*13* Allein

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Claydens P.o.V:

Als ich von meiner Waldrunde zurückkomme, merke ich sofort, dass etwas nicht stimmt. Es ist viel zu ruhig hier und doch liegt ein angespanntes Surren in der Luft. Noch dazu rieche ich einen fremden Geruch, doch ich kann nicht genau sagen wo er sich befindet oder wo her hinführt.

Im Stechschritt gehe ich aufs Rudelhaus zu und betrete die Halle. Niemand zu sehen. Ich sehe in Daves Praxis nach, doch niemand ist dort. Nach kurzem lauschen geht mein Weg in Richtung Küche, von dort kann ich leise Stimmen wahrnehmen. Ich öffne die Tür.

Das erste was ich sehe ist Jesse, die schluchzend mit Sammy auf dem Schoß auf der Küchenbank sitzt. Dem Kleinen laufen stumme Tränen übers Gesicht. Lissy sitzt wie versteinert am Tisch und starrt ein Loch in die Wand. Dave läuft ruhelos in der Küche auf und ab. Luke sitzt auf dem Boden und schüttelt fassungslos den kopf. Tine wischt sich nervös und besorgt dreinblickend die Hände an ihrer Schürze ab.

„Was ist los?"

Frage ich kurz angebunden. Eine einfache Frage, auf die es eine Antwort geben muss. Doch niemand scheint sich verpflichtet zu fühlen, sie zu beantworten. Wenige Augenblicke warte ich, bis ich ungeduldig werde.

„Was. Ist. Los!?"

Frage ich nochmal, diesmal mit mehr Nachdruck. Dave bleibt endlich stehen und sieht mich ernst an.

„Jacob wurde entführt."

Sagt er. Jacob wurde entführt. Entführt. Jacob-wurde-entführt. Fassungslos sehe ich in die Runde. Wollen die mich verarschen? Das ist doch alles ein schlechter Witz. Ich lasse nochmal meinen Blick zu allen in der Runde schweifen. Nein, sie verarschen mich definitiv nicht.

„Ich sage sofort Cole bescheid, wir riegeln alle Grenzen ab und durchkämmen den gesamten Wald in alle Richtungen, wir finden ihn."

Ich sehe zu Jesse. Sie sieht aus wie eine Wasserleiche. Ihre Hände, die sie um unser Kind geschlungen hat, zittern. Ich möchte ihr so gerne helfen. Ich möchte ihr ihr Kind wiedergeben. Unser Kind.

Über den Rudellink gebe ich den Alarm zu Cole durch, der wenige Minuten später mit Kiki in der Küche auftaucht. Kiki hat vor Aufregung rote Flecken im Gesicht und geht sofort zu Jesse und Sammy, um beiden leise beruhigende Worte zuzumurmeln. Cole kaut unruhig auf seiner Unterlippe herum.

„Warum sollte jemand Jacob entführen? Das ergibt doch keinen Sinn"

Sagt er halblaut mehr zu sich als zu uns. Jesse steigen sofort wieder neue Tränen in die Augen.

„Es ist doch völlig egal wer oder warum. Wir müssen ihn einfach nur zurückholen!"

Zischt sie scharf, sodass Sammy zusammenzuckt. So hat er seine Mutter wohl noch nie erlebt. Ich auch nicht. Natürlich war ich bei einigen ihrer Ausbrüche dabei, aber das hier ist anders. Es geht um ihr Kind. Um unser Kind. Verdammt, ich wiederhole mich.

Ich kann nicht aufhören, Jesse anzustarren. Ihr Blick ist so schrecklich leer und trostlos. Als ob man einen Teil ihrer Selbst aus ihr herausgerissen hätte. Hat man auch. Aus dem Affekt heraus gehe ich auf sie zu, setze mich neben sie und schließe sie und Samuel in meine Arme.

Ich ignoriere Lukes, Coles und Kikis verwunderte Blicke. Sie braucht das jetzt. Sammy braucht das. Aber vor allem brauche ich das. Jesse lehnt dankbar und erschöpft ihren Kopf gegen meine Brust, mein Shirt wird von ihren Tränen nass. Sammy zittert. Ich halte ihn so fest ich kann.

„Clayden, wir müssen auf der Stelle etwas unternehmen. Es ist schwer, aber wenn wir nichts tun..."

Während er spricht, gerät Dave ins Stocken. Er wagt es nicht es auszusprechen und ich bin ihm Dankbar dafür. Jesse schüttelt kaum merklich den Kopf und schluchzt leise.

