Kapitel 48

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Ein paar Tage später gehe ich zu meiner ersten Therapiesitzung. Ich habe beschlossen, mir Hilfe zu holen. Meine Ängste in Beziehungen machen mir wirklich Sorgen. Vor allem, weil ich Johnny auf keinen Fall verlieren will. Und meine Gedanken sind manchmal sehr düster und von Unsicherheiten geprägt.

Die Arzthelferin, bei der ich den Termin gemacht habe, hat mir versichert, dass ich niemandem den Therapieplatz wegnehme, der ihn mehr braucht als ich.

Nervös sitze ich im Wartezimmer und scrolle auf meiner Wetterapp herum, weil ich nicht weiß, was ich machen soll.

„Lili?"

Ich schaue auf. Es ist Feli. Überrascht stehe ich auf und umarme sie. „Was machst du denn hier?"

Sie lächelt. „Das wollte ich dich gerade auch fragen."

„Es ist meine erste Sitzung. Ich bin so nervös.", sage ich.

„Alles wird gut. Ich bin stolz auf dich, dass du dir Hilfe suchst. Ich bin schon seit über einem Jahr hier. Die Therapeutin ist wirklich nett.", erklärt Feli.

„Warum hast du nie erzählt...?", frage ich vorsichtig.

Sie zuckt mit den Schultern. „Es ist mir nicht peinlich. Ich rede nur einfach nicht darüber."

Ich nicke. „Okay."

Da kommt die Arzthelferin rein. „Liliana?"

„Ja." Ich folge ihr mit einem letzten Blick zu meiner besten Freundin. Sie lächelt mir ermutigend zu.

Ich werde in ein Zimmer geführt, das genau so aussieht, wie man sich einen Behandlungsraum eines Psychotherapeuten vorstellt. Es gibt einen großen Schreibtisch aus Holz, Regale mit Büchern, ein Sofa und einen Stuhl daneben.

„Setzen sie sich." Sie deutet auf die Couch. „Dr. Silber ist gleich bei ihnen."

Ich setze mich auf das Sofa und warte.

Dann öffnet sich die Tür. „Hallo, Liliana."

Eine große, blonde Frau steht vor mir. Sie muss um die vierzig sein, aber sieht jung für ihr Alter aus.

Ich stehe auf und schüttle ihre Hand.

„Ich bin Dr. Silber. Wenn es ihnen nichts ausmacht, würde ich sie mit ihrem Vornamen ansprechen." Sie lächelt warm.

Ich atme aus und meine Aufregung verfliegt. „Gerne."

„Gut. Setzen sie sich, Liliana."

Ich setze mich wieder. Die nächste halbe Stunde verbringe ich damit, Fragen zu beantworten.

Dr. Silber schreibt sich immer wieder etwas auf. Dann räuspert sie sich und sagt. „Wir haben es bei ihnen sehr wahrscheinlich mit einem Anxious Attachment Style zu tun."

„Was ist das?", frage ich unsicher.

„Das ist kein Fachchargon, sondern stammt eher aus der Popculture, aber es hilft mir dabei, ihnen zu erklären, wie sie in Beziehungen agieren.", erklärt sie. „Menschen mit diesem Bindungsstil haben hohe Angst davor, verlassen zu werden oder sich zu trennen. Sie vermeiden Nähe nicht, im Gegenteil sie haben ein starkes Bedürfnis nach Nähe, jedoch kein Vertrauen in die Zuverlässigkeit anderer."

Ich schlucke schwer. Wow. Meine Probleme in Beziehungen haben einen Namen.

„Das stimmt.", sage ich nach einer Weile.

„Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in ihrer Kindheit. Sie haben von ihren Eltern nicht die Zuneigung und Bestätigung bekommen, die sie gebraucht haben.", fährt sie fort.

Ich nicke. Das wusste ich bereits.

