Kapitel 6: Das sechste Schuljahr

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Die Ferien fanden ein Ende. Das sechste Schuljahr begann. Umbridge war nicht mehr an der Schule, aber trotzdem war es nicht weniger angespannt. Bei seiner Willkommensrede offenbarte Dubledore seine verkohlte Hand, Hermine fragte sich, ob wohl Hogwarts spürte, was für eine Zeit auf sie zukommen würde. Es war ein dunkler und kühler Herbst. Rae und Arn sahen sich nur noch wenig, sie hatten beide viel zu tun und irgendwie fanden sie keine Zeit, sich zu treffen. Wenn sie sich allein auf den Gängen begegneten, dann sahen sie sich kurz in die Augen und sprachen sich mit einer ungesehenen Berührung Beistand zu. Harry war total hinter Malfoy her, nachdem er den jungen Slytherin in Borgin & Burke's beobachtet hatte, kam er nicht mehr weg davon, dass er ein Todesser sein musste. Während Hermine versuchte zu verstehen, warum Harry so viel besser war als sie in Zaubertränke und sich beim Apparieren nicht zu zerspintern, versuchte Snape sich möglichst unauffällig als heimlicher Verbündeter vor Draco Malfoy zu zeigen und dabei nicht Dubledores Kopf abzureißen. Nach einer Unterrichtsstunde, in der die sechste Klasse, in der auch Potter war, entlassen wurde, bat er noch „Miss Granger", zu bleiben. Ihre Freunde warteten ungeduldig vor der Türe.
„Sie sollten sich das nächste Mal mehr anstrengen und nicht mit unglaublicher Langsamkeit glänzen", meckerte er, weil ihm ganz bewusst war, dass sie belauscht werden konnten.
„Ich bemühe mich, Sir", sagte sie ernst.
„Dann nehme ich an, liegt es wohl allein an ihrer Unfähigkeit, dass sie nichts Zustande bringen?", fragte er.
„Was wollen Sie mir damit sagen, Sir?", fragte sie irritiert. Sie fand nicht, dass sie schlechter war als die anderen, im Gegenteil, heute hatte sie sogar gegen Parkinson gewonnen.
„Nichts", er grinste sie böse an und schob über den Tisch ein Zettelchen Papier, welches sie heimlich entgegen nahm. „Aber strengen Sie sich an, wenn Sie die ZAGs bestehen wollen!"

Liebe Rae,
die Art dir diesen Brief zu überrechen war wohl weniger notwendig, aber doch deutlich zu amüsant, um sie zu unterlassen. Ich schreibe dir, weil ich nicht zulassen möchte, dass wir einander entfremden in einer Zeit, in der alles in Brüche gehen kann. Wir müssen über vieles reden, es gibt vieles, was euch verschwiegen wird, aber mitteilenswert ist.
Arn

Rae klopfte am gleichen Abend an seiner Tür.
„Habe ich richtig verstanden?", fragte Rae, sie hatte es sich wie früher auf seinem Sofa bequem gemacht und hielt mal wieder keine Minute ruhig, weil sie alles was er da erzählte so unglaubwürdig fand. „Snape soll Dumbledore umbringen, weil er Malfoy beschützen muss, und Malfoy muss seinen Vater beschützen, deswegen will er Dumbledore umbringen? Ist das nicht alles ein Bisschen...idiotisch?", fragte sie. Er mochte an ihr, dass sie es so gut auf den Punkt brachte.
„Schon", meinte er. „Aber so läuft das in kriminellen Strukturen."
„Und wessen Plan war das jetzt?", fragte sie.
„Dumbledores", sagte er.
„Oh Merlin", sie seuftzte. „Ich dachte der Direktor hätte was im Hirn."
„Naja, es ist auch der Plan des dunklen Lords. Was würdest du denn tun?", fragte er.
„Ich weiß nicht, jedenfalls nicht alle glauben lassen, du seist der mieseste Verräter, den die Welt je gesehen hätte", war ihre aufgebrachte Antwort.
„Das ist doch gerade Dumbledores Ziel", meinte er. „Severus Snape soll weiter als Spion arbeiten können."
„Ich verstehe schon", seufzte sie.
Nach einer Weile stand sie auf und ging zu seinen Bücherschränken. Das tat sie immer, wenn sie aufgebracht war. Die Buchrücken mussten irgendeine beruhigende Wirkung auf sie haben.
„Weißt du noch, als wir uns das erste Mal als Rae und Arn getroffen haben", fragte sie irgendwann und drehte sich zu ihm um.
„Ich erinnere mich noch gut daran. Es fühlte sich so falsch an", meinte er.
„Ja", stimmte sie zu. „Und doch richtig, weil wir ja nur Rae und Arn waren." Er nickte.
„Aber jetzt weiß ich nicht mehr", sagte sie. „Ich glaube, jetzt wo alles außer Fugen gerät, mag ich auch Snape."
„Rae", sagte er leise. Er stand auf und kam zu ihr, der da Tränen in den Augen glitzerten. Vorsichtig nahm er sie in den Arm. „Du weißt, dass das nicht möglich ist", flüsterte er. Er spürte ihr nicken.
„Wir haben uns eine Illusion geschaffen, die nur wegen unserer Stellung an der Schule geschaffen werden musste", sagte er. „Aber du hast recht, jetzt, wo alles außer Fugen gerät, ist es schwer noch zu sagen, wann wir wer sind."
„Was sollen wir machen?", fragte sie. Sie löste sich von ihm und sah verlegen auf den Boden. Sein Herz raste, und er wollte nicht wissen, wieso.
„Wollen wir weiter an dem Avadatrank arbeiten und reden?", fragte er etwas unbeholfen. Sie sah ihm seine Unsicherheit an und musste lächeln.
„Das klingt zumindest konstruktiver, als diese Gefühlsdusselei", behauptete sie.

