Kapitel 2

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Harry hastete in Richtung der Kerker. Der Turm der Acht- und Siebtklässler war weiter weg, als alle anderen und so verschätzte sich so mancher mit dem Weg. Harry war schon jetzt klar, dass er es niemals pünktlich zu Snape schaffen würde, aber immerhin konnte er dafür sorgen, nicht noch später als ohnehin schon zu kommen. Er schlitterte um die Ecke und wäre um ein Haar direkt vor der Tür des Tränkeklassenzimmers auf einem Wasserfleck, wie sie es hier oft gab, ausgerutscht, fing sich aber und klopfte atemlos. Es dauerte nur Augenblicke, da öffnete Snape die Tür.
Der Mann hatte sich nach dem Krieg verändert - seine Haare waren kürzer und nicht mehr so fettig. Seine Haut wirkte nicht mehr ganz so blass und trotz der Strapazen und den Verletzungen, welche ihm Nagini zugefügt hatte, wirkte er jünger als je zuvor. Das alles machte es nicht einfacher für Harry, denn in den Augen des Mannes lag ihm gegenüber noch immer tiefe Abscheu.

»Potter! Sie sind zu spät«, knurrte er, trat aber auf die Seite und ließ den jungen Mann eintreten.

»Entschuldigen Sie Professor, aber ...«

»Keine Entschuldigungen. Setzen und Feder raus«, unterbrach Snape, Harry unwirsch. Harry setzte an, etwas zu erwidern, ließ es dann aber und tat wie ihm geheißen.

»Sie schreiben: ‚Ich werde nie wieder in Professor Snapes Unterricht einschlafen' und das fünfhundert Mal«, wies Snape an und Harry keuchte.

»Fünfhundert Mal?«

»Das ist noch gnädig von mir«, erwiderte Snape kühl. »Ihr mangelndes Interesse an meinem Fach war mir schon lange bekannt, aber ich werde nicht zulassen, dass Sie meinen Unterricht vor aller Augen diskreditieren, indem Sie ständig einschlafen,« Snape setzte sich hinter seinen Schreibtisch und wandte sich seinen Unterlagen zu. »Beginnen Sie jetzt, wenn Sie nicht bis morgen früh hier sitzen wollen.«

»So ist das nicht«, versuchte Harry sich zu verteidigen, aber Snape hob den Arm.

»Ich brauche Ihre Ausflüchte nicht und nun fangen Sie an«, sagte Snape kühl und Harry wusste, dass er sich geschlagen geben musste.

Harry starrte auf den Schreibtisch und versuchte, sich zu konzentrieren. Aber sein Geist war in Aufruhr, und seine Gedanken wanderten unweigerlich zurück in die Vergangenheit. Er erinnerte sich an all die Male, in denen Snape ihn in der Vergangenheit herablassend behandelt hatte, an all die Sticheleien über seinen Vater, an all die ungerechtfertigten Strafen. Und obwohl Snape sich nach dem Krieg verändert hatte, schien er immer noch denselben Hass auf Harry zu hegen wie zuvor. Und er selbst verstand einfach nicht, warum er sich trotz allem zu dem Mann hingezogen fühlte. Eine gute Stunde schrieb Harry, aber dann hielt er es nicht mehr aus. Er musste mit Snape sprechen und wenn es einfach nur darum ging, endlich eine andere Art des Umgangs zu finden.

»Professor Snape können wir in Ruhe sprechen?«, begann Harry, und er spürte, wie sein Herz in seiner Brust hämmerte. Snape sah auf und bedachte Harry mit einem kalten Blick.

»Was ist denn so wichtig, dass Sie meine Zeit verschwenden müssen und auch die Ihre?«, antwortete er.

»Es geht um unsere Vergangenheit, die Dinge vor dem Krieg«, sagte Harry leise.

»Ich wollte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie ... Sie mein Leben gerettet haben – mehrfach«, Snape schnaubte verächtlich.

»Ich habe das nicht für Sie getan. Ich wollte nur sicherstellen, dass Voldemort nicht gewinnt«, Harry fühlte sich wie ein Idiot. Natürlich hatte Snape ihn nicht gerettet, weil er ihn mochte. Aber er wollte trotzdem etwas sagen: »Nichtsdestotrotz bin ich Ihnen dankbar«, Harrys Stimme war leise und er sah, dass Snape ihn genau beobachtete.

»Was wollen Sie von mir? Absolution dafür, dass Sie meinen Unterricht einschlafen und mich so lächerlich machen?«, Snapes Stimme war schneidend und Harry biss sich auf die Lippen. Es machte ihn wütend, dass Snape ihn immer noch nicht respektieren konnte, obwohl er ihm in der Heulenden Hütte das Leben gerettet hatte. Es machte ihn wütend, dass Snape immer noch in der Vergangenheit lebte und nicht bereit war, ihre Differenzen beizulegen.

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