Keine drei Tage

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Nach der Eröffnung ziehe ich mit den anderen Mentoren und einer handvoll der reichsten Sponsoren Panems in einen exklusiven Bereich des Hauptquartiers. Es ist eine Art riesiger Kinosaal: eine Wand ist ein gigantischer Bildschrim, der gleich mehrere Bildausschnitte und Statistiken anzeigt. Halbkreisförmige Podeste schrauben sich drei Stockwerke hinauf. Auf ihnen stehen Sitzecken mit Sofas und Sesseln, Bars, Buffets und Spieltische. Ich komme mir ein bisschen vor wie in einer Spielehalle. Ausnahmslos alle Sponsoren und eine handvoll Mentoren stürzen sich geradezu auf die Leckereien und Gläser voller grüner, blubbernder Liköre, die überall angeboten werden.
Ich ignoriere die prallgefüllten Tische mit der besten Küche Panems und gehe eine breite, mit blauem Teppich ausgelegte, Treppe hinab, bis ich ein Podest finde, auf dem nur ein kleines Sofa, ein Sessel und ein Teetischchen stehen. Ich lasse mich auf dem Sofa nieder, kicke meine Ballerinas von meinen Füßen und ziehe die Knie unters Kinn. Zusammengekauert sitze ich da und beobachte den Bildschirm. Ich lasse Finnick nicht eine Sekunde aus den Augen. Die Einstellung wechseln immer wieder zwischen den verschiedenen Tributen und Grüppchen, die sich gebildet haben. Das wären einmal die Karrieros, also die Tribute aus 1 und 2, dann haben Johanna und ihr Distriktpartner Beetee und Wiress aus Distrikt 3 aufgesammelt, die Tribute aus 10 und 11 sind zusammen unterwegs und Finnick, Mags, Katniss und Peeta. Jedoch scheint die Kombination aus Finnick und dem Liebespaar aus Distrikt 12 so beliebt bei den Zuschauern zu sein, dass sie es immer wieder schaffen, im Bild zu sein.
Mittlerweile haben sich die Kämpfe zu Beginn der Spiele beruhigt. Die Toten werden gezählt und verkündet. Die Tribute verteilen sich in der Arena. Es kehrt vorerst Ruhe ein. Caesar Flickerman und Claudius Tempelsmith nutzen diese Pause um den Aufbau der diesjährige Arena zu erklären. Sie wird von oben gezeigt und ich erkenne die kreisrunde Form mit den zwölf Speichen um das Füllhorn.
"Für das Jubeljubiläum haben sich die schlausten Köpfe des Kapitols etwas ganz besonderes einfallen lassen", erzählte Caesar, "Wie Sie sehen können, ist die Arena ein perfekter Kreis. Nicht nur das, sie ist außerdem in zwölf gleich große Stücke unterteilt, in denen jede Stunde eine andere tötliche Gefahr auf die Tribute wartet. Um zwölf Uhr heute Nacht beginnt der Kreislauf und er wird erst enden, wenn die Spiele gewonnen sind. Eine gigantische Uhr also."
Um Mitternacht geht es los...
Das ist also der Grund für die Verschiebung. Die Tribute haben genau zwölf Stunden Zeit um sich zu organisieren, bevor sie in den Überlebenskampf geschickt werden. Meine anfängliche Hoffnung verebbt schnell.
Ich versuche ruhig zu atmen.
Lass sie nicht sehen, dass du Angst hast.
Ich atme durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus.
Atme...
Ich erinnere mich daran, wo ich bin und setze mich aufrecht hin.
Das hier sind alles Raubtiere. Wenn sie merken, dass du Angst hast, bist du tot. Reiß dich zusammen.
Ich beobachte wieder den Bildschirm. Katniss klettert gerade einen Baum hinauf und begutachtet den Grundriss der Arena. Dann klettert sie zurück und gestikuliert weiter hügelaufwärts.
Caesar Flickerman kommentiert wieder aus dem Off: "Die oberste Priorität der Tribute sollte es immer sein, eine Trinkwasserquelle zu finden im hydriert zu bleiben. Von Wassermangel stirbt man schnell und qualvoll. Diese Arena ist mit mehreren Schwierigkeiten ausgestattet, die die Abläufe dieser Spiele besonders erschweren und spannend machen. Es gibt keine natürliche Süßwasserquelle im gesamten Gebiet. Natürlich haben die Spieler Zugang zu Wasser, jedoch befindet es sich in feinen Adern in den Bäumen."
Oh nein... Es kommt doch niemand auf die Idee, in den Bäumen nach Trinkwasser zu suchen!
Claudius' Stimme ertönt jetzt: "Ich unterbreche dich ja nur ungern, Caesar, aber ich glaube 4 und 12 stößt gleich auf den Rand der Arena!"
Claudius hat den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als Katniss plötzlich laut aufschreit. Die Sponsoren und Mentoren blicken überrascht von ihren Spielen und Speisen auf.
Ein lauter Knall ertönt, Funken sprühen und Peeta fliegt ein paar Meter durch die Luft.
"PEETA!", Katniss schreit und schluchzt markerschütternd. Sie rennt zu ihrem Verlobten und legt sich auf seine Brust.
"Sein Herz schlägt nicht mehr!", brüllt sie.
Finnick kommt hinzu und schiebt sie zur Seite. Katniss stürzt und rappelt sich wieder auf um Finnick von Peeta zu stoßen, doch sie hält inne, als sie sieht, wie Finnick Peeta beatmet und eine Herzrhythmusmassage beginnt.
"Komm schon, Peeta", höre ich ihn murmeln.
Katniss wimmert neben ihm. Dann atmet Peeta ein. Sein Brustkorb hebt sich und er richtet sich auf.
Hinter mir atmen mehrere Sponsoren laut hörbar auf.
Katniss kreischt und wirft sich in Peetas Arme.
Irgendwas irritiert mich. Es dauert eine Weile, bis ich darauf komme, was genau. Dann trifft es mich wie ein Schlag: Katniss liebt Peeta!
Vielleicht ist sie sich nicht ganz klar, auf welche Art, doch die Art und Weise wie sie Finnick von Peeta verscheuchen wollte und wie sie jetzt in seinen Armen liegt... das ist nicht gespielt.
Ich sehe es in Finnicks Gesicht, dass er die gleiche Erkenntnis hat.
Reiß dich zusammen!, flehe ich stumm meinen Bruder an. Ich glaube er hat mich gehört, denn er sagt: "Das sind wohl die Hormone."
Die Gruppe rappelt sich auf und macht sich wieder auf den Weg, als Haymitch zu mir kommt.
"Ich darf mich doch setzen?", fragt er und wartet gar nicht auf eine Antwort, bevor er sich neben mich setzt. Er stellt ein großes Weinglas auf den niedrigen Glastisch vor dem Sofa und zieht einen Flachmann aus der Tasche, aus dem er ein paar Tropfen in den Wein kippt.
"Hast du schon eine Uhrzeit für unsere Wette?", frage ich.
"Darum bin ich nicht hier", sagt er und nippt von seinem Wein, "Mir geht es um die Wasserversorgung."
"Das ist ein guter Punkt", erwidere ich, "Was schlägst du vor?"
Haymitch blickt schräg zum Bildschirm.
"Katniss ist im Wald zuhause. Ich glaube ihr Vater hat früher Sirup verkauft, den er aus Bäumen gezapft hat. Sie weiß, wie es funktioniert, sie braucht nur einen kleinen Schubs."
"Du willst ihr etwas schicken?", hake ich nach.
Haymitch nickt. "Einen Zapfhahn."
"Und warum muss ich dir dabei helfen?", frage ich.
"Weil die Leute viel lieber mit dir verhandeln als mit mir. Du hast die besseren Überzeugungstechniken", antwortet Haymitch und mustert mit seinen Augen meinen ganzen Körper.
Ich ziehe angewidert eine Augenbraue hoch.
"Natürlich", sage ich bitter und sehe mich im Raum nach geeigneten Gesprächspartnern um.
"Du hast deinen Zapfhahn in weniger als einer Stunde, Haymitch", fauche ich ihn an.
Ich hasse ihn. So ein grober, ungehobelter Mann.

