Kapitel 3

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„Geben Sies zu, Sie haben mich nur mitgenommen, um einen guten Eindruck bei Ihrem Boss zu hinterlassen.", sprach Johnny mich nach einer Weile an.
„Wie kommen Sie darauf?", fragte ich ihn verwirrt.
„Ach kommen Sie, warum sollte ich sonst mit Ihnen hier sein?", gab er leicht lachend zurück.
„Vielleicht, weil ich Sie nett finde und ich auch mal nicht alleine auf einer Weihnachtsfeier auftauchen wollte.", sagte ich leicht bedrückt. Über mein privates Liebesleben gab es tatsächlich nichts Spannendes zu erzählen. Mein Ex hat mich vor vier Jahren verlassen, nachdem wir drei Jahre zusammen waren und davon ein halbes Jahr verlobt. Dies passierte ebenfalls zur Weihnachtszeit, sprich, war diese Weihnacht die schlimmste von all denen, die ich bisher hatte.
„Also gibt es aktuell keinem, mit dem Sie das hier teilen können", fragte mich Johnny und deutete kurz mit seiner Hand in die Menge, um mir damit anzudeuten, dass er die Firma und auch die dazugehörige Weihnachtsfeier meinte.
„Bis auf meinen Kater Niklaus eigentlich niemanden.", antwortete ich mit der Schulter zuckend.
„Oh, das tut mir leid. Ich wollte Sie nicht...", begann Johnny sich zu entschuldigen, doch ich viel ihm ins Wort.
„Nein, schon gut. Das konnten Sie ja nicht wissen."

Aus der Ferne sah ich wie mein Boss auf uns zulief und erstmal heftig blinzeln musste. Womöglich konnte er, wie ich es vorausgesehen hatte, nicht fassen, dass Johnny Depp mit mir hier sei. Bevor er mich oder ihn auch begrüßte sprach er, was er womöglich eher zu sich selbst sagen wollte, es aber etwas zu laut tat:
„Das macht die Sache jetzt etwas komplizierter... Hallo Audrey, schön, dass Sie es bei dem Wetter doch noch rechtzeitig geschafft haben."
„Tja wissen Sie, Thomas, ich hatte etwas Hilfe", sagte ich grinsend und schaute kurz in Johnnys Richtung, der meinen Blick erwiderte. Er streckte Thomas seine Hand zu und stellte sich vor:
„Schön Sie kennenzulernen, ich bin Johnny."
„Thomas Brixton, freut mich sehr.", schüttelte er Johnnys Hand und wandte sich mir zu.
„Audrey unser Gast ist, offenbar wegen des Schneesturms, noch nicht eingetroffen, es wäre aber, denke ich, am besten, bevor dieser eintrifft, dass Sie sich von ihrer Begleitung leider wieder verabschieden müssen. Immerhin sind wir eine Agentur mit privater Veranstaltung und kein roter Teppich." Er lachte einen kurzen Augenblick und ich schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen etwas verwirrt an. Dann beugte er sich zu mir vor und flüsterte mir zu:
„Verstehen Sie das nicht falsch, aber ich möchte diesen besonderen Kunden nicht verlieren. Es geht hier um unsere Zukunft. Die der Agentur."
Offenbar bemerkte Johnny, dass mein Boss ein kleines Problem damit hegte, dass ich ihn hierhergebracht hatte.
„Ich werde nicht lange bleiben, Sir.", sprach Johnny entschlossen und grinste mich dabei an. Ich flüsterte ihm ein kleines „Tut mir leid" zu. Thomas, mein Boss wandte sich grinsend, erst zu mir und dann nickend zu Johnny um und verließ die kleine Konversation, um weiter Gäste zu begrüßen, die eben zur Tür hineinkamen.

„Das ist mir wirklich sehr unangenehm. Thomas ist manchmal, was das angeht, ziemlich direkt.", erklärte ich Johnny verlegen, als er sich mir wieder näherte.
„Schon in Ordnung. Sie tragen keine Schuld", raunte er sanft. Es raubte mir irgendwie den Atem, wie verständnisvoll, höflich, elegant und umwerfend gutaussehend er zu ein und derselben Zeit sein konnte. Und seine rauchige Stimme dazu brachten meine Gedanken in eine völlig andere Welt. Ich spürte, wie meine Wangen begangen rot zu werden. Bevor er es bemerken konnte und ich noch roter wurde, wie eine Tomate, fragte ich ihm nach einem Drink und lief zu einer Bar, die für unsere Feier aufgebaut wurde und bestellte zweimal heißen Eierpunsch in schicken Weihnachtstassen.

