17

32 3 1
                                    

Das Schmerzhafteste an dem Verlust einer geliebten Person, oder einem Haustier, ist, dass man sich bewusst machen muss, dass alles, was von ihr bleiben, alte Erinnerungen sind. Und es kommen nie mehr neue hinzu.
Das Grausamste ist es, dass man sich immer wieder selbst daran erinnern muss. Weil das Gehirn nicht in der Lage ist, das vollständig zu verarbeiten. Erst wenn diese Information zu Ende ausgearbeitet ist, ist der Trauerprozess vollständig abgeschlossen.
Dazwischen finden die bekannten fünf Phasen statt: Verdrängung, Wut, Verhandlung, Verzweiflung und Akzeptanz.
Akzeptanz ist dabei genau die schlimmste Phase.
Weil man abstumpft. Man akzeptiert es um den Schmerz besser ertragen zu können.
Die Verhandlung ist jedoch auch nicht einfach. Wie oft habe ich mir vorgestellt, wie es gewesen wäre, wenn ich Maria durchschaut hätte. Wenn ich früher hätte mit Riley fliehen können. So dass wir nie mehr gefunden worden währen.
Dann hätte sie überlebt. Wir wären zusammen, ich hätte ihr helfen können glücklich zu werden. Und wer weiß? Vielleicht wäre mehr aus uns geworden.
Inzwischen vermeide ich es, mir weitere solcher Bilder auszumalen. Mir vorzustellen, wie sie lächelt und dabei vielleicht zeichnet oder ein anderes Hobby gefunden hätte?
Ich verweigere zu meinem Selbstschutz mir vorzustellen, wie wir uns gemeinsam ein Haus gekauft hätten. Wir hätten keine Kinder, weil weder sie noch ich in der Lage zu wären. Aber Hunde. Wir hätten viele Hunde.
Vielleicht so viele, wie Alec und Liam haben? Oder sogar mehr?
Es waren alles Gedanken, die ich während der Verhandlungsphase hatte. Ich wollte das Leben, dass ich nun habe gegen das eintauschen, welches ich mir um nichts sehnlicher wünsche.
Aber es passiert nicht. Ich werde nicht mehr glücklich. Nicht mehr so, wie ich es zu Rileys Lebzeiten noch war. Nicht einmal Olive könnte etwas daran ändern.

