#64 Nicht der 1. April

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Milan

Unsicher wippte Dawn von dem einem auf das andere Bein, als wir darauf warteten, dass Brandon oder seine Mutter uns aufmachten. Als wir vor wenigen Sekunden geklingelt hatten, war ihr bewusst geworden, dass sie keinen Rückzieher mehr machen konnte. Freudig öffnete mein bester Freund die Tür und bat uns sofort rein. Anscheinend hatte Dawn ihm keinen Grund genannt, warum wir hier waren.

Während ich es mir auf dem Boden angelehnt an den Kleiderschrank bequem machte, setzte Brandon sich auf seinen Drehstuhl und Dawn aufs Bett. Nervös spielte sie mit dem Saum ihres hellblauen Shirts herum. Mein bester Freund schien gar nicht zu merken, dass seiner Freundin etwas auf dem Herzen lag.

„Wir müssen reden", setzte Dawn schließlich an. „Machst du mit mir Schluss?", fürchtete mein bester Freund direkt. „Nein, aber du vielleicht", Tränen rollten ihr über die Wangen. „Komm her, kleine", breitete Brandon seine Arme aus.

Dawn zögerte keine Sekunde, um aufzustehen und sich auf seinen Schoß zu setzen. Sachte küsste er sie auf die Wange. Ich merkte, dass eine Gewisse Panik in seiner Körpersprache mitschwang. Er wusste nämlich nicht, wohin er mit seinen Händen sollte.

„Was ist los?", fragte Brandon leise nach, was ich kaum verstand. „Wir haben ein Problem", sagte sie nur. „Und welches? Wir haben uns doch nicht gestritten. Oder habe ich etwas falsch gemacht?", wollte der braunhaarige wissen.

Vorsichtig legte sie eine seiner Hände auf ihren Bauch. Brandon streichelte nur darüber, da er sich anscheinend keinen weiteren Gedanken machte. Ihr Lächeln war nur schwach, aber es war vorhanden. Mit einem Nicken verständigte ich ihr, dass sie es ihm sagen sollte.

„Hast du deine Tage?", fragte Brandon nur auf ihre Geste hin. „Nein, schlimmer", antwortete Dawn. „Was ist denn noch schlimmer?", hakte mein bester Freund verwirrt nach. „Teilt ihr euch in dem Thema ein Gehirnzelle?", schaute sie abwechselnd zwischen mir und Brandon her. „Kann sein", zuckte ich mit den Schultern.

Brandon schien zu verstehen, worauf seine Freundin hinaus wollte. Mehrfach blinzelnd schaute er auf seine Hand, welche noch immer auf Dawn Bauch lag. Das Streicheln stoppte er abrupt, was die blondhaarige die Lippen aufeinander pressen ließ. Ich schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln, denn die Körperhaltung meines besten Freundes entspannte sich. Als er seine zweite Hand auf Dawns Bauch ablegte, fing sie ebenfalls an zu lächeln.

„Wievielte Woche?", fragte Brandon unsicher nach, wobei ihm Tränen über die Wangen kullerten. „Sechste, aber warum weinst du?", wollte Dawn besorgt wissen, wobei sie ihm die Tränen wegwischte. „Vor Freude. Du möchtest es behalten, oder?", prüfte mein bester Freund nach, wodurch die blondhaarige nickte.

Die Freude der beiden war wunderschön. Ich bezweifelte stark, dass Brandon mit siebzehn Vater werden wollte, aber er sträubte sich nicht gegen die Rolle. Seine Reaktion war zum Glück nicht so gewesen, wie Dawn es sich in ihren Horrorszenarien vorgestellt hatte. Es war die beste, die passieren konnte.

„Und du wusstest es vor mir?", fragte Brandon mich. „Ich wurde bestochen", wehrte ich mich sofort. „Sei ihm nicht böse", bat Dawn ihn. „Apfelsaft?", hakte mein bester Freund nach, wodurch ich schuldbewusst nickte. „Ganz unfaires Mittel, aber auch sehr effektiv", stellte er grinsend fest.

Erleichtert atmete ich aus, denn er schien nicht auf mich sauer zu sein. Vorsichtig zog Brandon seine Freundin noch näher an sich, wodurch sie ihre Beine in den Schneidersitz zog. So glücklich hatte ich ihn noch nie gesehen. Sein Lächeln war warmherzig und voller Liebe.

