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Viktor, acht Monate später.

Ihr beiden steht um mich herum, während ich auf dem Boden kniee und die Reisetasche öffne. Liam hat sie dir mitgebracht und das, obwohl er doch mit der Absicht hergekommen ist, dich mitzunehmen. Kommt das nur mir eigenartig vor? Hör endlich auf damit, dir einzureden, dass er dein strahlender Retter ist! Das ist er nämlich nicht. Er ist es, der dich in diese Situation gebracht hat. Und holt er dich da wieder raus? Nein, er packt dir eine Tasche.

Ich ziehe eine Röhrenjeans aus der Reisetasche, dann eine unscheinbare Bluse und ein schlichtes Träger-Top. Nacheinander lasse ich alles neben mir auf den Boden fallen. Dann hole ich einen BH hervor – ein weißer Baumwoll-BH. Auch ihn lasse ich achtlos fallen. Danach finde ich einen weiteren BH und zwei dazu passende Baumwollslips, die trotz blütenweißer Reinheit graue Tristesse ausstrahlen. Ich sehe zu euch hoch, während ich sie auf den Haufen zu deinen anderen Sachen werfe.

Liam fühlt sich bemüßigt, mir eine Rechtfertigung für seine Garderobenwahl zu geben: „Sie kann schlecht in aufreizenden Klamotten in die Schule gehen. Ihre Schüler sollen sie als Lehrerin respektieren und sich nicht von ihrem Äußeren ablenken lassen."

Ich erspare mir die Rückfrage, ob er dich gestern Abend mit der genau umgekehrten Absicht mitgebracht hat, nämlich um uns mit deinem reizenden Äußeren abzulenken.

„Gib schon zu, mein Freund, du hast nur Angst, dass ich ihre Höschen wieder meistbietend versteigere. Nicht wahr? Aber ich wette, ich finde selbst für so lieblose Schlüpfer noch einen Käufer, sobald unsere Werteste sie getragen hat."

Dein böser Blick trifft mich. Aber du bleibst still, im Gegensatz zu Liam: „Du bist so ein geldgeiler Wichser!"

„Ausgerechnet du nennst mich so? Du hast deine eigene Verlobte aufs Spiel gesetzt wegen deiner Geldgeilheit. Und darum darfst du es dir jetzt allein daheim selbst besorgen. Das nenn ich mal den Prototypen eines geldgeilen Wichsers!"

Liam schießt Zornesröte ins Gesicht, seine Hände sind zu Fäusten verkrampft. Würde er handgreiflich werden? Wenn schon, ich habe keine Angst vor ihm. Gleichmütig senke ich den Blick und krame aus der Tasche ein Paar flache Ballerinas hervor, die ich wie ein Krönchen oben auf den Kleiderhaufen stelle, während ich dir vorschlage: „Du kannst dir ja noch überlegen, ob du deinen Schülern nicht doch eine Freude machen möchtest. Ich würde dir dein Cocktailkleid mit den Heels empfehlen! Darin hast du wirklich hinreißend ausgesehen."

„Danke schön", sagst du mit einem scheuen Lächeln, „Aber das spare ich mir doch lieber für besondere Momente auf."

„Ich versichere dir, für deine Schüler wäre es ein besonderer Moment. Und sie würden bestimmt auch nicht schlechter lernen, nur weil ihre Lehrerin eine Augenweide ist. Ich behaupte sogar, sie würden noch begieriger an deinen Lippen kleben!"

Damit habe ich Liams Zorn noch mehr befeuert: „Hör auf, meine Verlobte anzugraben! Auf deine billige Masche fällt sie bestimmt nicht rein."

„Mein lieber Freund, das ist keine Masche, weil es die Wahrheit ist. Haben wir gestern Abend etwa schlechter gespielt, nur weil du uns deine hinreißende Verlobte in diesem heißen Outfit vorgeführt hast?"

Ertappt weicht er meinem Blick aus und trifft auf deinen. Du blickst ihn nicht wesentlich freundlicher an. „Was siehst du mich so an? Er hat doch recht."

„Jetzt nimm ihn nicht auch noch in Schutz", knurrt er.

„Wieso? Weil es dein' Ego kränkt? Du wolltest, dass ich dein Spiel mitspiele. Und jetzt stehen wir hier wegen dir. Glaub mir, ich wär' lieber daheim."

Aber noch bleibst du bei mir, wie die halb ausgepackte Reisetasche vor mir bezeugt, aus der ich soeben deinen Kulturbeutel ziehe. Ohne Zögern öffne ich ihn.

„Hey, lass den Scheiß", versucht mich Liam aufzuhalten. Er hat noch nicht begriffen, dass er hier nichts zu sagen hat. Allerdings zeigen auch deine Augen, wie unangenehm es dir ist, dass ich darin herumkrame.

„Jetzt macht ihr mich aber neugierig! Was habt ihr vor mir zu verbergen?" Ich ziehe eine elektrische Zahnbürste raus. „Die etwa?"

Du rollst mit deinen hübschen Augen und spielst die Desinteressierte. Ich bin mir sicher, das bist du nicht. Beschämt es dich, dass ich in deine Intimsphäre eindringe? Erregt es dich? Liams Gesicht ist unverändert rot, aber er reißt sich zusammen und fixiert mich mit starrem Blick. Was finde ich sonst noch? Zahnpasta, einen Deoroller, Gesichtscreme, einen Lippenstift, Rouge, Schminkpinsel, Mascara, Lidschatten, Eyeliner und die Antibabypille.

Ich halte den Blister hoch, der fast noch zur Hälfte gefüllt ist. „Ist das euer großes Geheimnis, dass ihr vor mir verstecken wolltet? Dass ihr noch nicht bereit für Nachwuchs seid?"

„Das geht dich einen Scheißdreck an", bellt Liam. Er ist zuverlässig wie ein Pawlowscher Hund mit Tollwut, der gegen seinen Beißreflex nicht ankommt. Wenn er sich nicht bald zusammenreißt, wird ihm das noch zum Verhängnis. Denn was macht man schon mit einem tollwütigen Kläffer?

Du nimmst mir den Blister ab, hältst dann aber doch inne. „Darf ich, mein Gebieter?"

Auch wenn der Sarkasmus unüberhörbar ist, gefällt es mir, dass du mich brav fragst. Gleichmütig zucke ich mit den Schultern, woraufhin du eine der Pillen herausdrückst und dir in den Mund steckst. Mir wird gewahr, dass du die erste Frau bist, der ich dabei zusehe, wie sie die Anti-Baby-Pille nimmt. Könnte daran liegen, dass ich noch mit keiner Frau zusammengelebt habe.

„Soll ich dir was zu trinken holen?", frage ich aus Höflichkeit.

Du schüttelst den Kopf und schluckst trocken. Und ich setze die Inspektion der Reisetasche fort und finde auf deren Boden eine Aktentasche. Ich hebe sie heraus und öffne sie. 

Bad Beat - VerspieltWhere stories live. Discover now