Kapitel 15

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Romy

,,Es fing alles an, als ich 19 war", spreche ich und räuspere mich nochmal. Wincent schaut mich die ganze Zeit aufmerksam an. ,,Ich hatte ständig Kopfschmerzen, mir war schwindelig und übel. Zudem war ich immer müde und konnte mich in der Schule fast nicht mehr konzentrieren. Meine Mama und ich sind dann zu meinem Hausarzt gegangen, der schob aber alles auf den Stress und zu wenig trinken. Also nahmen wir es so hin", erzähle ich und muss schlucken. ,,Doch nichts wurde besser, eher im Gegenteil. Alles wurde schlimmer. Wir gingen wieder zum Arzt, diesmal zu einem anderen, aber auch da wurde alles klein geredet", flüstere ich. ,,Und dann brach ich irgendwann morgens in der Schule zusammen und bin mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gekommen", spreche ich und fange plötzlich an zu schluchzen. ,,Shh, es ist alles gut. Du musst es mir nicht erzählen, wenn es dich so belastet", spricht Wincent liebevoll auf mich ein. ,,Schon gut", sage ich leise und atme nochmal ein und aus. ,,Im Krankenhaus wurde ein MRT gemacht und das brachte endlich Klarheit. Ich hatte einen 3,4 cm großen Tumor im Kopf", sage ich leise und schluchze wieder auf. Wincent schaut mich geschockt an und sucht nach Worten. ,,Romy", haucht er und zieht mich an seine Brust, an der ich mich erstmal ausweine. ,,War er bösartig?", fragt er als ich mich einigermaßen beruhigt habe. Leicht nicke ich und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. ,,Scheiße", haucht er und drückt mir einen Kuss aufs Haar. Leicht löse ich mich wieder von ihm und setze mich wieder hin. ,,Soll ich erzählen wie es weiter ging?" ,,Wenn du das möchtest, gerne", sagt er und greift nach meiner Hand und streichet über meinen Handrücken.

,,Meine Welt brach zusammen. Wir fuhren dann nach Heidelberg in die Uniklinik und da wurde ich weiter untersucht. Gleich zwei Tage später wurde ich operiert. Die Operation dauerte über 9 Stunden und danach war es die Hölle. Die Zeit danach auf der Intensivstation war die schlimmste. Diese Ungewissheit war einfach Horror. Ein paar Tage nach der Operation war die Gewissheit da. Der Tumor war Grad II. Das beutet, der Tumor wächst langsam und die Prognose ist eigentlich relativ gut. Nachdem ich mich von der Operation erholt habe, stand eine Chemo und Strahlentherapie an. Ich war insgesamt ein Jahr in der Klinik und habe gekämpft. Meine Immunschwäche und der Haarausfall waren da die leichteren Nebenwirkungen. Mir ging es Psychisch so schlecht, sodass ich Hilfe von einem Psychologen annehmen musste." ,,Romy, ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ist jetzt wieder alles gut?", fragt Wincent leise. ,,Ja, dieses Gefühl als der Arzt sagte, das ich gesund bin, war einfach nur unglaublich", flüstere ich und kämpfe schon wieder gegen meine Tränen an. ,,Weißt du eigentlich wie tapfer du bist?", flüstert er und streicht mir eine wirre Haarsträhne hinters Ohr. ,,Da gibt es noch was, was ich dir zeigen muss", sage ich und stehe auf.

