Kapitel 4: Das fünfte Schuljahr

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Das fünfte Schuljahr hatte begonnen.

„Hast du Angst, was die Zukunft bringt?", fragte Arn. Er spielte mit einer Hand in ihrem Haar, sie saß neben ihm auf dem dunkelroten Sofa.
„Manchmal, ja", sagte Rae. Sie sah in an, sein Seitenprofiel war schön, fand sie. Er hatte eine glatte Stirn und dann, kurz bevor sein Nasenrücken begann, tiefe Augenhöhlen. Die Nase war griechisch, oder römisch, sie hatte keine Ahnung, aber gebogen, wie der Schnabel eines Adlers. Sein Philtrum ging senkrecht hinunter, seine Lippen waren schmal und oft zusammengekniffen und sein Kinn war markant, ungewöhnlich spitz.
„Früher habe ich mir immer vorgestellt, dass ich einmal verheiratet sein werde, einen tollen Beruf habe und Kinder bekomme. Die Welt ist nicht so gut, wie ich mir als Kind erträumt habe. Ich weiß nicht, ob ich ein Kind in eine solche Welt setzten sollte. Nicht nur Zauberer wollen sie zerstören, auch Muggel entwickeln dafür großartige Technologien."
Arn lachte leise, lehnte seinen Kopf zurück und lächelte. „Ich verstehe dich", sagte er. „Ich wüsste es an deiner Stelle auch nicht."
„Und an deiner Stelle?", fragte sie.
„Ich glaube, ich habe keine Zukunft", endlich sah er sie an.
„Wer bist du gerade?", fragte sie verwirrt. Sie setzte sich auf und strich sich das Haar aus der Stirn.
„Wir haben beide keine Zukunft, Rae, weder Severus noch Arn", er lächelte. „Stirbt der eine, ist der andere auch tot."
„Ich will dich nicht sterben sehen", flüsterte sie traurig.
„Wen?", fragte er.
„Euch beide", die Tränen in ihren Augen gaben ihm einen tiefen Stich.

„Was tust du da?", fragte sie, als sie ihn arbeitend auffand.
„Erinnerst du dich, als du gesagt hast, wir müssen uns auf alles vorbereiten?", fragte Arn.
„Ja, ich glaube, das sage ich etwa jeden Tag", sie lächelte.
„Ich braue Tränke, die wir brauchen könnten. Und Gegengifte. Ich arbeite am Avada, ich will ihn mit einem Trank unwirksam machen. Man sollte quasi in eine Totenstarre fallen, durch den vorher genommenen Trank wird ein Gegengift aktiviert", erklärte er.
„Wenn das möglich ist, warum wurde dann nicht schon längst ein Gegenmittel entwickelt?", fragte Rae.
„Der Avada wurde erst in den 20er Jahren kreiert", er sah konzentriert auf sein Blatt. „Eigentlich, damit es eine möglichst schnelle Todesstrafe für Häftlinge geben konnte. Er war lange ein ministeriuminneres Geheimnis, aber er erwies sich offensichtlich, als so praktisch, dass auch irgendwann die Auroren davon Gebrauch machten. Während des zweiten Weltkrieges wurde es bevorzugt eingesetzt, auch gegen Gridelwalds Männer. Erst in den 40ern wurde er verboten und zu den unverzeihlichen Flüchen gezählt."
Sie stellte sich neben ihn und sah hinunter auf seine Notizen. „Dann war das Unheil schon gesäht", stellte sie fest.
„Genau", er sah auf zu ihr. Vorsichtig strich sie über seine Wange, sie war so weich. Seine Augen waren so dunkel, sie sah, wie er schlucken musste. Etwas rot im Gesicht, blickte sie wieder auf seine Schriften.
„Arn?", hauchte sie nach einer Weile. Sie sah im Augenwinkel, wie er seinen verträumten Blick etwas verlegen von ihr nahm.
„Ja?", fragte er und räusperte sich. Sie grinste ihn an.
„Ich glaube du hast hier einen Rechenfehler."

