𝟐𝟎| Ein Schritt weiter

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But I know I've got one thing I got do
Ramble on
And now's the time, the time is now
To sing my song

~★~

𝐋𝐨𝐬 𝐀𝐧𝐠𝐞𝐥𝐞𝐬, 𝟐𝟎. 𝐉𝐮𝐧𝐢 𝟏𝟗𝟖𝟒

𝐀𝐧𝐠𝐢𝐞:

Die letzten Wochen waren anstrengend. Zwischen den zahllosen, kleinen Auftritten in Clubs und der Arbeit im Studio mussten wir alle einen weiteren Job in der Stadt finden, um die Miete für unsere Wohnung zahlen zu können. Gino und ich arbeiteten gemeinsam in einer kleinen Bar, wo wir nicht viel verdienten, aber der Lohn war ausreichend, um wenigstens für die Lebensmittel und den Alkohol für Feste aufzukommen. Alejandro musste den Lastwagenfahrern helfen, ihre Ladungen zu verstauen, und verdiente dafür einen Hungerlohn, aber auf die Schnelle konnte er keine bessere Arbeit finden.

Der Mann, der uns mit seinem Stundenlohn alle über Wasser hielt und verhinderte, dass wir auf der Straße landeten, war Adam. Er hatte ein Jobangebot in einer Musikschule angeboten bekommen und verdiente erstaunlich gut. Alejandro und Gino beschwerten sich regelmäßig darüber, dass sie ebenfalls diese Arbeit verdient hätten, aber Adam erschien dem Arbeitgeber offensichtlich vertrauenerweckender als seine Freunde. Adam schien die Arbeit in der Musikschule gutzutun, denn sein Drogenkonsum hatte wenigstens ein bisschen abgenommen und er schien auch nicht mehr jede Sekunde an Virginias Tod zu denken. Die Polizisten waren seit einigen Wochen nicht mehr bei uns aufgetaucht, was die ganze Sache ebenfalls zu beruhigen schien.

Ich stieg aus dem Taxi und bat den Fahrer, eine Sekunde zu warten. Neugierig musterte ich das große Gebäude, das vor mir aufragte. Es war ganz in Weiß. Die Fensterläden waren schwarz gestrichen. Die große hellbraune Tür war einen Spalt geöffnet und zeigte den schimmernden Marmorboden. Die verspielten, sanften Töne der Geigen schwebten aus einem gekippten Fenster. Unwillkürlich fragte ich mich, wie Adam nur an diesen Job gelangen konnte. Einen so guten Eindruck konnte er unmöglich bei einem Fremden hinterlassen, aber vielleicht irrte ich mich. 

Während ich auf Adam wartete, konnte ich die abschätzenden Blicke der jungen Männer und Frauen deutlich auf mir spüren. Tatsächlich kam ich mir mit meinen kurzen und kunstvoll zerrissenen Hosen, dem knappen Top und dem dunklen Make-up Fehl am Platz vor. Die jungen Männer trugen Anzüge und die Frauen und Mädchen Blusen und Röcke oder Jeans. Einmal mehr kam mir vor, als würde Los Angeles aus nur zwei Extremen bestehen. Es gab die geordnete Welt der Wohlhabenden und die chaotische Welt der rebellierenden Jugend. Trotz der Wärme fröstelte es mich. In diesem Moment wurde mir bewusst, ich fürchtete mich nicht vor Drogen, verrückten Jugendlichen und einem draufgängerischen Leben, das in jedem Moment zerbrechen konnte, sondern vor dem geordneten Gefängnis, dem die Jugendlichen dieser Schule ausgesetzt waren.

"Endlich, ich dachte schon, du hättest mich vergessen", erleichtert machte ich einen Schritt auf Adam zu, der mir entgegenkam. Lässig fuhr er sich mit der Hand durch seine blonden Locken, bevor er sich die Sonnenbrille aufsetzte. Ihn schienen die schiefen Blicke der Anwesenden nicht zu stören, aber vielleicht war er auch einfach daran gewohnt.

"Ich würde meine Freunde doch nie vergessen", er legte mir einen Arm um die Schulter und gemeinsam schlenderten wir zurück zum Taxi, "Und vor allem möchte ich verhindern, dass Alejandro einen weiteren Wutanfall bekommt, weil er denkt, dass ich zu spät komme." Ich lachte laut auf. Tatsächlich war es Alejandros Idee gewesen, dass ich Adam abholte, damit er unseren Auftritt nicht verpasste. Aber uns allen war der Ernst der Lage bewusst. Wir hatten nur die Chance, in der Musik aufzusteigen, uns mit jämmerlichen Arbeiten über Wasser zu halten oder auf der Straße zu landen.

𝐺𝑜𝑜𝑑 𝑏𝑜𝑦'𝑠 𝑑𝑜𝑛'𝑡 𝑝𝑙𝑎𝑦 𝑅𝑜𝑐𝑘 '𝑛' 𝑅𝑜𝑙𝑙Donde viven las historias. Descúbrelo ahora