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Das Klingeln meines Handys reißt mich aus einem traumreichen Schlaf, weshalb ich einen Moment brauche, um mich zu orientieren. Die Sonne steht noch tief und scheint mir durch die trüben Fenster des Wintergartens direkt ins Gesicht. Blinzelnd suche ich die Sitzecke nach meinem Handy ab, finde es schließlich unter der Wolldecke, die neben mir auf dem Boden liegt. Ächzend richte ich mich auf. Die Couch ist definitiv kein guter Schlafplatz, aber ich musste ja so dumm sein, dir mein Bett zu überlassen.

Mit zusammengekniffenen Augen blicke ich aufs Display, weil ich erwartet habe, Liams Namen darin zu lesen, oder den von Kerzmann, der mir endlich einen Erfolg bei seinen Nachforschungen vermelden will, ohne mich damit zu nerven, dass er noch mehr Geld braucht. Aber da steht ein anderer Name, der mich überrascht. „Was willst du denn so früh?"

Kurz darauf trotte ich barfüßig die Wendeltreppe nach unten. Mangels Zeit habe ich nur meine schwarze Anzughose angezogen. Ich werfe einen flüchtigen Blick zu meinem Bett. Du scheinst noch selig zu schlafen. Ich schlurfe zum Lastenaufzug und schicke ihn per Knopfdruck nach unten. Ohne meine Hilfe kommt hier niemand rauf, weder mit dem Aufzug noch über die Feuerleiter oder das Treppenhaus. Letzteres ist oben und unten mit Stahltüren gesichert ist, denen außen die Türklinken fehlen. Man kann zwar im Notfall nach unten flüchten – oder jemanden verfolgen, der über die Feuerleiter türmt. Aber sind die Türen erstmal ins Schlossgefallen, kommt man nur noch mit meinem Schlüssel wieder rein.

Als der Aufzug drei Minuten später wieder zurück ist, schiebt Simon mit einem beißenden Quietschen das Gittertor auf und flötet mit unerträglicher Fröhlichkeit: „Ich hab Croissants zum Frühstück mitgebracht."

Sein Aufmachung ist mal wieder typisch für ihn. Unter einer polangen, braunen Wildlederjacke wölbt sich sein Wohlstandsbauch hervor. Das Hemd darunter sitzt viel zu eng und das grellbunte Paisley-Muster schmerzt in meinen verschlafenen Augen. Dazu trägt er Bundfalten-Jeans, rote Socken und braune Budapester.

Und ich stehe barfüßig und oberkörperfrei und nur mit Anzughose bekleidet im Kücheneck und nehme meinen Kaffeeautomaten in Betrieb. „Du weißt, dass ich nicht frühstücke."

„Aber sicher doch dein Damenbesuch! Wo ist das Täubchen denn?" Ehe ich darauf eingehen kann, hat er deinen schlafenden Körper in meinem Bett bemerkt und steuert darauf zu. Er lächelt verzückt, als würde er ein Neugeborenes zum ersten Mal betrachten. Dann flüstert er in meine Richtung: „Habt ihr beiden etwa...?"

Ich mache eine angewiderte Grimasse, während ich in der Küchenzeile den Siebträger mit Kaffeepulver befülle und in die Maschine einsetze.

„Du willst mir weismachen, ihr habt die Nacht in einem Bett verbracht – und da ist nichts passiert zwischen euch?" Er beäugt mich spöttisch. Anders als meine Augen wirken seine hellwach und bewegen sich unaufhörlich. Die Pupillen sind so weit geöffnet, dass es schwerfällt, die Farbe seiner Iris zu bestimmen.

Ich verspüre keine Lust, ihm zu erklären, wie der gestrige Abend endete und wo ich heute Nacht deshalb geschlafen habe. Simon und ich sind gute Geschäftspartner. Als solche kriegt man so einiges voneinander mit, aber das macht ihn noch lange nicht zu meinem engsten Vertrauten.

Die Kaffeemaschine nimmt brummend ihren Betrieb auf. Ich nehme ihm die Papiertüte ab, die sich warm anfühlt, als wären die Croissants noch vor einer Viertelstunde im Backofen gewesen. Und im nächsten Moment steigt mir auch schon ein verführerischer Duft in die Nase. Trotzdem lege ich die Tüte achtlos auf die Anrichte. „Warum bist du wirklich hier?"

Er hebt die Hände, als wolle er zeigen, dass er unbewaffnet vor mir steht. „Geschäfte! Ich weiß doch, dass du immer für ein gutes Geschäft zu haben bist. Nicht wahr, mein Bester?"

Bad Beat - VerspieltWhere stories live. Discover now