,,Ich glaube du hast doch schon gemerkt, dass ich bei dir nie meine Haare zu habe", murmle ich leise und mache mir schon einen Dutt. ,,Ja", sagt er und schaut mich aufmerksam an. ,,Leider hat die Operation Spuren hinterlassen und mir ist sie ein bisschen unangenehm", flüstere ich und drehe mich um. Jetzt ist es soweit und ich zeige Wincent die Narbe an meinem Hinterkopf. Sie ist an meinem Hinterkopf und geht etwa 10 cm senkrecht hoch. Wenn ich einen Zopf oder Dutt trage, sieht man sie, da an der Stelle keine Haare wachsen. ,,Und deswegen schämst du dich?", fragt Wincent und steht vom Bett auf. Da ich ihm immer noch den Rücken zuwende, nicke ich und schaue auf den Boden. Sanft legt er seine Hände auf meine Schultern. Doch plötzlich spüre ich wie er mit einer Hand an meinen Kopf fast und sanft darüber streicht. ,,Romy, deswegen musst du dich doch nicht schämen. Diese Narbe macht dich doch nicht hässlich. Im Gegenteil, sie zeigt wie tapfer und stark du warst", sagt er und dreht mich sanft um. ,,Bitte schäm dich deswegen nicht. Du bist so wunderschön und wie gesagt, diese Narbe macht dich noch schöner. Denn sie macht dein Kämpferherz deutlich", spricht er und zieht mich in seine Arme.

,,Danke, es tut so gut das du es jetzt endlich weißt", flüstere ich an seine Brust und lege meine Arme um ihn. ,,Danke, das du es mir anvertraut hast", haucht er und drückt mich noch enger an sich. Als wir später im Bett liegen, schauen wir uns an und genießen kurz die Stille. ,,Deswegen nimmst du auch die Medikamente oder?", unterbricht er die Stille und streichelt über meine Wange. ,,Ja genau", antworte ich leise und schmiege mein Gesicht in seine Hand. ,,Es tut mir leid, dass ich es dir jetzt erst erzähle", flüstere ich und schaue ihn entschuldigend an. ,,Ach Romy, hör doch auf dir solche Gedanken zu machen. Ich verstehe dich doch", lächelt er. ,,Danke", murmle ich und kuschle mich an seine Brust. Irgendwie hat mich das ganze weinen emotionale reden müde gemacht. ,,Bist du müde?", fragt er sanft und streichelt mir über die Schultern. Leicht nicke ich und bewege mich keinen Millimeter. Ich merke wie er sich leicht aufsetzt und schon spüre ich die Decke über mir. ,,Dann schlaf. Ich mach mich noch schnell fertig und komme dann wieder", flüstert er und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. ,,Das geht nicht", protestiere und möchte mich aufstehen. Doch er hindert mich und hindert mich. ,,Ich muss nochmal mit Peanut raus", murmle ich. ,,Ach so, ich geh nochmal eine Runde mit ihm", antwortet er. ,,Danke", lächle ich und kuschle mich ins Bett. ,,Gern geschehen", schmunzelt er und haucht mir einen kurzen Kuss auf die Lippen.

Als er mein Zimmer verlässt, kuschle ich mich wieder tiefer ins Kissen. Draußen höre ich ihn kurz mit Viki reden und kurz darauf die Haustür zu gehen. Ich muss wohl gleich eingeschlafen sein, denn ich höre im Unterbewusstsein wahr, wie sich Wincent bettfertig macht. ,,Peanut, komm", ruft er leise und schon höre ich ihn die Zimmertür schließen. Schon spüre ich ihn neben mir im Bett. ,,Wince", murmle ich verschlafen und rücke näher zu ihm. ,,Ich bin hier, schlaf weiter", flüstert er und knipst das kleine Licht aus. Kaum hat er seinen Arm um mich gelegt, bin ich schon wieder eingeschlafen. Am nächsten Morgen frühstücken wir noch zusammen, bis er seine Sachen zusammenpackt. Traurig sitze ich auf dem Bett und schaue ihm beim einpacken zu. ,,Wann denkst du, sehen wir uns wieder?", frage ich vorsichtig. ,,Ich komme nach den Tagen in München auf jeden Fall nochmal vorbei", lächelt er und kommt auf mich zu. ,,Aber wir telefonieren ganz viel okay?" ,,Ja, das machen wir", lächle ich. Eine halbe Stunde später begleite ich ihn zur Haustür. ,,Fahr bitte vorsichtig", sage ich und lege meine Arme um ihn. ,,Ja, versprochen", antwortet er und legt seine Lippen auf meine. ,,Ich melde mich", sagt er und geht die Treppen nach unten. Kurz schaue ich ihm nach und kann es schon kaum erwarten, ihn bald wieder zu sehen.

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