Ich reichte ihm die Tasse, worauf er sich höflich bedankte und wir tranken vorsichtig einen Schluck.
„Ich würde gerne etwas von ihrer kreativen Seite sehen", sprach mich Johnny an, nachdem wir schweigend und Punsch schlürfend in die Menge blickten und dabei beobachten konnten, wie uns die anderen Gäste anstarrten und immer wieder in leise und flüsternde Gespräche gingen. Ich realisierte zuerst gar nicht, was er von mir verlangte. Beinahe hatte ich mich an meinem Punsch verschluckt, nachdem er mich lächelnd mit dem Finger an meiner Schulter angetippt hatte.
„Entschuldigung, ich war in Gedanken."
„Sie sind wohl diese ganze Aufmerksamkeit nicht gewohnt.", gab er lächelnd zurück und deutete auf die Menschen, die uns ständig beobachteten.
„Nein, nicht wirklich... Ist es schwer? Immer dieses Anstarren von Leuten und alle kennen einen?", fragte ich, da ich tatsächlich neugierig war, wie es wohl sein muss, berühmt zu sein.
„Am Anfang war es durchaus komisch und unangenehm, aber mit den Jahren habe ich gelernt damit umzugehen. Es wird irgendwann zur Gewohnheit, dass dich ständig Kameras verfolgen.", erklärte er mir ehrlich.
Ich nickte als Antwort verständnisvoll und überlegte nochmal, wonach er mich eigentlich gefragt hatte. Dann deutete ich mit meiner Tasse in der Hand auf ein Kunstwerk, das an einer Wand hing. Es zeigte eine halb nackte Frau, die im Stil einer alten griechischen Statue gezeichnet worden war. Um sie herum waren dunkelrote Rosen gezeichnet und es schien, als würde sie im Wasser stehen. Die Frau präsentierte ihre Schönheit, indem sie ihre Hände spielerisch in ihren Haaren versteckte und ihre Augen geschlossen hielt. Dabei schien sie fast loszulachen, denn ihre Lippen waren zu einem wirklich wunderschönen Lächeln geformt.
„Haben Sie das gezeichnet?", fragte mich Johnny verwundert und zog überrascht seine Augenbrauen hoch. Ich nickte freudig und sah seine Begeisterung an seinen Gesichtszügen. Er strahlte so, als hätte er wie ein kleiner Junge den Weihnachtsmann zum ersten Mal gesehen. Langsam trat er dem Bild näher und betrachtete es genauer.
„Sie ist wunderschön.", gab er mit einem träumerischen Blick zu. Ich bedankte mich bei ihm und blickte ebenfalls auf das Bild und dabei immer noch nicht fassen, dass ich sie gezeichnet hatte. Sie war wirklich wunderschön. Nicht umsonst hatte ich sie Aphrodite genannt, Göttin der Schönheit.

„Ich würde gerne mehr von Ihrer Kunst sehen, wenn ich darf.", bat mich Johnny freundlich immer noch auf das Bild blickend.
„Da habe ich leider nur noch ein paar Entwürfe und einfache Skizzen in meinem Büro. Es sind noch lange nicht solche Kunstwerke wie das hier." Ich deutete auf das Bild, doch Johnny schien das wenig zu interessieren, denn er würde dennoch gerne meine anderen Werke sehen wollen. Also machte ich mich mit dem Schauspieler auf den Weg in mein Büro. Freudig öffnete ich die Tür und bat ihn herein.
„Wow. Als Sie Büro meinten, hatte ich nicht an sowas gedacht. Das sieht eher wie ein Kunstatelier aus.", fiel es Johnny aus dem Mund, als er mein Büro betrat. Er hatte recht. Es sah wirklich nicht aus, wie in einem normalen Büro. An den Fenstern standen Staffeleien auf den Skizzen aufgestellt waren. Auf meinem Schreibtisch waren Entwürfe für Magazinen und Flyer. So wie auch viele Stifte, die auf dem Tisch, neben einem großen Computer mit einem Tablett daneben, lagen. Das Ganze wurde noch mit großen grünen Pflanzen geschmückt, sodass eine angenehme Atmosphäre herrschte. An den Wänden hingen ebenfalls Werke von mir und eine Pinnwand mit Entwürfen und Notizen zu meinem neuesten Auftrag.

