Kapitel 2: Der unsichtbare Freund

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Kapitel 2: Der unsichtbare Freund

Hermine rieb sich über die müden Augen. Die Sonne schien bereits in den Schlafsaal, sie, die direkt das Bett am Fenster hatte, wusste das sofort. Sie blickte auf ihre Uhr: „09:12" Uhr. Ach je, für ihre Verhältnisse hatte sie lang geschlafen. Sie richtete sich auf und sah hinaus. Obwohl das Fenster durch seine alte Machart von Metallstriemen durchzogen und kaum klar war, so konnte sie doch einen Adler ausmachen, der da draußen an dem Turm vorbei segelte. Es war schön, dass Hogwarts so viele Tiere hatte. Den Adler hatte sie schon oft gesehen und meinte fast zu wissen, dass es ein heimliches Maskottchen der Ravenclaws war.

Neun Uhr zwölf? Wann hatte sie das letzte Mal so lange geschlafen? Da fiel ihr ein gefaltetes Papier auf ihrem Nachttisch auf. Der Schlafsaal war leer, aber sie hörte irgendjemanden duschen. Also nahm Hermine das Papier, überprüfte es kurz auf einen Fluch, aber da war nichts. Sie zuckte die Schultern und öffnete sorglos, um gleich beim Inhalt Herzklopfen zu bekommen.

Glück ist das Erkennen, dass Unzufriedenheit allein nicht unser Lebensinhalt sein kann. Was uns schmerzt ist ein Leid, das so alt ist, wie der Mensch selbst: Die Liebe. Du wirst deine Leiden mit Schmerzen tragen können, oder aber mit leichter Belustigung über dich selbst, denn wem hilft es, wenn man sich sein Glück versagt? Das zu leben ist nicht immer möglich, aber wenn es dir möglich ist, dann tue es, denn sonst ist das Leben verwirkt.

Sonst stand nichts auf dem Zettel. Sie erinnerte sich an ihre gestrigen, niedergeschriebenen Worte. Es war eine Antwort. Ihr gefiel die Antwort, sie schien durchdacht. Und vor allem schien jemand sie ernst genommen zu haben. Sie rollte den Zettel zusammen und legte ihn in einen Nachtisch.

Glück ist Zufall.

Begann sie. Sie wollte zurück schreiben. Sie wusste, dass es Zauber gab, die Dinge einer Person zuzuordnen. Wenn einer ihren Zettel gefunden hatte, hätte er anhand eines Zaubers herausfinden können, dass sie ihn geschrieben hatte, aber das grenzte an schwarzer Magie. Andererseits gab es Zauber, die veranlassten, etwas zu einer Person zu führen, der dieses Etwas gehörte, ohne zu zeigen, welche diese Person war.

Ich habe über Deine Antwort nachgedacht. Wer bist du nur? Du hast vielleicht Recht, Glück ist sehr subjektiv, Glück kann nur von dem definiert werden, den es trifft, Glück wird nur erkannt, wenn es im Gegensatz zu Unzufriedenheit, zu Pech gestellt werden kann.
Ich finde, Glück ist für mich Deine Antwort. Wer bist du nur? Ich sollte mich gruseln, dass du weißt, wo du deinen Brief ablegen musstest, dass du überhaupt meine niedergeschriebenen Gedanken gelesen hast. Ich will wissen wer du bist. Sonst kann ich dir nicht mehr schreiben und sonst werde ich es einem Lehrer sagen, für meine eigene Sicherheit.

Hermine war den ganzen Schultag unruhig. Harry glaubte es sei wegen dem, was gestern passiert war. Aber es war wegen der Antwort. Sie hatte sie wieder aus dem Fenster in der Niesche fallen lassen und gehofft, dass es der richtige im Schnee fand.
Keiner der anderen sprach sie an. Sie sah in die Gesichter ihrer Mitschüler. Da war Neville, er lächelte, wie immer zurück, als sie ihn ansah, Luna, die verträumt in den Himmel sah, Robin, einer aus Ravenclaw, der in Verwandlung neben ihr saß, Thomas, Dinah, Rosannah, Ginny, Merry, Hannah, Dean, Sophie, Harry, Malfoy, Zabini, Jonathan, Anna, Linda, Lizzy, Ashley...nein, bei keinem konnte sie sich diese Worte vorstellen und doch, jeden sah sie in Gedanken ihren Zettel lesen und verstehen.