„Und? Lässt du dich auch auf der Feier von Slughorn sehen?", fragte sie ihn gespannt. Sein genervtes Augenbrauenheben sagte alles.
„Hast du was gegen die Feier, oder gegen Slughorn?", fragte sie.
„Beides", murmelte er und machte sich eine kleine Notiz.
„Hm, hätte ich mir denken können", sagte sie und sah auf seine Notizten. Er kniffelte an den letzten Schritten des Avadatrankes.
„Du bist wirklich schlau, weißt du das?", meinte sie, während sie seine Krakeleien betrachtete.
„Ja", sagte er. „Aber es ist schön, daran erinnert zu werden." Sie verdrehte die Augen und stand auf. Es war einer der seltenen Abende, an denen sie beide Zeit gehabt hatten, sich zu treffen. Wenn er Zeit hatte, dann flog er in seiner Adlerform am Gryffindorturm vorbei und sie machte sich, wenn sie es sah, auf in die Kerker, um Arn zu besuchen.
„Ich werde jedenfalls hingehen", erzählte sie. Sie wusste, dass er nur mit halbem Ohr zuhörte. „Ich habe Cormac gefragt, ob er mit mir kommt, er hat ja gesagt", sie stöhnte. „Ich weiß wirklich nicht, was ich mir dabei gedacht habe."
„Dann geh doch einfach nicht hin", meinte er. Sie war überrascht, dass er doch zugehört hatte und grinste ihn dann an.
„Aber ich will Ron eifersüchtig machen."
„Dass du dir darüber so im Klaren bist, macht es noch viel zweifelhafter", erklärte er ruhig.
„Nein, ich denke, es zeugt von meiner gesunden Selbstreflexion", sagte sie.
„Gesund wäre es, ihn nicht eifersüchtig machen zu wollen, sondern zu überlegen, ob du wirklich einen haben willst, der dich ewig versetzt", sagte er skeptisch.
„Du bist gemein", sagte sie.
„Nur ehrlich", meinte er.
„Du bist Lilly auch immer hinterher gelaufen", behauptete sie stur. Er sah sie schweigend an. „Es tut mir leid", meinte sie. „Das war nicht fair."
„Das Leben ist nicht fair", sagte er, aber sie sah, dass er sich überwinden musste. „Ist schon okay, Rae. Aber ich bin Arn, Lilly ist ein Teil von Severus." Das war zwar wahr, aber Severus war Arn und das wussten sie beide, sie wollten es nicht wahr haben.
„Ich weiß nicht, was du an diesem Weaslyspross findest", bemerkte er dann. „Er ist ja nicht mal herausragend intelligent."
„Man muss nicht intelligent sein, um liebenswert zu sein", sagte sie.
„Aber man sollte intelligent sein, wenn man dir ebenbürtig sein möchte", erklärte er.
„Er ist nicht dumm", verteidigte sie ihren besten Freund. „Im Schach würde er gegen dich gewinnen."
„Aber du spielst nicht gerne Schach, Rae", sagte er und sie wusste, dass er recht hatte.
„Er ist trotzdem nicht dumm", sagte sie. „Er ist sehr zugewandt und kann auch sehr aufmerksam sein; wenn er von etwas fasziniert ist, das ist er oft, dann leuchtet er, als hätte man ihm das größte Geschenk auf Erden gemacht. Er hat so viel Energie und Freude, wenn ich bei ihm bin, denke ich, die ganze Welt sei irgendwie doch in Ordnung", erzählte sie. Arn sah nieder auf seine Notizen.
„Ich kann es ja nur nicht nachvollziehen", sagte er tonlos und wagte es nicht, sie anzusehen. Sein Herz tat ihm weh.


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