Johnny sah sich neugierig um und betrachtete alles genauer und nickte mal bei einem Bild oder gab ein „oh" oder „mhm" von sich. Es sah wirklich erstaunlich aus, wie dieser Schauspieler meine Werke betrachtete. Johnny blieb bei besonders einem Bild sehr hängen und nahm dieses sogar in die Hand. Es war eine Skizze eines Mannes, der gekrümmt auf einem Boden saß und Tränen in den Augen hatte. Um ihn herum hatte ich Glasscherben gezeichnet. Es war ein Entwurf zu einem Auftrag, der für mich aber leider ins Wasser fiel. Der Kunde meinte, dass es für sein Thema viel zu brutal dargestellt war, sodass er sich für den Entwurf meines Kollegen entschieden hatte. Johnnys fröhliches Gesicht verwandelte sich in Betrübtheit und irgendwas verriet mir, dass er etwas persönliches mit diesem Bild verbunden hatte.
„Alles in Ordnung?", fragte ich ihn und lief langsam auf ihn zu. Er hatte mich womöglich nicht gehört, denn er starrte immer noch auf das Bild.
„Johnny?", fragte ich vorsichtig und er schüttelte kurz seinen Kopf und legte das Bild zurück. Nervös begann er an seinen Fingern herumzupulen und schaute mich lächelnd an.
„Tut mir leid, das Bild... Es hat mich an etwas erinnert.", begann er zu erzählen und schaute seine Finger an. Er trat einen Schritt näher auf mich zu und streckte mir seine Hand hin.
„Ein Unfall... eine Whisky-Flasche ist mir auf den Finger gefallen und meine Kuppe wurde abgetrennt. Ich hab mich wohl in dem Bild etwas wiedererkannt. Da hat nur noch das Blut auf der Hand gefehlt." Bei dem letzen Satz gab er ein Lächeln von sich, da er das offenbar als Spaß gemeint hatte.
„Das muss schmerzhaft gewesen sein", sagte ich verständnisvoll und sah mir die Narbe seines Fingers an. Ich fühlte, wie warm seine Hand war und wie er offenbar zitterte. Er zog sie verlegen zurück und lächelte wieder.
„Normalerweise bestimmt.", gab er zurück.
„Ach es tat gar nicht weh?"
„Zumindest nicht am Finger. Der Schmerz saß eher hier", antwortete er und tippte kurz mit seinem Finger auf seine Brust.
„Oje die Brust hat es auch erwischt?" Johnny schüttelte den Kopf.
„So hab ich das nicht gemeint. Es war eher ein psychischer Schmerz." Er blickte immer noch leicht traurig und sah sich wieder in meinem Büro um. Ich merkte, dass da noch mehr dahintersteckte, als er mir aktuell schon zugetraut hatte.
„Das war gar kein Unfall, oder?", fragte ich Johnny vorsichtig. Er nickte als Antwort.
„Jemand, der mir mal viel bedeutet hat, warf diese Flasche in meine Richtung", erklärte er und ich merkte deutlich, dass ihm das Thema wirklich fertig machte.
„Johnny, das tut mir wirklich leid."Ich legte vorsichtig meine Hand auf seinem Oberarm ab und er streichelte sie sanft, woraufhin ich sie wieder schnell zu mir zog.
„Ich denke, wir sollten wieder zurück, nicht wenn euer wichtiger Gast zurückkommt.", stellte Johnny fest und ich stimmte ihm zu, sodass wir wieder zurück zur eigentlichen Veranstaltung gingen.

Mistletoe ~ eine weihnachtliche Fan-Fiktion-Kurzgeschichte Donde viven las historias. Descúbrelo ahora