„Sie müssen lernen, ihre Emotionen zu erkennen und zu verstehen. So können sie ein größeres Bewusstsein entwickeln und sich besser auf ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse einstimmen. Dies kann ihnen helfen, Angstzustände zu bewältigen und ihre Emotionen effektiver zu regulieren. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit von ängstlichen Bindungsverhalten verringert, die ihre Beziehungen sabotieren können.", erklärt sie. „Außerdem kann das Erlernen der Identifikation und des Verstehens von Emotionen Personen mit ängstlichen Bindungsstilen helfen, ungesunde Verhaltensmuster in ihren Beziehungen zu erkennen und anzugehen."

„O-okay."

„Daran möchte ich ab der nächsten Sitzung mit ihnen arbeiten.", sagt sie.

Als ich nach Hause komme, riecht es mal wieder köstlich. Sucht euch einen Partner, der gerne für euch kocht.

Ich ziehe meine Schuhe aus und gehe in die Küche. Johnny steht am Herd. Ich umarme ihn von hinten.

„Hey, Lil." Er dreht sich um. „Wie war es?"

„Gut. Ich habe anscheinend einen Anxious Attachment Style."

Er streicht mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Okay und das bedeutet?"

„Dass ich meine Beziehungen sabotiere, weil ich ständig Angst habe, verlassen zu werden."

„Die Angst musst du bei mir nicht haben. Ich bin hier, um zu bleiben, Lili.", sagt er und umfasst mein Gesicht.

Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen und küsse ihn. Weil er so er ist...und ich ihn liebe.

Johnny umfasst meine Schenkel und hebt mich hoch, um mich auf der Arbeitsplatte abzusetzen.  Mein Sommerkleid rutscht dadurch nach oben, aber das stört mich nicht.

Johnny mustert meine nackten Beine. „Fuck...Ich liebe dich in Sommerkleidern."

Ich klopfe mir innerlich dafür auf die Schulter, dass ich es heute angezogen habe. Dann küsse ich ihn wieder und lege meine ganze Liebe für ihn in den Kuss.

Er streichelt meine Oberschenkel und küsst mich sanft. Ich will ihn. Aber dann löst er sich von mir und tritt zurück. „Lass uns essen."

Ich verdrehe meine Augen.

„Das hab ich gesehen.", lacht er. „Entschuldige, dass es mir wichtig ist, dass meine Freundin zum ersten mal heute was im Magen hat. Weil sie heute morgen zu nervös war, um zu essen."

Wir essen gemeinsam und danach lege ich mich auf die Couch, um einen Nap zu machen.

Als ich aufwache, ist Johnny nicht da. Was macht er denn? Er hat sich doch heute extra frei genommen wegen meinem Termin.

Ich will ihm schreiben, aber finde mein Handy nicht. Dann denke ich darüber nach. Ist das jetzt ein Zeichen meines Anxious Attachment Styles? Gott, das wird mich noch verrückt machen.

Ich gebe die Suche nach meinem Handy auf und setze mich mit meinem Laptop auf die Couch und schreibe weiter an meiner Geschichte. Ich glaube, ich könnte sie heute zu Ende schreiben.

Ich habe gerade den letzten Satz geschrieben, der ein riesiger Plottwist ist, als Johnny heimkommt. Ich springe auf und werfe mich in seine Arme. „Johnny, ich hab meine Geschichte fertig geschrieben. Ich schicke sie gleich an einen Verlag."

Er umarmt mich fest. „Ich bin so stolz auf dich, Lil."

„Wo warst du?", frage ich.

Er zieht ein Handy aus seiner Hosentasche. Okay?

„Wessen Handy ist das?", frage ich.

„Deins natürlich."

Ich schüttle den Kopf. „Mein Handy hat einen gerissenen Bildschirm."

Er lächelt. „Jetzt nicht mehr."

Er hat meinen Bildschirm reparieren lassen.

„Danke, Johnny.", sage ich und küsse ihn.

Gott, ich werde ihn heiraten. Es gibt keine andere Möglichkeit mehr.

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