Severus hatte es nicht gewollt. Und doch, er hatte es gemacht, irgendwie hatte er es auch gewollt. Er wusste nicht, was über ihn gekommen war. Er hatte darüber nachgedacht, eine Antwort zu geben, er hatte sich selbst diese Frage über Hochmut und Demut oft gestellt und plötzlich hatte er zurück geschrieben und das Papier angewiesen, in den Schlafsaal der Mädchen in Gryffindor zu fliegen.

Er hatte sich lange nicht so dumm gefühlt, lange nicht so menschlich. Nun stand er draußen im Schnee und fand einen weiteren Zettel, eine Antwort. Severus hatte das nicht gewollt. Irgendetwas, was er lange nicht hatte verspüren wollen, kroch in ihm hoch: Scham.

Es tut mir leid, erschrecken wollte ich dich nicht. Ich komme mir nicht richtig vor, dir weiterhin zu schreiben, denn ich werde dir nicht verraten, wer ich bin. Aber ich kann mich dir zeigen.
Dieser Brief wird dir gebracht von einem Adler, dieser Adler bin ich. Du weißt, was ein Animagus ist. Irgendwann wirst du wissen wer ich bin. Ich werde es dir sagen.
Ich will dich nicht bei deinem Namen nennen, weil ich dich nie so kennen gelernt habe, wie du dich mit deinen Worten zeigst. Ich werde dich Rae nennen, es ist ein schottischer Name, er bedeutet Weise. Er passt zu dir.
Der Adler wird dich noch öfter besuchen kommen, wenn du dennoch zurück schreibst, dann ruf nach ihm.

Rae schrieb ihm zurück.

Wie denn, soll ich einen Adler rufen, wenn ich seinen Namen nicht kenne? Du verwirrst mich, aber ich werde dich Arn nennen. Arn heißt Adler. Du bist ein sehr schöner Animagus.
Ich weiß, dass das, was ich hier tue gefährlich ist und du weißt es auch. Ich komme mir vor, als sei die Idee, du könntest ein Spion sein, der mich versucht auszuhorchen, gar nicht so abwegig. Deswegen werde ich dir nur von mir schreiben. Nichts von dem, was mich umgibt. Nur, was meine Gedanken sind, nichts davon soll meine Umwelt betreffen, oder die die ich liebe.
Was solltest du als Spion damit machen? Aber als Freund könntest du mir nicht näher sein.

Neben der austregenden Situation des trimagischen Tourniers steht meine persönliche Welt Kopf. Ich habe das Gefühl, ich wäre verliebt, aber in wen? Ist es das alleinige jungendlich sein, mir zu wünschen, ich wäre nicht immer allein? Wenn ich Menschen begegne, dann sehe ich, dass sie mich bewundern, weil ich viel kann und weil ich es geschafft habe, gut auszusehen. Aber in mir drinnen fühle ich mich so menschlich, so schwach, manchmal so allein. Ich habe das Gefühl, keiner versteht, dass ich nur eine Frau, ein Mensch bin, die auch nur leben will.
Du wirst nicht verstehen, was ich meine, es ist auch besser so, denn ich weiß nicht, wer du bist. Erzähl mir mehr von dir. Ich will dich kennen lernen.

In Freundschaft, deine Rae

Hermine genoss die folgenden Wochen. Sie ging von Anfang an davon aus, dass ihr Brieffreund männlich war, warum auch immer. Vielleicht hatte sie einen guten Riecher?
Arn antwortete jedenfalls jedes Mal. Und kaum einen Tag später. Sie schaffte es, den Liebeskummer, oder was auch immer es war, mit Leichtigkeit zu überstehen, weil sie eben Arn hatte. Manchmal träumte sie Nachts davon, dass sich der Adler verwandeln würde. Sie fragte sich nur: Wer konnte es sein.
Harry fragte sie einmal warum sie so lächelte.
„Ich bin verliebt", antwortete sie, ohne sich selbst zuzuhören.
Auch er erzählte viel von sich. Dass er oft viel Gram und Hass verspürte, dass er damit zu kämpfen hatte, nicht in allem schlechtes zu sehen, wie er davon träumte in einer Welt zu leben, in der alles ruhig und friedlich verlief. Er erzählte, dass er das Leben nie geliebt hatte, dass er aber auch nie hatte verwerfen wollen. Er legte viel Wert auf ordentliche formulierungen und Hermine fragte sich, wer nur es ein konnte.

Was schon ist Glück?Where stories live. Discover now