𝟏𝟖| Erinnerungen

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Oh, my tears they fell like rain
Don't you hear them, don't you hear them falling?
Don't you hear them, don't you hear them falling?
Do you remember, mama, when I knocked upon your door?
I said you had the nerve to tell me
You didn't want me no more, yeah
I open my front door, hear my back door slam

~★~

𝐋𝐨𝐬 𝐀𝐧𝐠𝐞𝐥𝐞𝐬, 𝟖. 𝐉𝐮𝐧𝐢 𝟏𝟗𝟖𝟒

𝐀𝐥𝐞𝐣𝐚𝐧𝐝𝐫𝐨:

Ich ließ mich auf das große Bett in meinem Zimmer fallen. Mein Kopf schmerzte und ich war froh, dass ich die Party früher verlassen hatte. Ich hätte es heute nicht ertragen, die Nacht zwischen den hellen Lichtern zu verbringen und mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zwingen.

Aber jetzt lag ich hier und starrte in die Dunkelheit und die Müdigkeit schien von mir abzufallen. Stattdessen hielten die verwirrenden Gedanken mich wach. Wie es mit meiner Band wohl weiterging, wenn wir erst unsere ersten Songs aufnehmen konnten? Ob wir es überhaupt schafften, einen Plattenvertrag zu finden? Und immer wieder erschien Angies Gesicht vor meinem inneren Auge. Sie hatte sich heute erneut einfach zu mir gesetzt und ich konnte es nicht leugnen, dass es mir gutgetan hatte. Sie hörte mir zu, obwohl sie nicht die gleichen Probleme hatte und das schätzte ich an ihr. Sie gab mir eine Chance, obwohl ich mich wie das letzte Arschloch benahm.

Seufzend gab ich es auf, einschlafen zu wollen und erhob mich stattdessen. Ich schaltete meine Nachttischlampe ein und kramte in der Schublade nach meinen Zetteln, die mit Ideen für Liedtexten vollgekritzelt waren.

Aber stattdessen fiel mir ein verstaubtes Foto in die Hände. Ich ignorierte das unwohle Gefühl in mir, als ich die vertraute Szene betrachtete. Dieses Foto entstand am Tag des High School Abschlusses meiner großen Schwester. Sie stand mit einem stolzen Lächeln in der Mitte und ihr glänzend rotes Haar fiel über ihre Schultern. Meine Eltern hatten ihre Arme um ihre Schultern gelegt und strahlten mindestens ebenso stolz. Meine Mutter hielt mit ihrer freien Hand die meiner kleinen Schwester umklammert. Ich stand neben meinem Vater und meine Augen waren von einer Sonnenbrille verdeckt. Niemand sollte sehen, wie dreckig es mir ging und meine Mutter hätte mich umgebracht, wenn sie entdeckt hätte, dass ich bekifft war. Am großen Tag meiner Schwester sollte ich mich ausnahmsweise benehmen und die Familie nicht blamieren.

Bevor ich es verhindern konnte, überschwemmten mich die dunklen Erinnerungen aus meiner Vergangenheit.

Schritte erklangen. Meine Muskeln spannten sich an und dunkle Angst stieg langsam in mir auf. Ich konnte nur erstarrt die Türklinke fixieren, die sich in Zeitlupe öffnete. Jede Zelle meines Körpers flehte, dass mich nicht mein Vater erwischen würde.

Erleichtert atmete ich auf, als meine Mutter im Türrahmen erschien, aber diese erstarb schnell, als ich ihre wütende Miene wahrnahm. Trotzig schob ich mein Kinn vor und richtete mich auf. Der Blick meiner Mutter flackerte zwischen dem Klavier meiner Schwester und meiner Gestalt hin und her. Mit jedem Mal, dass ihre kalten Augen mich trafen, sackte ich ein wenig mehr in mir zusammen und verlor mehr von meiner stolzen Haltung.

"Finger weg von den Sachen deiner Schwester. Du hast schon genug zerstört", jedes Wort meiner Mutter traf mich wie ein Peitschenschlag. Sie war so kalt. Sie war so weit entfernt. Aber ich war doch nur ein kleiner Junge. Wie sollte ich mich gegen diese grausame Welt wappnen, wenn meine eigenen Eltern mein Zuhause zur Hölle machten?

"Deine Lehrer haben von deinem schlechten Benehmen erzählt. Du weißt, was dir blüht, wenn dein Vater davon erfährt", fuhr sie fort und die Gleichgültigkeit, die in ihrer Stimme mitschwang, ließ mein Herz zerbrechen. Unwillkürlich griff ich an meine Wange, wo noch die Ohrfeige von letzter Nacht brannte. Die Worte meines Vaters hallten in meinem Kopf wieder.

