Kapitel 4

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Von weitem sehe ich Jule und Merle etwas abseits stehen. Merle steht mit dem Rücken zu mir und als ich mich den beiden nähere, signalisiere ich Jule, dass sie mich nicht verraten soll. Ich nehme kurz vorher etwas Anlauf und springe meiner Schwester auf den Rücken. Diese erschreckt sich erstmal tierisch, weshalb ich lachen muss. Dann springe ich von ihrem Rücken runter und sie dreht sich zu mir um. „Du bist so doof." sagt sie lachend, was mich auch lachen lässt. „Kommt ihr mit zu den Fans?" frage ich und die beiden stimmen zu. Wir gehen also dorthin und geben Autogramme und machen Fotos. Viele der Fans beglückwünschen mich zu meinem Comeback und freuen sich, mich wieder spielen zu sehen. Schon alleine für so viele liebe Worte, hat sich jeder einzelne Schritt bis hierher gelohnt. Am Ende meiner Runde vernehme ich wie ein Mädchen meinen Namen ruft. Ich drehe mich zu ihr und schaue sie an. Irgendwoher kommt sie mir bekannt vor. Ich glaube sie war schon öfter hier. „Darf ich dein Trikot haben?" fragt sie mich ganz aufgeregt. „Klar." antworte ich ihr und ziehe mir dieses aus. „Hast du einen Stift? Dann unterschreibe ich noch schnell." Sie nickt und reicht mir einen Edding. Ich unterschreibe und reiche ihr dann mein Trikot. Sie bedankt sich sichtlich fröhlich, was mich grinsen lässt. „Du warst schon öfter hier oder? Dein Gesicht kommt mir sehr bekannt vor." „Ja, ich bin schon seit Jahren zu jedem Heimspiel hier." antwortet sie mir. „Cool, dann sehen wir uns bestimmt bald wieder." antworte ich ihr und winke ihr nochmal zu, bevor ich mich umdrehe und zur Bank jogge, wo noch einige Mädels stehen. Ewa legt mir eine Jacke um die Schultern, als ich ankomme, welche ich dankend annehme, da es doch ziemlich kalt ist.
Auf dem Weg in die Kabine sehe ich Obi, deren Blick an meinem Oberkörper klebt, da ich die Jacke nicht zugemacht habe. Ich gehe zu ihr rüber und lege meine Finger unter ihr Kinn, um ihren Kopf ein Stück nach oben zu schieben. Sie blickt mir nun wieder in die Augen. „Meine Augen sind hier oben." sage ich schmunzelnd zu ihr, bevor ich meinen Weg in die Kabine fortsetze.

Zuhause angekommen gehe ich direkt ins Bad, um zu duschen und mich fertigzumachen. Danach gehe ich in mein Zimmer und suche mir Klamotten raus. Da ich mit meinem Motorrad fahren will, fällt meine Wahl auf eine Lederhose, einem Pulli von Wolfsburg und meiner Lederjacke. Als ich angezogen bin und sich meine Haare in einem Zopf befinden, gehe ich runter in die Küche, wo Merle und Jule grade gekocht haben. Wir essen noch gemeinsam und dann gehe ich in den Flur, um mir meine Schuhe anzuziehen. „Wo willst du eigentlich noch hin?" fragt mich Merle, die im Flur aufgetaucht ist. „Ich treffe mich mit einer alten Freundin. Bin bald wieder zurück." antworte ich ihr und gehe aus der Haustür. Ich lüge sie zwar nicht gerne an, aber ich habe jetzt einfach keine Lust ihr zu erklären, warum ich zu Obi fahre.

