Verdammt beschissener Tag

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   Jetzt war ich da, wo ich hin wollte. In der Werkstatt. Der Geruch von Benzin, Gummi und Bremsenreiniger stieg mir sofort in die Nase. Dann sprach ich den ersten Mitarbeiter an, den ich finden konnte.

   „Wo ist Schwarze?", fragte ich den jungen Mann barsch. Meines Wissens nach war er Azubi bei uns. Bisher hatte ich mich nie so wirklich für unsere Mitarbeiter interessiert, doch das werde ich bald ändern müssen.

   „Ich glaube der arbeitet da hinten an dem blauen Q5.", antwortete er mir und deutete in die Richtung, in der Schwarze sein sollte. Mit unsicherem Blick schaute er mich an. Anscheinend sah man mir meine schlechte Laune an. Gut so.

   „Danke.", erwiderte ich schnell, während ich an ihm vorbei ging.

   Nach ein paar Schritten konnte ich den Wagen erkennen, welchen der Azubi mir genannt hatte. Er wurde gerade auf einer Hebebühne hochgefahren.

   „Schwarze!", rief ich laut, während ich noch auf dem Weg zu ihm war.

   Er stand an einem der Pfeiler der Hebebühne, einen Finger auf einen der Knöpfe, welche die Bühne bewegten.

   Als er mich hörte, drehte er seinen Kopf zu mir. Nicht nur sein Blick lag nun auf mir. Die Blicke der anderen Mechaniker konnte ich ebenfalls auf mir spüren.

   Schwarze rollte mit den Augen, als er mich auf sich zukommen sah. Dann nahm er den Finger vom Knopf und die Bühne erstarrte in der Luft.

   Wenn ich seinen Gesichtsausdruck schon sah. Am liebsten würde ich ihm in sein dämliches Gesicht schlagen.

   Um uns herum wurden die Geräusche leiser. Drehmomentschlüssel würden weggelegt und Motorhauben geschlossen. Alle Aufmerksamkeit lag auf mir. Gut so.

   Je näher ich ihm kam, desto dunkler wurde mein Blick. Schwarze schien das ebenfalls zu bemerken, was ich an dem Zucken seiner Augenbraue festmachte.

   „Bisher war Ihre Angst gefeuert zu werden ja komplett unberechtigt gewesen.", fing ich mit lauter Stimme an, als ich fast direkt vor ihm stand. „Doch jetzt sollten Sie sich echt Gedanken um Ihre Zukunft hier machen!" Ich drohte ihm, das wusste ich. Als Chef sollte man sowas nicht tun, das war mir aber egal. Ich habe mir genug von ihm bieten lassen müssen.

   „Seien Sie mal nicht so hysterisch. Was ist denn los?" Als wäre er total gelassen, verschränkte Schwarze seine Arme vor seiner Brust. Doch in seinem Blick konnte ich etwas anderes erkennen.

   „Ich habe gerade mit dem Kunden telefoniert, dessen Bericht Sie mir heute Morgen auf den Tisch gelegt hatten. Erinnern Sie sich?", fragte ich rhetorisch. Natürlich erinnerte er sich.

   „Ja, da klingelt was.", erwiderte er gespielt lässig.

   „An Ihrer Stelle würde ich nicht so vorlaut sein. Der Kunde hatte nämlich Recht! Es wurde ihm ein falscher Außenspiegel verbaut. Hätte man seine Arbeit richtig gemacht, hätte man das auch bemerkt. Falsches Modell, falscher Blinker, falsche Farbe." Ich sprach absichtlich etwas lauter als ich gemusst hätte.

   Schwarze verzog sein Gesicht und wollte etwas sagen, da hob ich meinen Finger und brachte ihn so zum Schweigen.

   „Ich habe die Bilder gesehen. Ich habe die Teilenummern abgeglichen." Ich holte tief Luft. „Und wissen Sie, wer an diesem Auto gearbeitet hat?" Wieder eine rhetorische Frage. Trotzdem wartete ich auf seine Antwort. Da sie niemals kommen würde, redete ich weiter. „Sie haben daran gearbeitet. Er war Ihr Kunde. So ein Fehler hätte ich von einem Azubi erwartet und nicht von meinem Mitarbeiter, welcher die Werkstatt leitet!"

   Ich warf einen entschuldigenden Blick über die Schulter Richtung Azubi. Das sollte keine Beleidigung an ihn sein. Dann wendete ich mich wieder an Schwarze.

