Drosselbart III

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Am nächsten Morgen um Viertel nach acht habe ich bereits einen neuen Job als Reinigungskraft.

Wo?

Tja, ich muss es irgendwie verdient haben, dass ich genau im Logistikimperium von Alexandre Dumas die Toiletten schrubben darf. Ich kann nur hoffen, dass ich ihm nicht auf dem Gang begegne. Diese Schande würde ich ehrlich nicht verkraften und er hätte jedes Recht, es mir heimzahlen zu wollen.

Aber es geschieht nichts dergleichen und so bringe ich einen anstrengenden, aber erstaunlich befriedigenden Arbeitstag hinter mich. Als ich abends um sieben schließlich meine Sachen wegräume, mich umgezogen habe und gehen will, hält mich Marie, eine der anderen Putzfrauen, mit einem kleinen Lächeln auf.

Als ich sie fragend anblinzle, reicht sie mir einen kleinen Karton. Vorsichtig öffne ich ihn und finde vier latschige, aber ansonsten vollkommen genießbare Doughnuts vor. Marie lächelt und erklärt: "Bevor wir sie wegschmeißen, dürfen wir sie mitnehmen und du siehst aus, als könntest du sie ganz gut gebrauchen."

Überrascht von ihrer Freundlichkeit lächle ich sie an. "Danke, Marie." Sie nickt nur und tätschelt mir den Arm, bevor sie ihre Jacke nimmt und den Umkleideraum verlässt.

Étienne sieht überrascht von seinen Uni-Unterlagen auf, als ich den Karton mit drei verbliebenen  Doughnuts vor ihm auf den Tisch stelle.

"Bedien dich", murmle ich erschöpft und lasse mich auf das Bett fallen. Ich spüre jeden Knochen und jedes Gelenk in meinem Körper. Eine Weile herrscht schweigen, dann murmelt Étienne:

"Danke, mon ange."

Der Kosename entlockt mir ein raues Lachen. Mein Engel... tja, wenn das hier denn tatsächlich eine liebevolle Ehe wäre, wäre alles halb so schlimm, davon bin ich überzeugt. Mein Mann behandelt mich aber eher wie eine Arbeitskraft.

Während ich langsam in einen erschöpften Schlaf falle, machen sich meine Gedanken selbstständig und ich träume davon, nach der Arbeit von einem sanft lächelnden Étienne begrüßt und geküsst zu werden, bis mir die Knie weich werden. Eine angenehme Wärme breitet sich in meinem Brustkorb aus und mir entschlüpft ein zufriedenes Seufzen.

...

"Laurent!"

Fahrig reiße ich die Augen auf und falle fast aus dem Bett, als mich Étiennes Stimme aus dem Reich der Träume katapultiert. Er ist gestern Abend noch losgezogen, um mit seiner Musik ein bisschen Geld zu verdienen, weshalb ich alleine eingeschlafen bin.

Jetzt steht er vor mir und sieht genauso aus wie immer. Alleine der müde Glanz in seinen Augen verrät vielleicht, wie sehr es ihn anstrengt, Arbeit und Studium parallel zu bewältigen. Mittlerweile sind wir seit drei Wochen verheiratet und es hat sich tatsächlich eine Art Alltag eingespielt. Mein Job als Reinigungskraft hat es mir mittlerweile ermöglicht, Monsieur Thomas den Schaden durch den Überfall zurückzuzahlen und ich halte uns finanziell über Wasser, sodass Étienne mehr Zeit für sich hat.

Das merkt man auch in unserem Umgang. Seit ich es aufgegeben habe, ständig bissige Kommentare abzugeben (mir fehlt bei der körperlichen Arbeit einfach die Kraft dazu) und ich es sogar schaffe, durch kleine Gesten (wie immer mal ein paar stehangelassene Leckereien aus der Firma mitgehen zu lassen) nett zu ihm zu sein, ist auch er wärmer mir gegenüber und schenkt mir sogar ab und an ein kleines Lächeln.

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir egal ist, wie er über mich denkt. Wann genau es passiert ist, ist mir selbst ein Rätsel, aber ich mag Étienne und möchte, dass er mich ebenfalls mag.

Seltsam, Laurent, wenn du das Papa erzählen würdest, würde er sich selbst zum Therapeuten schicken wegen des Verdachts auf Wahnvorstellungen. 

Waves - Oneshots BoyxBoyWhere stories live. Discover now