Im Foyer des Hotels entdecke ich Klara und Syd. Ich laufe auf die beiden zu. „Hey." sage ich um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Die beiden schauen mich verwundert an. „Was machst du denn hier?" fragt Syd auch direkt. „Ich wollte zu Obi. Wisst ihr wo sie ist?" Die beiden grinsen mich an und ich verdrehe nur die Augen. Klara sagt mir dann zum Glück in welchem Zimmer Obi sich befindet und ich mache mich sofort auf den Weg dorthin.
Vor ihrem Zimmer atme ich noch einmal tief durch, bevor ich anklopfe. Es dauert nicht lange und Obi öffnet mir die Tür. „Hey Lina." begrüßt sie mich und geht zur Seite, damit ich eintreten kann. Ich stelle mich in die Mitte des Raums und drehe mich wieder zu Obi. „Wie gefällt es dir bisher in München?" frage ich sie. „Ganz gut." „Schön." antworte ich und verschränke meine Arme vor der Brust. Da ich das eigentliche Gespräch noch etwas hinauszögern will, stelle ich ihr eine paar oberflächliche Fragen, doch sie durchschaut mich leider viel zu schnell.
„Lina...Ich wollte mit dir nicht über sowas belangloses reden, sondern über meine Entscheidung damals zu wechseln.." Ich seufze und nicke dann. „Na dann." erwidere ich und schaue sie gespannt an. „Bevor wir wieder zusammengekommen sind, habe ich mich dazu entschlossen zu wechseln. Ich habe alle möglichen Angebote überdacht und mich schlussendlich für Bayern entschieden. So kann ich immerhin noch in Deutschland bleiben und bin näher bei meiner Familie und meinen Freunden." „Okay, aber warum wolltest du überhaupt wechseln?" „Ich habe es in Wolfsburg einfach nicht mehr ausgehalten. Dich ständig um mich zu haben und immer wieder daran erinnert zu werden, dass du nicht mir gehörst. Ich wollte einfach Abstand und deshalb bin ich zu dem Entschluss gekommen. Außerdem dachte ich, dass du eh zu Barcelona wechselst." „Habe ich aber nicht gemacht. Warum hast du mir aber nicht von deinen Plänen erzählt, als ich dir von meinem Angebot erzählt habe?" frage ich sie. „Ich weiß es nicht...es hat sich in dem Moment einfach nicht richtig angefühlt und es stand ja da auch noch nicht fest." „Und als es feststand? Hat es sich da auch nicht richtig angefühlt?" blaffe ich sie an. „Siehst du, mit dir kann man nicht mal ein richtiges Gespräch führen." „Aber mit dir oder was? Ich bekomme ja nicht mal eine richtige Erklärung für dein handeln." Unsere Stimmen sind beide schon etwas lauter geworden und mein Puls geht auch schneller, während ich darauf warte, was sie nun sagt. „Was willst du denn hören?" „Warum du es mir nicht einfach gesagt hast! Ich habe mit dir doch auch darüber geredet und habe mich schlussendlich für dich entschieden. Denkst du nicht, dass ich mich auch hätte weiterentwickeln können in Barcelona? Wie viel ich dort bestimmt erreicht hätte? Es war mir aber egal, weil ich dich wollte! Du warst mir am wichtigsten!" Knalle ich ihr entgegen und trete einen Schritt auf sie zu. „Glaubst du denn wirklich du bist mir nicht wichtig?" fragt sie mich ungläubig und tritt auch einen Schritt nach vorne. „Keine Ahnung. Ich will es nicht glauben, aber dein handeln spricht für sich." Obi atmet einmal tief durch und guckt mir dann wieder in die Augen. „Ich hatte einfach Angst okay? Ich wollte nicht, dass du mich hasst. Ich hatte mir vorgenommen nach dem Spiel gegen Essen mit dir darüber zu reden. Aber dann konnte ich es einfach nicht. Du warst am Boden zerstört wegen deinem Kreuzbandriss und ich wollte dich nicht noch mehr belasten. Ich weiß, ich hätte schon vorher mit dir reden müssen, aber ich hatte einfach nicht den Arsch in der Hose." gesteht sie mir und ich lasse das alles erstmal sacken.
„Warum denkst du denn, dass ich dich gehasst hätte?" frage ich nach. „Ich kenne deine Meinung zu Bayern...und deshalb dachte ich, dass du mir das nicht verzeihen könntest. Ich wollte dich einfach nicht verlieren..." „Wow okay, wenn es sonst nichts ist." erwidere ich sarkastisch und schüttle den Kopf. „Dass es noch schlimmer war es durch die Medien zu erfahren, anstatt von dir, kommt dir auch nicht in den Sinn oder?" Frage ich nun wieder etwas lauter. „Doch natürlich, ich weiß dass ich einen Fehler gemacht habe, aber schlussendlich wären wir doch jetzt genau an dem selben Punkt!" erwidert sie. „Das kannst du doch überhaupt nicht wissen. Vielleicht hätten wir es ja irgendwie geschafft." „Ich denke nicht. Wir hätten es auch so bestimmt schaffen können, aber du hast mich ja nur noch gemieden. Sonst hätte ich dir schon früher alles erklären können, aber du hast ja nicht mit dir reden lassen!" wirft sie mir vor den Kopf und tritt wieder einen Schritt auf mich zu. „Schieb deinen Fehler ja nicht auf mich!" erwidere ich zwischen zusammengebissenen Zähnen und trete ebenfalls einen Schritt nach vorne. Wir stehen uns nun direkt gegenüber und schauen uns wütend in die Augen. So nah, dass sich unsere Körper fast berühren. Ich bemerke, wie Obis Blick kurz zu meinen Lippen schweift und ich kann nicht verhindern, dass ich es nicht ebenfalls tue. Später werde ich das hundertprozentig bereuen, aber grade fühlt sich nichts richtiger an, als genau das zu tun.

finding back to us - Part IIWhere stories live. Discover now