   „Und wissen Sie, was mir der Kunde, welcher übrigens sehr wohlhabend und seit Jahren Stammkunde bei uns ist, noch gesagt hat?" Wieder legte ich eine dramatische Pause ein. „Dass Sie ihn ausgelacht hätten. Sie hätten ihm gesagt, dass er sich Dinge einbilde!" Ungläubig schüttele ich den Kopf. „Auch wenn er nicht wohlhabend wäre, redet man so nicht mit Kunden. Ich dachte, das wüssten Sie mittlerweile." Enttäuscht sah ich ihn an. Denn das war ich auch.

   Ich war mit meiner Standpauke fertig und in der gesamten Werkstatt war es still geworden. Nur das Radio dudelte leise im Hintergrund.

   Schwarze hatte sich seit meinem zweiten oder dritten Satz nicht mehr bewegt. Wie eine Salzsäule stand er vor mir und sah mir in die Augen.

   Schweigend starrten wir uns gegenseitig an. Bis er sich dann doch bewegte.

   „Sie müssen Ihre gescheiterte Beziehung nicht an mir auslassen, wissen Sie das?"

   Was? Einen kurzen Moment dachte ich, dass ich mich verhört hatte.

   „Wiederholen Sie das.", forderte ich ihn leise auf.

   Er trat einen Schritt an mich heran. Da er größer war als ich, musste ich den Kopf heben, um ihm nun in die Augen schauen zu können.

   „Nur weil Ihr toller Rennfahrer Sie betrogen hat, müssen Sie mich nicht vor versammelter Mannschaft bloßstellen.", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

   Ich musste mich echt zusammenreißen, ihm nicht schon wieder eine zu scheuern.

   Ruhig bleiben Kiera. Mach nicht nochmal denselben Fehler. Cool bleiben.

   „Ich erwarte Sie Morgen um 11 Uhr in meinem Büro.", sagte ich leise. Dann drehte ich mich um und ging.

   Als ich durch die Werkstatt lief, folgten mir alle Köpfe der Mechaniker.

   „Weiterarbeiten!", wies ich sie mit lauter Stimme an. Dann drehte ich mich nochmal um und zeigte mit dem Finger auf Schwarze. „Nur, dass Sie es wissen: Die Leitung der Werkstatt können Sie sich abschminken.", rief ich ihm zu. Dann verlies ich endgültig die Werkstatt.

 

   Danach war ich so aufgebracht gewesen, dass ich in die Mittagspause gegangen war. Um 10 Uhr morgens. Doch das war mir egal. Ich musste weg, brauchte Ruhe und Abstand.

   Ich war in mein Auto gestiegen und einfach losgefahren. Mein Handy hatte ich im Büro gelassen. Was sollte ich auch damit? Carlos Ausreden lesen? Lexy erzählen, dass das mit ihm gescheitert war? Nein danke.

   Die gesamte Pause fuhr ich einfach nur rum. Die Autobahn rauf und runter. Zum Glück war der Abschnitt bei uns unbegrenzt. Das Gaspedal durchtreten half echt total.

   Da ich mein Handy nicht dabeihatte und auch keine Radiomusik ertragen konnte, fuhr ich die ganze Zeit in Stille. Mein Kopf und meine Gedanken waren Unterhaltung genug.

   Wut, Trauer, Scham, alles Mögliche fühlte ich. Doch mit jedem Kilometer, den ich fuhr, wurde es weniger. Mein Kopf wurde klarer und ich regte mich mehr und mehr ab.

   Als ich wieder auf den Hof fuhr, hatte ich nur noch einen Gedanken: Was für ein verdammt beschissener Tag.

 

   Nachdem ich ausgestiegen war, folgte ein ernstes Gespräch mit meinem Chef. Er hatte natürlich sofort mitbekommen, was passiert war.

   Zuerst bekam ich eine Standpauke zu hören. Ich hätte das nicht vor den anderen Mechanikern machen sollen, sondern im Privaten in meinem Büro. Das verstößt nämlich gegen den Datenschutz.

   Nachdem ich meinen Fehler eingesehen und zugegeben hatte, dass ich das mit Absicht vor den anderen gemacht hatte, folgte ein Lob.

   Mein Chef lobte mich, dass ich mich darum gekümmert hatte. Auch wie ich mit dem Kunden umgegangen bin, fand er hervorragend. Vor allem aber, dass ich keine Scheu hatte, einen Mitarbeiter auf seinen Fehler anzusprechen und Konsequenzen aus seinem Verhalten zu ziehen, rechnete er mir hoch an.

   Im Endeffekt stimmte er mir zu. Schwarze sollte die Leitung der Werkstatt nicht behalten. So ein Verhalten gegenüber Kunden, und vor allem der zukünftigen Chefin, musste bestraft werden. Um seinen Nachfolger würde ich mich danach kümmern. Diesen würde ich sorgfältig auswählen. Nicht, dass wieder so ein Fehler wie Schwarze passierte.


A longer Bathroom Break - Carlos Sainz x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt