#24 Schreib mir

99 10 10
                                    

Milan

Warum zur Hölle war ich in einem Krankenhaus? Was ist passiert? Ich war doch eben erst in Levins Auto gestiegen. Hatten wir einen Unfall? Entweder man hatte mir starke Schmerzmittel gegeben oder ich war unverletzt.

Mein Blick schweifte sofort zur Tür, als diese sich öffnete. Levin nippte genüsslich an seinem Becher, der sehr wahrscheinlich mit Kaffee gefüllt war. Die blonden Haare standen in alle Richtungen ab.

„Schmeckt es?", interessierte ich mich grinsend, als er sich hinsetzte. „Du denkst, dass Kaffee in einem Krankenhaus schmeckt? Man sollte den Arzt fragen, ob du nicht wirklich eine Gehirnerschütterung hast", gab Levin frech zurück. „Bevor du solche dämlichen Nachfragen machst, solltest du mir mal verraten, warum ich hier bin", pampte ich. „Dir wurden K.O Tropfen verabreicht", erzählte er mir.

Ungläubig schaute ich ihn an, aber an seinem Gesichtsausdruck merkte ich, dass er es ernst meinte. Es war schon einiges schräges in meinem Leben passiert, aber die Aktion wanderte wohl auf Platz eins. Mir war nicht klar, was man damit bei mir bewirken wollte.

Auf einmal stieg Panik in mir auf. Man hätte alles mit mir machen können. Ich hätte mich noch nichtmal wehren können. Meine Erinnerung waren komplett weg, wodurch ich nichtmal gewusst hätte, was passiert war.

„Milan, atme tief ein", vernahm ich Levins Stimme leise. „Nicht einhalten, ausatmen", legte er federleicht eine Hand auf meinen Arm. „Ganz ruhig. Einatmen", begleitete der blondhaarige meine Atmung weiter.

Seine Stimme wurde in meinem Kopf immer lauter. Mein Brustkorb hob sich unregelmäßig, aber Levin versuchte weiter mir zu helfen. Es benötigte mehrere Anläufe, bis ich kaum noch auf ihn hören musste. Meine Lungen verlangten nach dem Sauerstoff, welchen ich ihnen schwermütig zuführte.

Krampfhaft versuchte ich mich an die vergangenen Stunden zu erinnern, aber ich hatte keine Chance. Es war wie ein schwarzes Loch. Meine Augen kniff ich zusammen, da ich die Hoffnung hatte, dass es helfen würde. Noch immer nichts.

„Wenn es dir nichts ausmacht, gebe ich dem Arzt bescheid, dass du wach bist. Dann kann er erneut deine Tante benachrichtigen", stand Levin auf. „Erneut?", hakte ich nach. „Sie wollte erst hier hin kommen, wenn du wach bist. Schönheitsschlaf oder so", zuckte er zum Ende hin mit den Schultern. „Kommst du danach wieder?", fragte ich leise nach, was er bejahte.

Grinsend wuschelte er mir durch die Haare, bevor er das Zimmer verließ. Für mich wäre es ein Wunder gewesen, wenn Maria bereits im Krankenhaus gewesen wäre. So etwas würde sie nur bei Niklas machen. Innerlich bereitete ich mich schon darauf vor, wie sie mich im Auto zusammenfalten würde.

Kurz spielte ich mit dem Gedanken aus dem Krankenhaus abzuhauen. Da man mich sowieso finden würde, verwarf ich die Idee sofort. Mit meinem Pech würde man mich noch auf dem Flur erwischen. Spätestens, als Levin den Raum betrat, konnte ich es vergessen. Lächelnd setzte er sich zu mir, wobei er seine Hand auf meinen Arm ablegte.

„Deine Tante kommt circa in einer halben Stunde", informierte Levin mich. „Habe ich irgendwas dummes gemacht?", fragte ich schüchtern nach. „Nein, du hattest Glück, dass wir fast die ganze Zeit bei dir waren", ließ er mich wissen. „Es tut mir so leid, dass ich den Abend versaut habe. Du musst auch nicht hier bleiben", entschuldigte ich mich. „Du hast gar nichts versaut. Zusätzlich konntest du auch nichts dafür. Ich bin gerne hier und bleibe, bis du entlassen wirst", versicherte der blondhaarige mir.

