Dorian x Bentley

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- Bentley -

Ich holte tief Luft, bevor ich mein Smartphone in die Tasche meiner dunklen Stoffhose gleiten ließ und die Kantine des Internats betrat, das ich nun schon seit vier Jahren besuchte. Einerseits, weil meine Eltern keine Zeit für mich hatten, andererseits, weil ich mit den Leuten hier gut zurecht kam.

Das Gerücht, dass auf Internate wie dieses nur die reichen, versnobten Kids mit zu viel Geld und zu wenig sozialen Fähigkeiten gingen, entlockte mir immer nur ein Schmunzeln. Klar, die Leute hier hatten mehr Geld als der durchschnittliche Bürger, aber sie waren durchaus zu sozialen Interaktionen - oder Gott bewahre, Freundschaften! - fähig. Das war es aber nicht einmal, was ich hier schätzte.

Mir war wichtig, dass ich in Ruhe gelassen wurde, dass ich meinen Abschluss machen konnte, ohne mich unter Druck gesetzt zu fühlen von Leuten, die eigentlich keinen Plan von meiner Person hatten. Wenn eines sicher war, dann, dass die reichen Kids hier wussten, was es hieß, von Erwartungen überhäuft zu werden. Deshalb stellten sie, oder zumindest die Leute hier auf dem Lady Randolph College, keine solchen irren Ansprüche an einander, sondern ließen jeden machen, wie er es für richtig hielt.

So entspannt ich normalerweise auch war, wenn ich über das riesige Grundstück schlenderte, so sehr zitterten jetzt meine Hände. Die Kantine nahm das gesamte Erdgeschoss des Westflügels des Internats ein. Große Fenster und hohe Decken machten sie noch größer und die hellen Wände und großen Tische wirkten einladend.

Normalerweise war es hier brechend voll, eigentlich zu jeder Zeit, weil viele ihre freie Zeit hier verbrachten, aber im Moment war die Kantine wie leergefegt. Was vor allem daran lag, dass momentan die zweite Unterrichtsstunde lief und jetzt noch niemand Freistunden zum Mittagessen hatte.

Leise durchquerte ich den großen Raum und steuerte die Theke aus schwarzem Marmor an, hinter dem Mrs Warner und Carmen, meine Großtante, normalerweise Mittagessen und Snacks verkauften. Gerade konnte ich keine der beiden entdecken.

Tief ausatmend, um mich zu beruhigen, ließ ich meinen Rucksack von der Schulter zu Boden gleiten und lehnte mich mit der Hüfte an den kühlen Stein. So stark wie meine Hände zitterten, stopfte ich sie eilig in meine Hosentaschen.

Alles gut, beruhige dich, Bentley. Sie wird dir schon nicht den Kopf abreißen, redete ich mir selbst gut zu, wenn auch wenig überzeugend.

Gerade als ich mir nervös durch die dunkelbraunen Haare fuhr, tauchte Mrs. Warner aus der Küche auf. Als sie mich erblickte, lächelte die grauhaarige Frau leicht und rief nach meiner Großtante. Diese kam wenige Sekunden später ebenfalls durch die Tür und wischte sich die Hände an der Schürze ab.

Einen Moment lang musterte sie mich schweigend. Ihre rostbraunen Haare waren wie immer in einem ordentlichen Knoten zurückgebunden und ihre warmen, braunen Augen blitzten, dennoch waren ihre Lippen streng zusammengepresst.

"Hey", begrüßte ich sie mit einem schwachen Lächeln und ich hörte selbst, wie unsicher meine Stimme klang. Ich hatte Schiss vor diesem Gespräch, so richtig.

"Hallo Bentley", erwiderte sie, dann kam sie auf mich zu und zog mich in eine kräftige Umarmung, die ich erleichtert erwiderte. So weit, so gut. Als sie sich von mir löste und meine Wangen in ihre Hände nahm, konnte ich Sorge, Wut, aber auch Zuneigung in ihrem Gesicht lesen.

"Was machst du nur für dumme Sachen, Junge?! Und wieso hast du nicht früher mit jemandem darüber geredet?"

Schulterzuckend verzog ich das Gesicht und murmelte: "Mit wem denn? Mum und Dad sind quasi nie erreichbar und sonst kann ich mit niemandem darüber reden."

Waves - Oneshots BoyxBoyWhere stories live. Discover now