"Du bist ein Junge. Du musst erzogen werden, bevor du endgültig verloren bist. Du bist ein Junge. Du musst die Schläge ertragen."

Ja, ich war nur ein Junge. Aber die Schläge musste ich ertragen wie ein Mann.

"Mama, ich will auch Klavier lernen", hauchte ich und traute mich kaum, die Bitte auszusprechen. Meine Mutter hob misstrauisch eine Augenbraue.

"Damit sie dich auch bei diesem Unterricht rausschmeißen, wie beim Gesangsunterricht für den Chor?", meine Mutter stieß ein freudloses Lachen aus und ich senkte den Blick. Dass sie mich nicht mehr im Chor haben wollten, war meine Schuld. Ich hatte es satt, jeden Nachmittag mit Proben verbringen zu müssen, während meine Freunde im Hinterhof spielten. Ich hatte mich unmöglich benommen und hatte sogar die Schläge meines Vaters ertragen, um mein Ziel zu erreichen.

"Darf ich mich heute mit Gino treffen?", wisperte ich und meine Mutter schüttelte seufzend den Kopf.

"Nein, nachdem ich mit deinen Lehrern gesprochen habe, halte ich Hausarrest für angebrachter, es tut mir leid", entgegnete sie streng und ohne einen Hauch von Mitleid. Welche Ironie, dass ihre Entschuldigungen nie etwas bedeuteten. Welche Ironie, dass sie meinen Schwestern die Welt schenkte, während sie mich strafte.

"Aber Lilly und Isabella durften auch raus. Warum ich nicht?", wollte ich wissen. Ich wollte nicht eifersüchtig auf meinen Schwestern sein, aber manchmal war dies so unglaublich schwer.

"Deine Schwestern lernen für die Zukunft. Du machst nur Ärger!", zischte meine Mutter und ihre Augen verengten sich gefährlich. Ich schluckte schwer. Ja, meine Schwestern waren fleißige Schülerinnen und sie befolgten die Regeln meiner Eltern. Sie würden eines Tages studieren und eine Menge Geld verdienen. Sie waren die Zukunft, während ich nur Ärger machte. Vielleicht war tatsächlich alles an mir falsch. Vielleicht schlug mich mein Vater deshalb, weil ich einfach ein Fehler in dieser Welt war. Einzig und allein mein bester Freund Gino hielt mich davon ab, dies tatsächlich zu glauben. Er versprach mir, dass ich nicht der Fehler war und dass wir eines Tages gemeinsam aus diesem kleinen Ort fliehen würden.

Aber bis dahin vergingen noch viele Jahre. Ich wuchs heran und mit jedem vergehenden Jahr erfuhr ich mehr davon, wie das Leben außerhalb meiner vier Wänden aussah. Ich begann mich meinen Eltern bewusst zu widersetzen und verschwand manchmal tagelang, um die Nächte nach Partys in einem Hotel zu verbringen. Mein Vater schlug mich weiterhin, wenn ich nach einigen Tagen mit der Rechnung des Hotels nach Hause kam, aber jeder Schlag wurde erträglich, wenn ich daran dachte, was ich auf der Straße gefunden hatte. Ein Stück süße Freiheit, Freunde und ein waghalsiges Leben. Die Schläge wurden erträglich, wenn ich daran dachte, dass ich mit jedem Verweis aus der Schule den Ruf meiner in der Arbeitswelt hoch angesehenen Familie ein Stück mehr ruinierte. Meine Eltern sahen mich als Versager, aber unter meinen Freunden wurde ich gefeiert wie ein Held.

Einen Traum hatte ich nie aufgegeben. Ich lernte Klavier und gründete mit Gino und weiteren Freunden eine kleine Band, die in den Clubs dieser Ortschaft auftrat.

Doch meine Vergangenheit ließ ich erst endgültig zurück, als ich mit Gino nach Los Angeles zog und einen Neuanfang wagte.

Aber selbst heute suchten mich die Erinnerungen an meine Familie heim und an machen Tagen hörte ich noch immer die enttäuschte Stimme meiner Mutter und die schallenden Schläge meines Vaters in meinem Kopf widerhallen.

𝐺𝑜𝑜𝑑 𝑏𝑜𝑦'𝑠 𝑑𝑜𝑛'𝑡 𝑝𝑙𝑎𝑦 𝑅𝑜𝑐𝑘 '𝑛' 𝑅𝑜𝑙𝑙Donde viven las historias. Descúbrelo ahora