„Heute machen wir mal, was ich will", beschloss Rae, die sich zum Glück noch gerade so vor Umbridge verstecken und in das Heim ihres Freundes einkehren konnte.
„Macht dir das brauen und rechnen etwa keinen Spaß mehr", er grinste sie schief an.
„Doch, aber wir brauchen eine Pause davon", endschied sie.
„Was schwebt dir vor?", fragte er.
„Wir haben nicht viele Möglichkeiten, aber vielleicht können wir was malen", überlegte sie.
„Malen? Du malst?", fragte er.
„Nicht besonders gut, aber gerne", erklärte sie. „Ich würde dich gerne malen sehen, ich wüsste gerne, wie du zeichnest."
„Das mache ich nicht", sagte er.
„Wieso nicht?", fragte sie.
„Weil ich nicht malen kann", gab er kund.
„Das glaube ich nicht", meinte sie.
„Du kannst glauben, was du willst, Rae", antwortete er.
„Dann probier es doch wenigstens aus", sagte sie.
„Hab ich."
„Wie lang ist das her?", kritisch sah sie ihn an. Er nahm Abstand von dem Kessel, in dem gerade etwas brutzelte und kam zu ihr an die Tür.
„Zu lange, um neu damit anzufangen", sagte er und lächelte leicht, als ihre Augenbrauen sich zusammen zogen.
„Das ist eine dumme Ausrede", erklärte sie.
Er schwieg kurz und sah sie einfach nur an. „Leider hast du Recht", gab er dann zu.
„Ich weiß", beteuerte sie selbstsicher.
„Wir könnten was backen", sagte er dann.
„Du backst?", fragte sie überrascht.
„Manchmal, nein, eher selten. Aber ganz gerne. Meine Mutter hat es mir beigebracht, wenn mein Vater nicht zuhause war. Dann hat sie mich bei der Hand genommen, auf die Kücheninsel gesetzt und mir gesagt, dass ich kneten muss", er schwelgte in Erinnerung.
Rae war kurz irritiert, weil er die Erinnerung von Professor Snape und ihm gleichermaßen aufrief.
„Das klingt schön", sagte sie dann.
„Du bist glaube ich zu groß für die Kücheninsel", meinte er.
„Wir können es drauf ankommen lassen", sie lachte.

Es war außergewöhnlich, fand Hermine als sie gerade im Unterricht von Professor Snape runter geputzt wurde, dass sie in solchen Fällen ganz klar zwischen ihrem Lehrer und Arn unterscheiden konnte. Wenn sie den einen sah, dann dachte sie schon auch an den anderen, sie wusste es ja, aber es war, als würde er ein ganz anderer Mensch sein. Vielleicht, weil sie nie über sein Lehrerdasein sprachen, sondern nur über das von Snape. Vielleicht weil sie wusste, dass er sie mochte, obwohl er im Unterricht genau das Gegenteil vorspielte. Jedenfalls belastete sie es weniger, als sie sich je hätte erdenken können.
„Boah, Hermine, du musstest heute aber ganz schön was einstecken", sagte Ron, als Professor Snape den Unterricht mit einem wütenden knurren als beendet erklärt hatte. Sie befanden sich auf dem Weg zu den Gewächshäusern.
„Ich weiß auch nicht, nur irgendwie hatte er heute wohl besonders miese Laune. Er ist eben eine Grummelfledermaus", lachte sie und es bereitete ihr Spaß, so über ihn herzuziehen.
„Was?", fragte Ron erschrocken, aber lachte. „Wenn er das zu hören bekommt, ist er eine rauchende Grummelfledermaus."
Was fühlte sie dabei, sich mit ihren Freunden über ihn zu ärgern? Da war keine Scham, keine Sorge Arn zu verletzten, Arn war ein Freund, aber Snape war eben ihr sozial völlig hiernamputierter Lehrer.

Arn schrie sie nicht gerne an. Er sah ihr an, dass es ihr viel weniger ausmachte, als früher, bevor sie ihn kannte. Aber er schrie sie trotzdem nicht gerne an, weil das hieß, dass er sie mit Gewalt behandelte und auch wenn es nicht Rae war, die er anschrie, sondern Miss Granger, so wollte er ihr nicht mit Gewalt begegnen. Sie war einer der wenigen Menschen, denen er jegliche Gewalt abnehmen würde, damit sie es nicht selbst erleiden müssten. Aber irgendwie kam es dazu, dass es nur Sinn ergab, sie anzuschreien, sie zu beschimpfen, wenn er es auch bei ihren Mitschülern tat. Er hatte überlegt, ob er damit aufhören sollte, aber er würde nicht, denn das könnte auffallen.
Also war er ein anderer, wenn er Severus war und auch sie wurde automatisch zu einer anderen, wenn sie Hermine war.

Harry wollte ins Ministerium um Sirius zu retten. „Tatze ist in Gefahr", meinte er und Professor Snape schien nicht zu verstehen, was er meinte. Aber Arn verstand es, er eilte so schnell es ging zum Orden und benachrichtigte ihn.


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