4/Nutella zum Abendessen

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Elena

„Okay Windeln haben wir, Feuchttücher auch, fehlt nur noch die Anfangsmilch... Aber wo genau finden wir die denn?"

Ungeschickt steuere ich den Kinderwagen durch den Supermarkt. Niemand hat mir gesagt, wie anstrengend das Einkaufen mit einem Säugling werden kann. Dazu ist es in diesem Laden unerträglich heiß, was meine Stimmung natürlich noch etwas weiter in Richtung Tiefpunkt sinken lässt. Ich versuche eine meiner schwitzigen dunkelblonden Haarsträhnen aus meinem Sichtfeld zu pusten, aber sie klebt sich hartnäckig an meinem Gesicht fest. Energisch streiche ich sie mit der linken Hand davon.

Ich werde komisch angeschaut. Vielleicht, weil ich so fertig aussehe, was dem fehlenden Schlaf der letzten fünf Tage geschuldet ist. Womöglich bilde ich mir das aber auch nur ein. Alles, was ich mir jetzt wünsche ist eine kalte Dusche und danach vierzehn Stunden Schlaf, mindestens.

Fred wird wach. Wie auf Kommando fängt er zu schreien an.

Warum denn ausgerechnet jetzt?

Ich parke den Kinderwagen neben dem Regal, in dem es Nudeln und Fertigsoßen gibt, dann hebe ich den Kleinen vorsichtig heraus.

Immer daran denken dem Kleinen dabei den Kopf zu stützen, Elena!

Nachdem Fred sicher in meinen Armen liegt, rieche ich den Grund seines Brüllkonzertes. Ein ziemlich penetrantes Parfum, das er da trägt...

Mittlerweile werde ich von anderen Kunden angestarrt. Eine alte Oma mit Krückstock schüttelt verständnislos mit dem Kopf, als sie meine Versuche sieht, Fred etwas zu beruhigen, dann geht sie leise schimpfend von dannen.

„Die Mütter von heute...", höre ich ein paar ihrer gesprochenen Wortfetzen. „Damals haben wir... einfach brüllen lassen..."

Ich mache mich so klein wie möglich und gehe so schnell es mir mit Fred auf dem einen Arm und der Wickeltasche in der anderen Hand möglich ist, in Richtung der Toiletten.

Können die sich nicht um ihren eigenen Kram kümmern?

Mittlerweile stehen mir die Tränen in den Augen, was Fred natürlich dazu veranlasst nur noch lauter zu schreien. Sein Kopf ist mittlerweile röter als eine Tomate.

Er muss sich unbedingt beruhigen, dass kann doch nicht gesund sein.

„Shhh... Shhh", versuche ich es mit beruhigenden Lauten, während ich ihm die Windel wechsele.

Schließlich nuckelt der Kleine zufrieden an der Flasche mit Milch, die ich zuhause für ihn vorbereitet habe. Für den Moment ist er zufrieden. Wir sollten den Einkauf so schnell wie möglich fortsetzen und dann nach Hause gehen. Ein zweites Mal will ich mich nicht wieder vor den anderen Kunden zum Gespött machen. Dringend wohin müsste ich auch einmal, was sich auf öffentlichen Toiletten mit Säugling im Kinderwagen als eine große Herausforderung darstellt.

Außerdem muss Fred in die Wiege, damit auch ich mich zumindest ein paar Minuten, vielleicht auch Stunden ausruhen kann.

Aber vorher will ich doch noch unbedingt bei meinem Lieblingsbäcker vorbei.

Ein Stück Apfelkuchen wäre jetzt genau das Richtige, um meine strapazierten Nerven etwas zu beruhigen.

Ich zahle die Windeln und die Feuchttücher, um die Milch werde ich mich morgen kümmern. Eine ganze Packung ist noch zuhause, was ganz sicher für die Nacht reichen wird.

„Ein hübsches Baby, das sie da haben", meint die Verkäuferin an der Kasse und strahlt in Richtung Fred, der jetzt satt und friedlich im Kinderwagen liegt und schlummert.

„Danke", sage ich und versuche mich an einem Lächeln. Es kommt nicht so rüber, wie erhofft, was mir einen mitleidigen Blick einkassiert.

„Die ersten Wochen können sehr hart sein", sagt sie verstehend. „Ich spreche da aus eigener Erfahrung."

Ich nicke nur und packe dann den Einkauf in das Netz, oder wie auch immer man das nennt, unten im Kinderwagen.

Warum meinen alle plötzlich, dass sie mir Ratschläge geben können? Nur, weil ich jetzt Fred habe? Vorher hat sich doch auch keiner um mein Wohlbefinden geschert.

Gut, dass mich der Heimweg direkt an meinem Lieblingsbäcker vorbei führt. Einen Umweg wäre mir der Apfelkuchen dann doch nicht wert gewesen.

„Wegen Trauerfall geschlossen", lese ich, als ich vor der Eingangstür zur Bäckerei stehe und auf den Zettel starre, der dort angebracht worden ist. Sachte schiebe ich den Kinderwagen vor und zurück, damit Fred nicht gleich wieder aufwacht.

Dann gibt es eben ein paar Löffel Nutella zum Abendessen!

Ich ignoriere die Tränen, die mir erneut in die Augen steigen, als ich meine Beine und den Kinderwagen wieder in Bewegung setze.

Ich denke ein Besuch meiner besten Freundin, Nadia, wäre jetzt mehr als angebracht.

Schlaf wird doch sowieso komplett überbewertet. 

Zumindest, wenn man noch jung ist!

Spuren deiner LiebeWhere stories live. Discover now