„Wissen deine Eltern es schon?", fragte Brandon nach, wobei er ihr eine Haarsträhne hinters Ohr legte. „Nein, aber ich wollte es ihnen heute Abend erzählen", meinte Dawn. „Soll ich dabei sein?", wollte er wissen. „Nein. Ich weiß nicht, wie Levin reagieren wird. Je nach Reaktion möchte ich erstmal auf ihn einreden", erklärte sie, wodurch der braunhaarige nickte. „Ich bin auch noch da, um ihn ruhig zu halten", erinnerte ich.

Ich wusste nicht, ob Dawn mehr Angst vor Brandons oder Levins Reaktion hatte. Die ihres Bruders konnte ich leider schlecht einschätzen, aber ich würde mein bestes tun, um beide zu unterstützen. Für meinen Freund war ich in gewisser Hinsicht ein Ruhepunkt, zumal ich ihn mit einfachen Berührungen still bekam. Auf einmal holte Brandon mich aus meinen Gedanken, da er nach seiner Mutter rief. Dawn boxte ihm aus irgendeinem Grund, den ich nicht mitbekommen hatte, grinsend gegen die Brust.

„Braucht ihr etwas?", fragte Lilly, als sie das Zimmer betrat. „Nein, aber du wirst Oma", haute Brandon raus ohne mit der Wimper zu zucken. „Für den ersten April bist du ein bisschen spät", brachte sie unbeeindruckt hervor. „Warte, du meinst das ernst?", kam es schließlich, nachdem Brandon seine Augenbrauen verwirrt angehoben hatte.

Mit dem Rücken lehnte Lilly sich geschockt gegen den Türrahmen, wobei sie sich die Hand gegen die Stirn hielt. Sonderlich begeistert sah sie nicht aus, zumal sie mit ihrem Kopf schüttelte. Dawn sah nun auch ein wenig verängstigt aus, da wahrscheinlich die Reaktion von Brandons Eltern gar nicht eingerechnet hatte.

„Einerseits freue ich mich, aber wie oft habe ich dir gesagt, dass du finanziell abgesichert sein solltest, bevor du jemanden schwängerst?", wollte Lilly wissen.

Brandons Mutter war kurz vor ihrem sechzehnten Lebensjahr mit ihm schwanger geworden. Sie und Merlin hatten anfangs finanzielle Probleme gehabt, da sie wenig Unterstützung erhalten hatte. Lilly konnte sich keine Arbeit suchen, da niemand auf Brandon aufpassen konnte. Merlin hatte in dem Bereich mehr Glück gehabt, da er zügig eine Ausbildungsstelle gefunden hatte, aber er hatte dadurch weniger Zeit für seine Frau und sein Kind.

„Oft genug, aber es war nicht mit Absicht. Ich werde das Schuljahr fertig machen und mir dann einen Job suchen. Habe ich halt kein Abitur, sondern nur einen normalen Abschluss. Du kannst uns gerne unterstützen oder es lassen", sprach Brandon seine Gedanken aus. „Wir werden nochmal darüber reden, aber ich unterstütze euch", beschloss Lilly schließlich. „Danke", kam es leise von Dawn. „Gerne. Milan, können wir kurz reden?", fragte Brandons Mutter mich.

Verwundert nickte ich und stand auf, um ihr zu folgen. In der Küche setzte ich mich an den Tisch und wartete darauf, dass sie mir verriet, was sie von mir wollte. Ein wenig Gedankenverloren stellte sie mir einen Apfelsaft vor die Nase und selbst gebackene Kekse. Seufzend ließ sie sich gegenüber von mir nieder.

„Brandon hat mir erzählt, was mit dir passiert ist. Wie gehts es dir?", fragte sie mich. „Ganz in Ordnung. Meine Handgelenke tun ab und zu noch weh, aber es geht", antwortete ich. „Wenn es dir schlecht gehen sollte, kannst du jederzeit hierher kommen. Egal, ob physisch oder psychisch", erinnerte Lilly mich. „Danke. Mittlerweile habe ich ja noch jemand anderes bei dem ich hin kann", meinte ich mit einem dankbaren Lächeln. „Du bist mit dem Bruder von Dawn zusammen, oder?", hakte sie prüfend nach, was ich bejahte. „Ihr könnt zumindest nicht schwanger werden", schnaubte sie ein wenig belustigt.

Grinsend nickte ich, denn um diesen Fakt war ich froh. Ich konnte mir niemals vorstellen schwanger zu sein, unabhängig davon, dass das bei Männern nicht funktionierte. Der Gedanke, was das für Schmerzen bei der Geburt wären, ließ mir schon einen unangenehmen Schauer über den Rücken laufen. Wahrscheinlich konnte ich das mit keinem der Schmerzen, die ich bisher erlebt hatte, vergleichen.

Warme SommernächteWhere stories live. Discover now