Es klopft an der Tür, doch ich rege mich nicht. Ich mag nicht aufstehen. Es fällt mir nur schon so unglaublich schwer, mich überhaupt zu bewegen.
Auch noch aufstehen liegt nicht drin. Da bin ich mir sicher. Die Last von allem drückt viel zu sehr auf mich drauf. Ich kann unter ihr knapp noch atmen.
Es ist, als würde mich das Wissen um Rileys Tod selbst töten wollen. Indem es mich immer weiter in das Bett drückt. Bis ich nicht mehr dagegen ankomme und zerbreche. In hundert, vielleicht tausend Teile.
Aber danach könnte ich sie wiedersehen. Wenn ich einfach selbst über die Regenbogenbrücke gehen würde.
Es klopft kein zweites Mal, doch dafür geht die Tür auf. Steve streckt den Kopf hinein. Mühsamst und unter größter Anstrengung drehe ich meinen Kopf von ihm weg.
Steve soll mich so nicht sehen. Nicht wenn ich mich auf mein Wiedersehen mit Riley vorbereite. Nicht wenn ich praktisch bewegungsunfähig in dem Bett liege und jede Bewegung viel zu anstrengend ist.
„Hey, Buck. Es gibt Frühstück", versucht Steve mich zu locken.
Doch ich reagiere nicht, schließe nur zur Hälfte meine Augen.
Essen? Jetzt? Wie soll ich das tun, wenn ich mich nicht einmal aufsetzen kann?
Schluckend bewege ich wenigstens meine Augen und senke sie ein wenig nach unten. Zu mehr fühle ich mich gerade nicht in der Lage.
„Bucky? Geht es dir nicht gut?", bemerkt Steve nun auch.
Ich zeige ihm keine offene Reaktion, aus dem simplen Grund, dass ich keine Kraft dazu habe. Zudem versteht Steve mich auch ohne Worte.
„Ist es wegen gestern? Betreffend dem, was gestern noch passiert ist?"
Ich schaffe gerade so ein weiteres Schlucken. Natürlich hat er über den Funk alles mitgehört. Warum dachte ich, ich müsste es ihm noch erklären?
Steve seufzt und ich höre ihn ein wenig näher treten. Jedoch bewege ich mich keinen Zentimeter. Nur meine Brust hebt und senkt sich leicht.
„Darf ich mich zu dir setzen?"
Mir geling ein Schulterzucken. Steve akzeptiert es und setzt sich neben mich auf das Bett. Mit seiner Hand fährt er mir durch die Haare. Ich akzeptiere es einfach nur. Aber ich sehe ihn nicht an.
„Wir können das Frühstück ausfallen lassen und es heute etwas lockerer angehen. Wir können hier bleiben und einen Film oder so schauen. Oder einfach nur im Bett liegen und uns gegenseitig Gesellschaft leisten", schlägt er vor.
Meine Antwort besteht aus einem Seufzen. In mir drin macht sich aber Erleichterung breit.
Steve akzeptiert es. Er steht mir bei und bleibt bei mir. Ich bin in seinen Augen nicht schwach.
Oder vielleicht doch? Wenn das alles nur Mitleid ist? Oder Scham, weil ich vor den anderen zusammengebrochen bin!
Schämt sich Steve für mich? Weil ich ein verdammtes Wrack bin? Weil ich ein Mann bin und trotzdem weine?
Ich bin ein Mann. Ich sollte stark sein und nicht heulen wie ein Kleinkind und in Depressionen verfallen! Ich sollte ein Stolz und ein starkes Beispiel für die Männer sein und nicht das.
Will mich Steve daran erinnern? Dass ich Verpflichtungen habe und mich an diese halten muss?
Ein Weichei, wie ich es bin, passt da nicht hinein. Dem sollte ich mir bewusst sein.
„Es tut mir leid. Ich weiß, wie erbärmlich ich bin", hauche ich leise auf Russisch.
Steve würde meine jämmerlichen Entschuldigungen nicht mit anhören wollen. Und trotzdem habe ich das Gefühl, ich müsste mich entschuldigen. Die Gabe, mehr als nur Englisch zu sprechen, kommt mir da einmal zurecht.
„Was hast du gesagt?"
„Es tut mir leid.", wiederhole ich, während mir eine einzelne Träne über den Augenrand kullert.
„Englisch Bucky, ich will dich verstehen können", wispert mir Steve zu.
Erschöpft schließe ich die Augen. Ich kann nicht mehr. Meine Energie ist aufgebraucht. Das Gewicht ist zu erdrückend. Ich will schlafen. Und wenn es gut läuft nicht mehr aufwachen.
„Es tut mir leid. Ich weiß, dass ich zu schwach bin", presse ich aus mir heraus.
Sofort rührt sich Steve und dreht mich zu sich um. Beine schmerzt es, meinen ausgelaugten Körper so stark zu bewegen.
„Nein Buck. Du bist nicht schwach. Ganz im Gegenteil. Du musst so viel Leid ertragen, hast so viele Schicksalsschläge hinter dir. Das zu verkraften, das hätte kaum einer geschafft. Aber du hast es ausgehalten. Du hast ausgeharrt und durchgehalten. Du hast dich durchgekämpft, Buck. Und dafür bewundere ich dich. Und du solltest stolz auf dich sein, für diese Leistung", widerspricht er mir.
Doch mir entkommt ein Schluchzen und ich schüttle den Kopf. Tränen rinnen vermehrt über meine Wangen. Ich wünsche mir, dass seine Worte wahr wären. Aber sie sind es nicht.
„Ich bin schwach Steve. Ich habe nicht ausgeharrt und auf bessere Zeiten gehofft. Ich habe nachgegeben und mich zur Waffe abrichten lassen. Ich habe hunderte Leben zerstört. Und ihres auch", weine ich.
Mein bester Freund seufzt und fährt mir tröstend durch die Haare. Nur dass es nicht tröstend wirkt. Nicht auf mich.
„Aber du bist stark Bucky. Du hast es getan um zu überleben. Ich habe auch getötet um zu überleben. Damals im Krieg. Du bist nicht schlechter als ich", beteuert er.
Schluchzend sehe ich zu ihm auf. Er lächelt mich sanft an und nickt bestätigend.
„Du hast überlebt. Das ist alles, was zählt."

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Hier wieder  ein neues Kapitel!

Übrigens wird es wieder eine Unterbrechung geben, da ich vom Lehrbetrieb aus an einer Willkommenswoche für die Neuen teilnehme. 
Eine ganze Woche ohne elektronische Geräte :)

Daher wird auch morgen nochmals ein Kapitel kommen, damit ihr wenigstens versorgt seid ^^
(Oder so)

Also genießt das Wochenende und bis morgen ;)

LG Jas_Barnes

Alpha - New MissionWhere stories live. Discover now