„Cole, stell alle Verfügbaren Truppen zusammen. Ihr geht sofort los und durchsucht die Umgebung in Etappen. Kiki, du hältst eine Rudelversammlung und klärst alle anderen über die Situation auf. Dave, du bereitest deine Praxis auf jegliche Notfälle vor. Luke, du teilst den Truppen ihre Etappen zu und bleibst mit allen in Funkkontakt. Tine, du bereitest Kraftpakete vor, die sich die Truppen zwischendurch abholen können, damit sie bei Kräften bleiben. Allen Klar was sie zu tun haben?"

Sage ich monoton. Es ist wichtig, dass jeder eine Aufgabe hat um Panik und Verwirrung vorzubeugen. Das letzte was Jesse jetzt gebrauchen kann ist unnötige Hysterie und Chaos. Ich selbst werde bei Jesse und Sammy bleiben. Es wäre unverantwortlich, die beiden jetzt allein zu lassen aber sie mitzunehmen ist keine Option. Doch Jesse sieht das anders. Sie sieht mich fassungslos an.

„Und du? Du musst ihn suchen gehen! Und ich auch! Ich kann noch nicht... Ich meine.... Und wenn er..."

Stammelt sie herum. Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände und sehe sie eindringlich an.

„Sammy braucht seine Mom. Er braucht dich. Du kannst ihn nicht einfach allein lassen und ich kann dich jetzt nicht allein lassen. Ich bleibe in ständigem Kontakt mit allen aber bitte hab vertrauen in mich. Wir machen alles richtig. Wir finden ihn."

Stumm starrt mich Jesse an und zeigt keine Reaktion. Ich sehe sie flehend an, bis sie seufzend den Blick senkt. Ich nicke leicht und lege wieder ihren Kopf in meine Halsbeuge.

„Alpha, ein Unwetter zieht auf. Es wird schwierig für die Truppen, eine Spur zu verfolgen."

Sagt Luke hinter mir. Ich atme tief durch. Natürlich, das hatte noch gefehlt.

„Achte darauf dass alle Truppen ausreichend Pausen machen, ich kann es mir nicht leisten, Ausfälle kompensieren zu müssen. Wir brauchen jeden verfügbaren Wolf."

Meine ich nur. Das Wetter geht mir am Arsch vorbei, das einzige was zählt, ist mein Kind zu finden.

Glücklicherweise kommen keine weiteren Fragen oder Anmerkungen, sodass meine ungeteilte Aufmerksamkeit endlich auf meiner Familie liegt. Sanft streiche ich ein Wenig über Jesses Kopf.

„Komm, wir gehen nach oben. Du und Sammy müsst euch ausruhen. Lass uns ein bisschen hinlegen, okay?"

Stumm nickt sie. Ich stütze sie nach oben, sie hält den aphatischen Sammy auf dem Arm, den ich ihr kurzerhand abnehme. Gemeinsam gehen wir nach oben in Jesses Zimmer. Ich lege Sammy auf dem Bett ab und setze mich dazu. Jesse ist bei der Tür stehengeblieben, ich sehe sie fragend an.

„Ich hol mir einen Kaffee"

Sagt sie und geht wieder raus bevor ich etwas sagen kann.

„Finden wir Jakie wieder?"

Fragt Sammy hinter mir. ich gehe sofort zu ihm hin und nehme ihn in den Arm.

„Ja. Ja, natürlich finden wir ihn, schon ganz bald."

Mein Sohn sieht mich mit riesigen, glasigen Augen an. Seine Augen sind wunderschön. Außen blau, in der Mitte ein bisschen grün und bei den Pupillen haselnussbraun. Plötzlich fliegt die Tür auf und Dave steht im Zimmer.

„Sie ist weg. Ich hab es noch versucht aber sie war nicht aufzuhalten. Sie ist im Wald verschwunden."

Keucht er. Ich starre ihn fassungslos an. Sie ist da raus. Jesse ist losgegangen um ihr Kind zu suchen. Allein.

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Salut liebe Freunde der gepflegten Unterhaltung,

Ich sitze gerade im EBG Unterricht und sollte eigentlich alles andere tun als das, was ich tue - schreiben.
Aber was tut man denn nicht alles dafür, dass es ein bisschen vorangeht, nicht?

Letzte Woche war ich im Praktikum, da hatte ich leider überhaupt keine Zeit aber dafür habe ich mich heute direkt wieder drangesetzt.

Have fun mit dem neuen Kapi und eine schöne Woche!

Peace out,
Neli :)

One, a half and two little wolves [3]Where stories live. Discover now