~𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝟺~

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Nach unserem Kuss, nach unserer Vermählung, bekam ich nichts mehr mit. Mir war nur noch am Rande bewusst, dass ich meine Krönung irgendwie über mich brachte. Ich sprach die Worte aus, die Wilder und meine Schwestern mir die letzen Tage immer wieder eingebläut hatten. Aber in Gedanken und im Herzen war ich überhaupt nicht da. Es war fast so als träumte ich.

Und ehe ich mich versah war ich die Königin des Waldlandreiches, obwohl ich es kaum merkte.

Ich erwachte erst vollständig aus meinen müden Gedanken, als Emmett und ich vor unseren Gästen an der großen Tafel saßen und auf unser Eheglück angestoßen wurde.

„Auf das neue Ehepaar, auf König Emmett und Königin Aurelia! Mögen sie lange leben und ihrem Land Frieden bringen!", riefen die Leute.

Die meisten Menschen, die zu unserer Hochzeitsfeier gekommen waren kannte ich nichtmal.

Fremde Gesichter starrten mich an, lächelten und hoben die Gläser auf unser Wohl.

Wie in Trance tat ich es ihnen gleich, lächelte und trank einen vorsichtigen Schluck. Der Wein war nun genau das Richtige. Ich wünschte ich hätte nun gieriger und unbeobachtet trinken können. Aber alle Augen waren auf Emmett und mich gerichtet.

Unsere Gäste begannen schließlich ausgelassen zu essen und laut zu erzählen. Doch ich konnte nicht entspannen, denn mein Herz raste und ich mochte es nicht, dass mich alle beobachteten oder verstohlen musterten.

Ich war kurz davor aufzuspringen und mich irgendwo zu verstecken oder mich mit Kopfschmerzen zu entschuldigen oder meinen Tod vorzutäuschen, als Emmett, der ganz ruhig neben mir saß, plötzlich meine Hand nahm. Unter dem Tisch hielt ich mich ganz an ihm fest, als wäre er das Einzige das mich halten konnte. Dabei kannte ich ihn doch gar nicht.

Dankbar lächelte ich meinen Ehemann an und drückte seine Hand so fest, dass ich fürchtete sie zu zerquetschen.

Er lächelte mich noch einmal an, dann wand er sich wieder einem Baron zu, der neben ihm saß und setzte seine Unterhaltung mit ihm fort. Doch während des gesamten Essens über, bei dem ich kaum einen Bissen hinunter bekam, ließ er meine Hand nicht los.

Selbstverständlich hatte ich als Königin auch einige Bewunderer, die es sich nicht nehmen ließen mich während der Feierlichkeiten mit Fragen zu löchern.

Ich musste Fragen über meine Vergangenheit und Zukunftspläne beantworten, bis ich schon nicht mehr wusste wie spät es war. Mir kam es jedenfalls vor, als seien Jahre vergangen. Und doch hätte es noch etwas länger dauern können, denn ich fürchtete mich etwas vor dem was nun kam.

Als auch die letzen Gäste gegangen waren, verabschiedete ich mich von meiner Familie.

„Mach's gut, mein Kind. Pass auf dich auf", war alles was meine Mutter zu mir sagte.

Aber ich hatte auch nicht mehr erwartet. Seit Vaters Tod war sie nur noch ein Schatten ihrer Selbst.

Rose kam stürmisch auf mich zu und zog mich in eine enge Umarmung.

„Du schaffst das. Wir alle sind sehr stolz auf dich!", versicherte sie mir mit ungeheurer Impulsivität.

„Danke, Rose. Ich werde dich vermissen", antwortete ich und erwiderte ihre innige Umarmung.

Nun würden wir uns nicht mehr jeden Tag sehen können.

„Er ist ein guter Mann. Ich glaube du wirst eine wunderbare Zukunft haben, Aurelia", flüsterte mir Anne ins Ohr, als sie mich ebenfalls umarmte.

Ich nickte zögernd.

„Bis bald, Anne. Ich schreibe dir bald", versprach ich zum Abschied.

Lächelnd trennten wir uns voneinander.

Wilder schenkte mir keine Umarmung. Aber vor Emmett und seiner Familie und vielen Bediensteten, hatte ich das auch nicht von ihm erwartet. Stattdessen verbeugte er sich leicht.

„Auf Wiedersehen, liebe Schwester", sagte er und lächelte mich an.

Im Grunde wusste ich, dass er mich lieb hatte. Er musste es nicht laut sagen.

~~~

Stumm stand ich in der Tür meines Zimmers. Emmett lehnte sich neben mich an den Türrahmen und musterte mich eingehend. Diese Stille war unerträglich. Es war diese Ungewissheit, die mich förmlich brodeln ließ.

„Ich weiß, dass wir uns nicht lieben. Heute Nacht muss nichts geschehen", versprach er auf einmal und ich atmete hörbar aus.

Die ganze Zeit über hatte ich mir solche Sorgen gemacht und nun das?
Aber würde man nicht früher oder später nach einem Erben verlangen?

„Diese Ehe ist nicht das, was wir beide uns für unser Leben vorgestellt haben. Aber das muss nicht heißen, dass unser Leben schrecklich trostlos und traurig verlaufen muss. Lass uns doch... Freunde sein?", schlug er zögernd vor.

Vermutlich war dies das erste wirklich Vernünftige, das heute jemand zu mir sagte. Ich war unglaublich erleichtert und nickte bekräftigend.

„Das halte ich für eine gute Idee", erwiderte ich und lächelte schüchtern.

„Dann wünsche ich dir eine gute Nacht. Wir sehen uns Morgen", meinte er und erwiderte das Lächeln ebenso schüchtern.

In seinen Augen lag eine Wärme, die bewirkte, dass mir ganz heiß wurde und ich errötete.

„Ja, gute Nacht", sagte ich schließlich und schloss die Tür hinter mir.

Nun war ich allein. Ich war froh, dass ich etwas zu tun hatte, um mich von all den vielen verschiedenen Eindrücken des Tages abzulenken.

Also begann ich mir den Schmuck aus den Haaren zu ziehen, die schwere Krone abzulegen, meine Haare zu einem lockeren Knoten zu binden und versuchte aus dem riesenhaften, wunderschönen Hochzeitskleid hinauszusteigen.

Als ich mir mein Nachthemd überzog, war mir nur allzu bewusst, dass die Tür zwischen Emmetts und meinem Zimmer heute nicht abgeschlossen war.

Um mich von meinen erschreckenden Gedanken abzulenken und einfach alles zu vergessen, schnappte ich mir das Buch, das ich mir in der vorherigen Nacht aus der Bibliothek mitgenommen hatte und öffnete die Tür zum Balkon.

Dort setzte ich mich hin und begann in die fantastische Bücherwelt einzutauchen.

Emmett hatte mir dieses Buch empfohlen und ich musste zugeben, dass es wirklich sehr gut war und mich von allen Sorgen und Problemen meines Lebens abzulenken vermochte.

Irgendwann war ich so müde und die Nacht so kühl, dass ich mich in mein Zimmer zurückzog, das Buch auf meinen Nachtisch legte und versuchte zu schlafen.

Tatsächlich übermannte mich nach einer Weile der Schlaf, doch er war unruhig und voller wirrer und bunter Träume, die mich ermüdeten und noch viele Nächte lang heimsuchten.

Kingdom of Love and HopeWhere stories live. Discover now