Es wäre unverschämt gewesen, wenn ich gefragt hätte, ob er noch länger bleiben würde. Ohne darüber nachzudenken, griff ich nach seiner Hand, welche ich dankbar drückte. Ich traute mich noch nichtmal ihm in die Augen zu schauen.

Wenn er, Dawn und Brandon nicht gewesen wären, wäre sonst etwas mit mir passiert. Ich wollte es mir erst gar nicht ausmalen, was es hätte sein können. Mein Blick lag auf unseren Händen, bis ich meinen Kopf wegdrehte. Stumme Tränen rollten über meine Wangen. Levins Daumen streichelte über meinen Handrücken.

„Danke, dass ihr euch um mich gekümmert habt", wisperte ich. „Das war selbstverständlich. Wir hätten dich niemals bewusstlos dort liegen lassen", antwortete Levin, wobei ich Reue heraushörte. „Ich werde dich nicht mehr alleine lassen", murmelte er so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob ich es richtig verstanden hatte.

Wenn ich es richtig verstanden hatte, wusste ich nicht, was genau er meinte. Bereits vor zwei Jahren haben wir selten ein Wort miteinander gewechselt. Wir hatten nie etwas miteinander zutun, was ansatzweise mit dem Heute zu vergleichen war.

Da meine Tränen zügig getrocknet waren, traute ich mich ihn anzuschauen. Ein zerbrochenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Mir war unklar, was mit ihm los war. Levin schien in Erinnerungen zu schwelgen, welche nicht positiv zu sein schienen. Leider konnte mir darüber keinen weiteren Kopf machen, da die Tür aufgerissen wurde.

„Milan", keifte Maria. „Tut mir leid, dass du wegen mir hier her fahren musstest", senkte ich meinen Blick. „Das sollte es auch. Ich werde jetzt die Papiere zur Entlassung unterschreiben und dann unten auf dich warten", informierte sie mich, bevor sie die Tür zu knallte. „Heilige Scheiße", stieß Levin ungläubig aus.

Geistesabwesend nickte ich nur. Maria hatte Levin noch nichtmal bemerkt, ansonsten hätte sie anders reagiert. Sie hätte Fürsorge, die noch nie existiert hatte, vorgespielt. Das Zimmer wurde von einem Arzt betreten, welcher mir die Nadel, der Infusion, zog und ein Pflaster auf die Einstichstelle klebte. Bis zu diesem Moment hatte ich gemerkt, dass überhaupt eine Nadel in meinem Arm gesteckt hatte.

„Ich begleite dich noch mit runter", legte Levin sachte einen Arm um meine Schulter. „Brauchst du nicht", antwortete ich. „Aber ich werde es. Alleine schon, weil ich ebenfalls vorm Gebäude geparkt habe", ließ er mich wissen. „Lust mich zu entführen?", grinste ich, was er durch den Spiegel im Aufzug sah. „Liebend gerne, aber nein. Ich muss Dawn gleich erstmal Bericht erstatten, dass er dir soweit gut geht", lehnte er ab. „Wenn du mich entführst, wäre ich dein lebender Beweis", gab ich ihm zu denken. „Wann anders", vertröstete er mich.

Das war wohl eine ziemlich nette Abfuhr, die trotzdem weh tat. Levin hatte noch immer nicht seinen Arm von meinen Schultern genommen, als wir in das Foyer, des Krankenhaus, traten. Bevor wir durch die Drehtür liefen, blieb ich stehen und hielt Levin an seinem Pullover fest.

Überrascht schaute er zu mir hinab, aber ich ignorierte es, als ich meine Arme um seinen Oberkörper legte. Zögerlich legte er seine ebenfalls um mich, wobei er mich schließlich an sich drückte. So eine Umarmung hatte ich nötig, bevor ich zu Maria ins Auto steigen würde.

„Wenn was ist, schreibst du mir", nuschelte Levin gegen meine Haare. „Du weißt, dass das niemals passieren wird", erinnerte ich ihn. „Ich weiß, aber ich möchte, dass dir bewusst ist, dass du mir schreiben kannst, wenn etwas ist", erklärte er. „Danke", wisperte ich.

„Schreib mir."

Warme SommernächteTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang