Kapitel 24

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Leah

Drei Tage später und Rose hatte noch immer das überglückliche Strahlen im Gesicht. Ben hatte keinen Aufstand gemacht und trotzdem hatte sie einen tollen Tag bekommen. Ich freute mich riesig für sie, denn es hatte ihr sehr gut getan. Was uns allen allerdings weniger gut tat, waren die Lehrer, die es für notwendig hielten, schon jetzt allen mit den Abschlussprüfungen auf den Keks zu gehen. Dabei hatte das Schuljahr gerade erst angefangen, wir befanden uns noch im ersten Halbjahr, wir hatten mehr als genug Zeit. Trotzdem fing jeder Lehrer wieder damit an, ganz egal, was für Hausaufgaben wieder nicht gemacht worden waren oder was auch immer.

Als ich das Rührei auf meinem Teller hin und her schob, das einfach nicht weniger werden wollte, obwohl ich schon satt war und fleißig gegessen hatte, spürte ich deutlich, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte. Ich war hundemüde, als hätte ich die ganze Nacht nicht geschlafen, dabei war das definitiv nicht der Fall, denn ich hatte geschlafen, sehr gut sogar. Trotzdem war ich total kaputt, meine Knie waren weich und trotz der Tatsache, dass ich einen warmen Pulli trug, war mir kalt.
Dad war wie jeden Morgen ins Büro gefahren und Rose war in ihrem Zimmer damit beschäftigt, ihre Tasche zu packen und etwas für ein Referat auszudrucken, weshalb sie auch ihr Frühstück mit nach oben genommen hatte.
Ich kaute den Bissen, den ich bereits im Mund hatte noch auf, dann stellte ich den Teller hinter mir auf die Arbeitsplatte. Mit der Zunge fuhr ich über meine Zähne, während ich runter auf meine Füße schaute und einen Moment inne hielt. Wenige Sekunden und ich nahm die Beine in die Hand und rannte nach oben. Ich schubste die Badezimmer mit dem Fuß hinter mir zu und konnte mich gerade noch rechtzeitig vor der Toilette auf die Knie werfen, bevor ich mich übergab. Ein furchtbares Gefühl.
Ich wartete, bis mein Magen seinen Inhalt wieder her gegeben hatte und drückte dann so schnell wie nur irgend möglich die Spülung und lehnte mich auf den Klodeckel, nachdem ich ihn runter geklappt hatte. Ich rieb mir die Stirn und wartete, bis sich die Kloschüssel nicht mehr vor meinen Augen drehte, ehe ich aufstand und das kalte Wasser aufdrehte, um mir den Mund auszuspülen und mir das Gesicht zu kühlen. Der bittere Geschmack ließ gleich erneut Übelkeit in mir aufsteigen und ich griff zur Zahnbürste, um ihn endlich loszuwerden. Anschließend wusch ich mir noch einmal das Gesicht und fuhr ein paarmal mit der Bürste durch meine Haare. Alles in Ordnung.

Ein paar Minuten später saßen Rose und ich im Bus. Rose saß neben Zart und unterhielt sich lachend mit ihm. Gegenüber von ihnen saßen Newt und ich, ich sah auf meine Hände, während er aus dem Fenster schaute. Vom Gespräch bekam ich überhaupt nichts mit. Das Geschaukel vom Bus tat meinem Magen nicht gut und in den Kurven wurde mir ganz schwindelig. Erst die Stimme meiner Schwester riss mich aus meinem Halbschlaf. "Leah? Hey, Leah, ich rede mit dir!"
Ich zuckte zusammen und blinzelte eilig, um sie dann anzusehen. "Hm? Oh äh entschuldige, ich hab kurz nicht zugehört."
Rose runzelte die Stirn. "Das Referat. Die beiden größeren Unterpunkte können wir machen."
Ach ja, das Referat. Ich nickte. "Achso, ja klar, kein Problem."
Meine Schwester verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. "Was ist los mit dir, heute Nacht schlecht geschlafen?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein nein, alles gut." Das letzte, was wir brauchen konnten, war jetzt sowas.

Allerdings merkte ich im Unterricht, wie anstrengend es war, zuzuhören. Ich war hundemüde, mein Kopf begann zu dröhnen und mein Körper schwankte zwischen schwitzen und frieren hin und her. Trotzdem gab ich mir Mühe.
In der Pause packte ich alles, was ich nicht brauchte, in meinen Spint, um das Gewicht meiner Tasche so niedrig wie möglich zu halten. Ich hatte schon jetzt die Nase voll, ich konnte nicht mehr, ich hätte im Stehen einschlafen können. Bevor ich allerdings zu weit in meinem Wunschdenken versinken konnte, wurde vor meiner Nase die Spinttür geschlossen wurde, sodass ich mir um ein Haar die Finger geklemmt hätte. Ich fuhr herum und dann blieb mir fast das Herz stehen. Kyle. Zusammen mit seinen beiden besten Freunden.
Ich schluckte und sah mich panisch nach allen Seiten um, doch es war niemand in der Nähe, der mir in irgendeiner Form hätte helfen können.
Kyle grinste. "Na hallo, meine Kleine. Siehst ja echt scheiße aus." Er kam noch einen Schritt näher, den ich rückwärts erwiderte, sodass mein Rücken auf den Spint traf. "Du und deine Schwester, ihr wartet auf was. Oder habt ihr es etwa vergessen, hm?"
Ich schüttelte den Kopf. Wie bitte hätte ich das vergessen können? Ich schlief teilweise ganze Nächte nicht.
"Sehr schön. Also pass auf, Süße, ich sag es dir nur einmal. Die Facharbeit für Geschichte. Ich hab besseres zutun, als mich mit einem einsfünfzig großen Österreicher zu beschäftigen, der ein paar Leute geduscht hat, wir verstehen uns? Bis Montag hast du also was zu tun. Und wenn du mir meine Facharbeit bringst, bring deine Schwester mit. Dann werdet ihr erfahren, was ihr für uns tun sollt. Kapiert?"
Oh mein Gott. Montag. Er wollte, dass ich seine Facharbeit schrieb. Ich musste meine eigene noch fertig machen. Und ich konnte sie nicht einfach zweimal ausdrucken, es würde auffallen, wenn zwei Arbeiten komplett identisch waren. Ich spürte, wie der Schweiß in meinem Nacken perlte. Wieder nickte ich nur, da mir die Luft zum Atmen im Hals stecken blieb.
Das Grinsen auf Kyles Gesicht wurde breiter und seine Freunde hinter ihm lachten gefällig. "Gut." Er lehnte den Unterarm über meinen Kopf an den Spint und beugte sich so nah zu mir, dass seine Nase fast gegen meine stieß. "Montag, erste Pause, draußen hinter der Halle. Ich freu mich schon."
Als er zu lachen anfing, stieß sein Atem in mein Gesicht, dann drückte er sich ab und zog zusammen mit den anderen beiden von Dannen.
Ich stützte die Hände neben meinem Körper gegen die Spinttür hinter mir. Ich konnte meinen eigenen Herzschlag hören und das Blut rauschte in meinen Ohren.
Schritte waren auf dem glatten Boden zu hören und kaum hatten sie mich erreicht, hörte ich die dazugehörigen Stimmen. Meine Schwester, Newt, Ben, Teresa und Thomas.
"Leah." hechelte meine Schwester, wobei mir ihre Stimmlage verriet, dass ihr der Vorfall nicht entgangen war. "Leah, hey, was ist los?"
"Du bist ja ganz blass, was hast du denn, Kleine?" fragte Thomas.
Ich schluckte wieder und hielt den Blick starr auf einen Punkt gerichtet, der eigentlich überhaupt nicht existierte. "Ich glaub, ich kipp um." murmelte ich heiser. Und das stimmte sogar. Meine Knie wurden weich, mir verschwamm alles vor Augen und ich verlor den Halt.
"Hey hey hey, nein, das tust du nicht." Newt trat näher an mich heran und legte den Arm um meine Hüfte, woraufhin ich gegen seinen Körper sackte. Sein anderer Arm legte sich um meine Knie und er hob mich auf seine Arme. "Okay."
"Bring sie dort zur Bank, da kannst du sie hinlegen." sagte Rose und Newt setzte sich in Bewegung. Kurz darauf fand ich mich auf der Bank wieder. Rose saß an der Ecke an meinem Kopf und strich mir die Haare aus der Stirn. Meine arme Schwester. Eigentlich hatte ich ihr sowas ersparen wollen und jetzt musste sie sich doch Sorgen machen. Newt ging neben mir in die Hocke und verschränkte die Finger mit meinen auf meinem Bauch. Teresa hatte sich an meine Füße gesetzt und hielt diese leicht hoch.
"Was ist denn los?" wollte sie wissen.
Ich spürte eine Hand auf meiner Stirn und erkannte Bens Gesicht, das über der Schulter meiner Schwester hervor lugte. "Sie hat Fieber, kein Wunder, dass sie umkippt, sie kocht richtig."
Jetzt fing ich mir von Newt einen bösen Blick. "Geht es dir den ganzen Tag schon so schlecht?"
"Naja..."
"Ist heute Morgen irgendwas gewesen? Ich war ja oben und hab es nicht mitbekommen." hakte Rose nach.
"Ich hab mich übergeben, aber nur einmal..."
"Herrgott nochmal, Leah, wieso hast du nichts gesagt?!"
Ich sah zu ihr hoch. "Tut mir leid, Rosie."
Sie sah mich an und ihre Augen glitzerten. Sie war enttäuscht und ich bereute so sehr, dass ich es ihr nicht gesagt hatte. "Vertraust du mir nicht einmal genug, um mir zu sagen, dass es dir nicht gut geht?"
"Doch, natürlich vertraue ich dir!" sagte ich sofort entsetzt. Denn das tat ich wirklich, ich vertraute ihr mehr als jedem anderen auf der Welt. "Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst, wir haben so viel Stress wegen Schule, da wollte ich nicht, dass du dir auch noch um mich einen Kopf machen musst." sagte ich leise. Und was ich sagte, war ehrlich.
Rose seufzte. "Ach Maus. Was mach ich nur mit dir, hm?" Sie streichelte über meine Stirn und lächelte.
Ich schaute sie entschuldigend an. "Es tut mir leid."
"Schon in Ordnung, ich verzeih dir." entgegnete meine Schwester und verwuschelte mir die Haare.
Nun meldete sich Thomas zu Wort, der die Hände in die Hüften stemmte. "Sie muss auf jeden Fall nach Hause, so kann sie doch nicht zum Unterricht. Hinterher kippt sie ganz um."
Newt nickte. "Definitiv. Ich bring sie."
"Nein, lass nur, ich mach das schon." lehnte Rose ab, doch Ben legte ihr die Hand auf die Schulter. "Schatz, du kannst sie nicht halten, wenn sie sich nicht auf den Beinen halten kann."
Du meine Güte, jetzt stritten sie darum, wer den Unterricht schwänzte. "Ich kann auch allein nach Hause fahren." mischte ich mich ein.
"Nein!" kam sofort aus allen Mündern gleichzeitig zurück.
Newt seufzte. "Okay, pass auf. Wir fahren beide, ich helf dir und du kannst mitfahren."
Rose nickte. "Okay."
"Dann sag ich Titze Bescheid, dass ihr sie nach Hause bringt und dann später zurück kommt." sagte Ben.
Oh je.

Nachdem es zu einer Einigung gekommen war, hatten Newt und Rose meine Einzelteile eingesammelt und mich aus der Schule geschafft, während die anderen sich auf den Weg zum nächsten Unterricht machten. Newt trug mich Huckepack, was ich überhaupt nicht befürwortete, da ich viel zu schwer war. Allerdings fehlte mir auf der anderen Seite die Kraft dazu, auf ihn einzureden und das Geschaukel fühlte sich zu schön an, als dass ich es in meinem momentanen Zustand beenden wollte.
Als wir im Bus saßen, war Rose neben mir mit Seufzen der Verzweiflung damit beschäftigt, Ben abzuwimmeln, der im Unterricht saß und unterm Tisch damit beschäftigt war, ihr zu schreiben. Es war so unglaublich süß, wie sehr er sich um sie sorgte. Aber verständlicherweise wollte Rose nicht, dass er den Unterricht verpasste, weshalb sie ihm nach einer letzten Aufforderung und einem Herzchen nicht mehr antwortete.
"Ich finde ihn echt so putzig, wenn es um dich geht. Da wird einem ganz warm ums Herz." fand Newt, der damit beschäftigt war, kleine Muster auf meinen Rücken zu malen.
Meine Schwester seufzte und ließ ihr Handy in ihrer Hosentasche verschwinden. "Ja, ich weiß. Und ich finde es auch echt lieb von ihm. Aber ich möchte nicht, dass er sich dabei selbst vergisst."
"Sobald wir wieder in der Schule sind, ist seine Welt wieder in Ordnung, keine Sorge." lachte Newt leise.
Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, die der Weg nach Hause dauerte, obwohl es wahrscheinlich nicht ganz eine halbe Stunde war. Aber wir schafften es irgendwann und Newt kramte in der Tasche meiner Schwester, während sie mit Dad telefonierte, um dem Herzinfarkt vorzubeugen, den er zu einer Wahrscheinlichkeit von weit über einhundert Prozent erleiden würde, wenn er mich urplötzlich zu Hause vorfinden würde. Nachdem er am anderen Ende aber an die fünfmal hyperventiliert war, hatte sie es geschafft, ihn zu besänftigen. In der Zeit hatte mich Newt nach oben gebracht, mich mumifiziert und einen Eimer, eine Wärmflasche, ein kühles Tuch und Tee angeschleppt. Der Eimer neben meinem Bett löste ein gewisses Unbehagen in mir aus, da ich definitiv nicht darauf erpicht war, noch einmal zu kotzen. Allerdings provozierte er meinen Magen geradezu.
Schließlich betrat auch Rose das Zimmer und setzte sich auf die Bettkante, nachdem Newt ihr Platz gemacht hatte. Sie nahm meine Hand in ihre und drückt sanft zu. "Ich hab mit Dad gesprochen. Er kann nicht einfach von der Arbeit weg, aber er gibt sich Mühe, früher wieder hier zu sein. Du bleibst im Bett und rufst an, wenn irgendwas ist. Entweder Dad oder mich, ich hab mein Handy an."
Ich nickte.
Newt erwiderte das Nicken und stemmte die Hände in die Hüften. "Okay. Dann sollten wir uns auf den Rückweg machen, auch wenn ich gerade am liebsten schwänzen würde."
Meine Schwester war im Begriff, sich zu erheben, doch ich verfestigte meinen Griff um ihre Hand. "Rose."
Sie hielt inne und sah zu mir herunter. "Was ist los?"
"Kann ich dich noch kurz sprechen. Unter vier Augen?"
Es war nicht zu übersehen, dass sie diese Bitte beunruhigte. Aber sie nickte.
Newt gab sich damit einverstanden. Er beugte sich noch einmal herunter und hab mir einen Kuss auf die Wange. Dann verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Rose setzte sich wieder auf die Bettkante. "Was ist los? Ich habe Kyle bei dir gesehen, keine zwei Sekunden, bevor wir bei dir waren. Hat er dir was getan?"
"Nein, noch nicht. Aber er ist der Grund, weshalb ich mit dir sprechen muss."

Hallo zusammen, hier das neue Kapitel und endlich der Beginn der Erfüllung eurer Wünsche. Wir hoffen, es hat euch gefallen.

Wir wünschen euch allen frohe Weihnachten, wunderschöne Festtage und gemütliche Zeit mit euren Lieben. Lasst euch reich beschenken und genießt die Feiertage! :)

♡girlie_mirror_jcb & little-black_dress

Abschluss mit den Maze Runners (Abgebrochen)Where stories live. Discover now