Euphoria Dibbels ist mein Ziel. Sie ist die Tochter eines reichen Investors und Unternehmer des Kapitols und schon lange hinter Finnick her.
Ich finde sie an der Bar, an der sie sich einen Drink bestellt. Ich schließe zu ihr auf und lächele sie breit an.
"Euphoria, was eine Freude", sage ich strahlend und winke dem Barkeeper, "Das gleiche, bitte."
Euphoria ist eine große Frau mit langen nussbraunen und goldenen Haaren. Ihre Haut schimmert in einem sanften violett. Sie ist sehr schön, das lässt sich nicht verwerfen, aber auf die künstliche Art des Kapitols.
"Alyssa Odair."
Ihr Stimme ist tief und vollmundig.
"Mit deinem Engel von Bruder in der Arena glaube ich kaum, dass du zum Plaudern kommst", schnurrt sie.
Ich lächle und lehne mich in ihre Richtung.
"Ich komme mit einem Vorschlag. Ich brauche ein Sponsoring für meinen Bruder."
Ich sehe es deutlich, wie ich Euphorias Aufmerksamkeit bekomme.
"Was braucht Finnick denn?", säuselt sie.
"Das Wasser befindet sich in den Bäumen", erkläre ich, während ich meinen Cocktail im Glas schwenke, "Ich möchte ihm einen Zapfhahn schicken, damit er und seine Verbündeten an Trinkwasser kommen."
Euphoria beobachtet mich, wie eine Katze.
"Und was springt für mich dabei heraus, Alyssa?", schnurrt sie und ihre Stimme wird dabei sogar noch tiefer. Mittlerweile sind wir auf jeden Fall bei der Schlafzimmerstimme angekommen.
"Was möchtest du?", frage ich und passe meinen Tonfall an ihren an.
"Komm mit", haucht sie und lässt ihren Drink an der Bar stehen.
Ich folge Euphoria aus der Flügeltür und in einen schmalen dunklen Gang.
Ich bin nicht überrascht, als sie sich umdreht, mich an die Wand drückt und mich küsst.
Ich erwidere den Kuss und lege soviel Leidenschaft hinein, wie ich nur kann. Sie schiebt eine Hand zwischen meine Beine und streicht über meine Hose entlang. Der dünne Stoff reibt an meiner Scheide. Mir wird heiß und ich stöhne.
Sie fährt kleine Kreise auf meiner Klitoris.
"Eine Nacht mit dir, Alyssa, und du sollst deinen Zapfhahn bekommen", haucht sie ganz nah vor meinem Gesicht.
"Deal", stoße ich hervor.
Grinsend zieht sie ihre Hand zurück.

Games of the Sea (Tribute von Panem ff)Where stories live. Discover now