Kapitel 5

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Harry spürte den altbekannten Sog hinter seinem Bauchnabel, aber trotzdem war es anders blind zu apparieren, als sehend. Er hatte das Gefühl, es würde viel länger dauern, bis er endlich Boden spürte. Gleichzeitig spürte er auch, dass Snape ihn weiterhin festhielt und es war gut so, denn Harry war unendlich schlecht, etwas, was er schon lange nicht mehr nach dem Apparieren gefühlt hatte.

»Geht es?«, hörte er Snapes Stimme die ungewohnt besorgt klang.

»Mhm ... keine Ahnung mir war lange nicht mehr schlecht nach dem Apparieren, aber geht schon«, sagte Harry und richtete sich etwas auf.

»Ja, das wird an Ihrem Gleichgewichtssinn liegen. Es wird sicher besser werden«, sagte Snape und griff Harry wieder fester.

»Achtung, hier ist ein Bordstein«, sagte er, als er sich in Bewegung setzte. Harry setzte vorsichtig einen Fuß vor und spürte, dass sie wohl auf Pflasterstein standen. Langsam folgte er dem Mann. Das Erste, was er von seiner Umgebung wahrnahm, war der Geruch nach feuchter Erde und Rauch. Es war still, nur ihre Schritte auf dem Stein machten ein Geräusch.

»Achtung«, kam es wieder von Snape, welcher kurz stehenblieb und Harry wusste, dass sie die andere Straßenseite erreicht hatten. Er hob den Fuß und Snape setzte sich wieder in Bewegung.

»Jetzt kommen drei Stufen«, sagte er und Harry, der sich inzwischen recht sicher fühlte, nickte. Sie stiegen die Treppe hinauf und nur Augenblicke später wurde Harry in einen Flur geschoben und hörte, wie eine Tür geschlossen wurde. Es roch nach abgestandener Luft, Staub, Pergament und Kräutern. Letzteres erinnerte ihn stark an Snape, dem immer eine Wolke Kräutergeruch folgte.

»Es wird gleich wärmer«, hörte er diesen nun sagen und spürte, wie ihm der Mantel ausgezogen wurde. Ohne den Körperkontakt fühlte Harry sich gleich wieder leicht panisch, aber er versuchte sich zu sagen, dass alles gut war. Es dauerte auch nur Augenblicke, da spürte er wieder Severus Griff an seinem Oberarm.

»Ich zeige ... also ja, ich zeige Ihnen nun Ihr Zimmer. Die Treppe ist leicht geschwungen und es sind fünfzehn Stufen. Wollen Sie es allein am Geländer versuchen?«, fragte dieser dann und führte Harry ein paar Schritte den Flur entlang.

»J-Ja, irgendwann muss ich es ja lernen«, sagte dieser. Snape nickte, nahm Harrys Hand und legte sie auf den Handlauf. Die kurze Berührung jagte eine Gänsehaut durch den Körper des Achtzehnjährigen. Er atmete tief durch und setzte dann langsam einen Fuß vor den anderen. Er zählte im Kopf die Stufen und spürte, dass Snape dicht hinter ihm blieb. Oben angekommen blieb er unsicher stehen.

»Das war doch schon sehr gut«, sagte der Lehrer und nahm ihn wieder am Arm. Harry irritierte immer noch, wie freundlich Snape plötzlich war. Doch ehe er weiter darüber nachdenken konnten, nahm dieser wieder seine Hand und legte sie an eine Wand zu seiner Rechten. Harry fühlte eine Art raue Tapete unter seinen Fingern.

»Die Tür zum Gästezimmer ist die erste auf der rechten Seite. Probieren Sie es«, forderte Snape ihn nun auf. Vorsichtig tat Harry wie ihm geheißen und tastete sich an der Wand lang, bis er den Türstock spürte. Schnell fand er den Knauf und öffnete. Snape wollte wieder nach seinem Arm greifen, aber Harry schüttelte den Kopf.

»Ich würde es gern allein probieren«, sagte er.

»Gut, der Raum ist nicht sehr groß oder zugestellt. Rechts befindet sich das Bett etwa fünf Schritte entfernt, ihm gegenüber ist ein Schreibtisch und neben diesem ein Schrank«, erklärte der Lehrer. Harry nickte und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Er ahnte, dass Snape wieder dicht bei ihm blieb, aber wollte das allein schaffen. Nach guten fünf Schritten stieß er leicht gegen den, wie er annahm Bettpfosten, und beugte sich leicht hinab. Sofort spürte er die Matratze und richtete sich zufrieden wieder auf. Er ging noch zwei weitere Schritte, dann drehte er sich nach links und ging langsam vorwärts. Er zählte im Kopf die Schritte mit, bis er gegen einen Stuhl stieß und gleich darauf den Schreibtisch ertastete und den Kleiderschrank neben diesem. Langsam ging er weiter und war sich sicher, dass er nun wieder an der Tür sein musste, aber er griff ins Leere und wäre wohl nach vorne gestürzt, wenn zwei Arme ihn nicht gehalten hätten.

Blind ShadesWhere stories live. Discover now