Kapitel 4

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Leah

Ich lag auf dem Bauch in meinem Bett. Mein Gesicht lag halb auf dem Kissen und die Decke hing halb über meinen Hüften. Eigentlich war ich wach. Schon lange. Aber ich stand nicht auf. Stattdessen starrte ich auf den Wecker, der auf meinem Nachttisch stand und sah zu, wie sich die Zeiger drehten.
Am Vorabend hatte ich mit Newt geschrieben. Es war Wochenende und ich hatte gehofft, dass wir uns endlich wieder länger als nur ein oder zwei Stunden sehen konnten und mal wieder etwas zusammen unternehmen konnten, ohne dass er vom Training redete oder mit den Gedanken ganz woanders war und nur körperlich anwesend war, bis er wie ein Irrer zum Training rauschte. Also hatte ich ihn einfach gefragt. Allerdings hatte er wieder abgelehnt. Und es war nicht schwer zu erkennen gewesen, dass er genervt gewesen war. Also hatte ich das Handy einfach weggelegt und ihn in Ruhe gelassen.
Es war unfair. Immer wenn ich wegen irgendetwas Stress hatte, es mir nicht gut ging oder Derartiges, bestand er darauf mir zu helfen und aufzusammeln, was ich ihm aus meinem Herz schüttelte. Aber wenn mit ihm einmal etwas nicht stimmte oder er gestresst war, gönnte er mir kein Wort. Und wenn ich mal wusste, dass etwas nicht stimmte und auf ihn zu ging, schlug er alles ab, was ich ihm an Hilfe anbot und wies mich wie vor ein paar Tagen zurecht, dass ich mich nicht in Dinge einmischen sollte, die mich nichts angingen.
Vielleicht hatte er ja recht und irgendwie konnte ich ihn ja auch verstehen...aber er war mein Freund, er lag mir am Herzen, also ging es mich doch sehr wohl etwas an, wenn etwas mit ihm nicht stimmte...oder?

Vielleicht hatte es ja einen tiefliegenderen Grund, dass er sich so sehr aufs Footballspielen konzentrierte und sich immer mehr von mir entfernte. Vielleicht war ich ihm nicht gut genug? Vielleicht konnte ich mit dem, was ihm meine Vorgängerinnen gegeben hatten, nicht mithalten und es reichte ihm nicht?
Ich presste die Lippen aufeinander und verfestigte meinen Griff um das Kissen. Wahrscheinlich hatte er einfach keine Lust sich mit jemandem zu befassen, der sich täglich in Selbstmitleid ertränkte und anders war als es die anderen waren. Auch wenn er immer wieder bestritt, dass es ihm etwas ausmachte, dass ich mich nach unserem kurzzeitigen Umzug und all dem, was in den Monaten passiert war, die wir wieder auf der alten Schule verbracht hatten, erst wieder aufbauen musste, hatte ich mehr und mehr das Gefühl, dass das nicht stimmte. Ich ging ihm mit meinen Problemen auf die Nerven, während er selbst nicht genug Vertrauen zu mir hatte, um mir zu erzählen, mit welchem Fuß er am Morgen zuerst aufgestanden war.
Ich hatte mich anfangs darauf fixiert, aber es konnte nicht nur am Footballspiel liegen.

Nachdem ich noch eine ganze Weile so da gelegen hatte, zugehört hatte, wie Dad durch das Haus getigert und dann gegangen war und mir Gedanken gemacht hatte, stand ich schließlich endlich auf. Ich schlurfte runter in die Küche und setzte mir Tee auf.
Wie ich so vor dem Wasserkocher stand und ihn anstarrte, als könnte ich damit bezwecken, dass das Wasser schneller kochte, kam auch meine Schwester nach unten.
Ich sah auf und sah, wie Rose mit gesenktem Kopf die Hand vom Treppengeländer fallen ließ und in Richtung Küche trottete. "Hey, guten Morgen." sagte ich. "Was ist denn los?"
"Ben hat abgesagt." antwortete sie kurz angebunden und ließ sich auf einen der Stühle an den Tisch fallen.
"Was? Aber er hat dir doch das Wochenende veraprochen."
"Ja und eben hat er mir geschrieben, dass am Wochenende Training ist und wir das verschieben müssen." erwiderte Rose.
Ich biss mir auf die Lippe. Dass es meiner Schwester mit Ben ähnlich erging wie mit Newt, machte mich noch trauriger. "Möchtest du auch einen Tee?"
Sie nickte stumm.
Ich machte also zwei Tassen Tee fertig und setzte mich anschließend zu ihr an den Tisch. "Tut mir leid wegen eurem Wochenende."
Sie zuckte mit den Schultern. "Ist schon gut. Am Freitag ist das Spiel, sie müssen eben trainieren."
"Naja schon, aber das tun sie jeden Tag, sie verbringen jede freie Minute mit diesem dämlichen Training und alles andere existiert in ihrer Welt überhaupt nicht mehr. Ich kann ja verstehen, dass sie trainieren müssen, aber ist es wirklich so schlimm wenigstens am Wochenende mal einen einzigen Tag lang was anderes zu machen?"
"Scheinbar schon." murmelte meine Schwester.
Ich wärmte meine Hände an meiner Tasse. "Newt weist mich seit Tagen nur noch ab. Wenn er mal hier ist dann haben wir wenn es hoch kommt eine Stunde zusammen, in der er vom Training redet und ich Glück habe, wenn ich neben ihm einschlafen und wieder aufwachen kann. Und wenn ich nachfrage, weil ich sehe, dass er gestresst ist oder versuche, ihm zu helfen so wie wir es den einen Nachmittag gemacht haben, dann ist er sauer." Ich seufzte leise. "Langsam hab ich das Gefühl, dass es ihn überhaupt nicht interessiert. Er reagiert total genervt, wenn ich ihn frage, ob wir was unternehmen und sobald ich die Absage bekommen habe, ist das Gespräch zu Ende."
Rose nippte an ihrem Tee. "Ben wirkt meistens eher verzweifelt, wenn er absagen muss. Er beklagt sich immer, wie gerne er doch zusagen würde, doch er könnte ja nicht. Wenn er es aber doch so gerne will, warum tut er es dann nicht einfach? Ich versteh es nicht. Und noch weniger verstehe ich, dass sie uns Versprechungen machen und uns jedes Mal wieder enttäuschen."
Ich nickte. "Ja..."

Zum Frühstücken hatten wir beide keine Lust. Stattdessen tranken wir weiter unseren Tee und redeten. So konnte jede rauslassen, wie sie sich fühlte und es war bemerkbar, dass es sowohl meiner Schwester als auch mir besser dadurch ging.
"Weißt du was, ich habe eine Idee." sagte Rose schließlich. "Wenn wir sowieso das ganze Wochenende allein sind, dann lass uns ein Filmwochenende machen. So wie früher, Filme sehen, uns mit Popcorn, Chips und was wir sonst noch finden, vollstopfen, Kissenschlacht und über Gott und die Welt ablästern."
Ich lächelte. Die Idee gefiel mir. "Klingt toll!" Wenn keiner Zeit hatte, das Wochenende mit uns zu verbringen, warum sollten wir uns dann nicht einfach unter uns ein schönes Wochenende machen?

Also war das nach hinten los gegangene Wochenende einigermaßen gerettet. Beginnen tat es mit einer kleinen Einkaufstour, dann wurde alles schön fertig gemacht, das Zimmer hergerichtet und bequem gemacht, alles bereit gestellt und dann schauten wir uns Filme an. Es war genau wie früher, wenn wir Ferien gehabt hatten und Dad nicht da gewesen war. Wir machten es uns bequem und hatten einfach unseren Spaß, egal, wie blöd es vorher gelaufen war.
Und auch wenn mir von all den Süßigkeiten und dem Lachen am Sonntagabend ein wenig der Bauch wehtat, konnte ich mit einem etwas besseren Gefühl ins Bett gehen. Es ging mir besser, aber es tat nach wie vor weh. Wenn Newt sich auf das Training konzentrieren wollte, dann sollte er das eben tun, dann würde ich eben aufhören ihn zu belästigen oder zu stören und ihm bis zum Spiel einfach aus dem Weg gehen. Das schien ja offenbar das zu sein, was er wollte.

Abschluss mit den Maze Runners (Abgebrochen)Where stories live. Discover now