oder gefangen genommen.«

»Es gibt viele Verstecke«, beharrte Dia Nemesis.

»Ich kann Zairda nicht alleine lassen.«

Auf einmal drehte die Frau sich ruckartig zu ihm um. »Du verhältst dich wie ein Zehnjähriger«, fuhr sie ihn an. Es war das erste Mal, dass sie vor ihm so viele Emotionen zeigte. Er wäre fast zusammengezuckt. »Deine Eltern sind tot. Deine Schwester wurde von der Rin-Gilde verschleppt. Weißt du, was man dort mit ihr machen wird? Sie ist Kriegsbeute! Denkst du, für mich ist es leicht, das hinzunehmen? Ich wünschte, ich könnte jetzt sofort zum Phönix-Hof und meine beste Freundin befreien, aber das wäre mein Tod. Und Mehn Shia hat nicht gekämpft, damit wir ihr ins Verderben folgen!« Sie hielt sich die geballte Faust an die Stirn und sah vor sich zu Boden. »Ich habe deiner Schwester versprochen, dich zu beschützen. Das werde ich auch tun. Mit meinem Leben. Aber du kannst nicht einfach tatenlos in diesem Wäldchen sitzen, während dort draußen möglicherweise Anhänger deiner Gilde auf ihre Rettung warten.«

»Meine Gilde...« Mehn Wudu biss die Zähne zusammen. »Eine Gilde ohne Anhänger.«

Dia Nemesis warf ihm einen scharfen Blick zu. »Bist du der Sohn von Mehn Klepos und Mehn Isa oder bist du es nicht? Solange dein Herz schlägt, ist die Mehn-Gilde am Leben!« Sie stand auf und hielt ihm auffordernd eine Hand hin. »Es gibt noch Überlebende, Gilden-Anführer, das fühle ich!«

Gilden-Anführer...

Nach einigem Zögern bettete Mehn Wudu Mehn Zairda vorsichtig auf den Haufen Blätter, die er gesammelt hatte, ergriff Dia Nemesis' Hand und stand auf. Schweigend gingen sie in Richtung der Ruinen. Im Tageslicht war die Zerstörung noch deutlicher auszumachen. Fast kein Stein stand mehr auf dem anderen. Der Atem des Drachen war im Vorratshaus gelagert worden und hatte es dem Erdboden gleich gemacht. Der östliche Teil des Khamtar-Hauses war vollständig zusammengebrochen. Nur ein kleines Stück der westlichen Mauer stand noch, aber das sah so wackelig aus, dass er jederzeit auch zusammenstürzen könnte. Das einzige Gebäude, das nicht ganz zerstört war, war das Krankenhaus, das dahinter lag.

»Ich suche im westlichen Teil«, sagte Mehn Wudu schnell. Er könnte es nicht ertragen, Überlebende zu finden, deren Körper verbrannt und Gliedmaßen von Trümmern zerquetscht worden waren. Nicht mal solche Leichen wollte er sehen. Und von denen gab es viele.

Bei jedem Schritt, vorbei an dem Teich, den man jetzt auf reingefallenen Trümmerteilen überqueren konnte, fühlte er, wie das Gefühl der Enge in seiner Brust zunahm. Tote in der roten Kleidung der Mehn-Gilde schwammen im Wasser. Einige Anhänger anderer Gilden waren ebenfalls dabei. An Land lagen verbrannte Körper, deren Identität er nicht feststellen konnte. Ihm wurde schlecht, aber er ging weiter. Aus einiger Entfernung hörte er Dia Nemesis nach Überlebenden rufen und tat es ihr schließlich nach.

Grüner Habicht und Roter DracheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt