Kapitel 4

34 3 2
                                    

Thomas stand breit grinsend mit einem Sektglas in der einen und einer Kuchengabel in der anderen Hand und gab uns ein Zeichen, sodass alle augenblicklich ruhiger wurden.

„Begrüßen Sie bitte unseren heutigen Gast. Eine wirklich bedeutende Kundin, die mich mit ihrer Geschichte wirklich gepackt hat, sodass ich schlecht nein sagen konnte. Ladies und Gentleman: Amber Heard!" Eine blonde wirklich hübsche Frau trat aus der Menge hervor mit einem Champagner Glas in der Hand und bedankte sich bei meinem Boss. „Danke, dass ich hier sein darf, Thomas", zwinkerte sie ihm zu. Ach, sie sind also schon per du? Das ging ja schnell. Natürlich kannte ich diese Dame mit dem silbernen Kleid, die breitgrinsend erklärte, dass sie wegen des Schneesturms erst jetzt erschien. Sie war Johnys Ex-Frau, die ihm auch vorgeworfen hatte, er habe sie geschlagen und misshandelt. Ich dachte kurz an unser Gespräch im Büro zurück und hatte jetzt erst realisiert, was Johnny mir eigentlich Vertrauensvolles erzählt hatte.

„Ich würde gerne mit Ihnen gemeinsam ein Buch herausbringen, worüber ich von meiner schweren Vergangenheit berichte und den Leuten die Wahrheit zeigen will.", sprach sie beeindruckend und voller Entschlossenheit. Sie setze ein für mich sehr gespieltes Lächeln auf und klammerte sich an ihrem Champagner-Glass fest, dabei blickte sie in die Menge der Leute, ließ ihren Blick zu mir hinübergleiten und stockte auch dabei. Ihr gerade noch freudiges Gesicht verwandelte sich ziemlich schnell in einen schockierenden und leicht wütenden Gesichtsausdruck. Womöglich hatte sie Johnny gesehen, der ihr aber keines Blickes würdigte. Er sah eher die Gemälde an und schlürfte an seinem Weinglas. Als hätte Johnny gemerkt, dass er angestarrt wurde, drehte er sich zu mir um und flüsterte mir zu:
„Bitte entschuldigen Sie mich." Damit verschwand er in Richtung Ausgang und ging nach draußen in die Kälte. Ich schaute ihm verständnisvoll hinterher und überlegte noch, ihm zu folgen, doch ich wurde von der Stimme meines Chefs aufgehalten.Er lief mit Amber an seiner Seite auf mich zu und lächelte so breit wie noch nie zuvor.

„Danke, dass Sie meinem Rat gefolgt sind, Audrey. Darf ich Ihnen Amber vorstellen, ihre neue Kundin. Sie würde gerne das Cover sowohl einige Illustrationen mit ihnen bearbeiten. Sie war begeistert von ihrem Werk der Venus", erklärte mir Thomas und ich konnte meinen Ohren nicht trauen, was er mir gerade erzählt hatte. Meine neue Kundin? Illustrieren? Was genau sollte ich denn bitte bei ihr illustrieren? Wenns sie von mir verlangte, irgendwelche Gewaltszenen darzustellen, hatte sie sich aber gewaltig geirrt.
Ich lächelte gespielt zurück und sagte höflich: „Entschuldigen Sie mich für einen kurzen Augenblick." Noch bevor ich mich umdrehen wollte, um ebenfalls nach draußen zu gehen, zeigte ich auf mein Kunstwerk und fügte noch gespielt lächelnd hinzu:
„Ach ja, dieses Werk, sie heißt Aphrodite, nicht Venus. Das ist ein großer Unterschied."

Ich hörte, wie mich Schritte verfolgten und mich eine Hand an meinem Oberarm packte. Geschockt drehte ich mich um und blickte in die wütenden blauen Augen meines Bosses.
„Hör zu, wenn du jetzt zu diesem Schauspieler rennst und du mich mit ihr hier stehen lässt, kannst du diesen Auftrag vergessen. Ich kenne ihre Geschichte und es schockiert mich zutiefst, dass du überhaupt mit diesem Mann hier auftauchst.", ermahnte er mich mit einem wütenden Ton. Ich riss mich aus seinem Griff und gab wütend zurück:
„Dann kennst du seine Geschichte nicht.Dieser Auftrag ist mir sowieso egal. Eigentlich ist mir diese ganze Arbeit hier egal."
„Wenn dem so ist, dann brauchst du auch zukünftig nicht mehr durch diese Türe kommen.", drohte er mir mit erhobenem Zeigefinger.
„Oh doch, das werde ich. Und zwar wenn ich meine Kündigung persönlich auf deinem Schreibtisch legen werde." Mit diesen Worten drehte ich mich von Thomas weg und lief zum Ausgang der Agentur. Wut durchströmte mich und ich konnte nicht fassen, was ich gerade getan hatte. Ich hatte gekündigt und irgendwie hat es sich gut angefühlt.

Als ich die Tür öffnete, sah ich Johnny wie er an einer Säule gelehnt war, in die Ferne blickte und an einer Zigarette zog. Er bemerkte mich erst, als die Türe wieder ins Schloss fiel, und schaute in meine Richtung. Ein Lächeln zeigte sich mir, doch diesmal, war es nicht so freudig wie sonst auch.
„Tut mir unendlich leid. Hätte ich gewusst, dass sie diese neue Kundin ist, hätte ich Sie niemals hierhergeschleppt.", sagte ich entschuldigend und lief auf ihn zu.
„Gehen Sie lieber wieder rein. Schließlich hängt ihre Karriere davon ab", sagte Johnny verständnisvoll.
„Geht leider nicht. Ich habe gekündigt.", gab ich verlegen zu. Dabei blickte in seine schönen dunkelbraunen Augen und erkannte, dass sie mit Tränen gefüllt waren. Hatte er etwa geweint?
„Alles in Ordnung bei Ihnen?", fragte ich ihn schaute ihn mitfühlend an.
„Ja, machen Sie sich um mich keine Sorgen.", sagte er leicht traurig und begann wieder an seinen Fingern herumzupulen.
Dann wurde mir alles klar. Johnnys Reaktion auf mein Bild, der Unfall mit der Whisky-Flasche, das schnelle Verschwinden, nachdem er seine Ex sah. Ich konnte nun eins und eins zusammenzählen. Er wirkte genauso bedrückt wie vorhin in meinem Büro.
„Sie war das, oder? Mit Ihrem Finger...", stellte ich vorsichtig fest und deutete auf seine Hand. Er nickte, ohne mich dabei anzusehen.
„Eigentlich ist sie mir vollkommen egal. Das muss wohl am Alkohol liegen, der mich so emotional macht", erklärte er lächeln und zeigte mir sein leeres Weinglas.
Er näherte sich mir langsam, sodass er beinahe einen halben Meter vor mir stand.
„Wissen Sie, Sie haben mich inspiriert. Ihre Kunstwerke und diese Gefühle, die dort zu sehen waren. Wirklich beeindruckend." Er zog an seiner Zigarette und fuhr fort:
„Ich würde das auch gerne tun. Ich zeichne eigentlich schon mein ganzes Leben und würde der Welt gerne meine Kunst zeigen. Aber vielleicht kann ich etwas Hilfe von einer Fachfrau gebrauchen." Er grinste mich an, schaute auf mich herab und zog wieder an seiner Zigarette. Ich verstand natürlich sofort, was er gemeint hatte.
„Sie machen Scherze", gab ich darauf lachend zu. Er schüttelte grinsend den Kopf und kam mir noch näher, als er es eben schon war.
„Natürlich würden Sie ein gutes Gehalt bekommen und ich schränke Sie auch in keiner Weise bei ihrer Arbeit ein." Den Blick auf mich gerichtet nahm er den letzen Zug seiner Zigarette und warf den Stummel daraufhin auf den Boden. Dann trat er plötzlich so nah an mich heran, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte.
„Also was ist, nehmen Sie den Auftrag an?", sagte er spielerisch grinsend und nahm vorsichtig eine Strähne meines Haares in seine Finger.
„Wie könnte ich zu so einem Angebot überhaupt nein sagen", meinte ich lächelnd.
„Tut mir leid, aber ich glaube, ich hätte den Wein vorhin nicht so schnell trinken dürfen.", sagte Johnny grinsend und blickte auf meine Lippen. Seine Wangen wurden etwas rot. Mein Herz klopfte wie wild. Warum kam er mir plötzlich so nah?
„Ich sollte George anrufen, nicht wenn ich noch etwas mache, was ich später vielleicht bereuen könnte.", sagte er etwas leiser mit seiner noch rauchigeren klingenden Stimme.
„Und das wäre was genau?", gab ich leicht verführerisch zurück, da es mir vorkam, als würde er sich jeden Moment zu mir vorbeugen und mich küssen, so nah war er mir.
„Das wissen Sie ganz genau", raunte er mit seiner tiefen Stimme und deutete mit seinen Augen nach oben.
„Ein Mistelzweig.", stellte ich lächelnd fest. Johnny sah mir wieder in die Augen und sein Blick wanderte auf meine Lippen. Dann griff er mein Gesicht und zog es an seines heran. Ich schloss meine Augen und ließ mich in den wundervollsten Kuss fallen, den ich je hatte.

Mistletoe ~ eine weihnachtliche Fan-Fiktion-Kurzgeschichte Donde viven las historias. Descúbrelo ahora