Die Mauer

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Die Sonne schien in mein Zimmer und blendete mich. Mürrisch drehte ich mich in meinem Bett um und weigerte mich aufzustehen.
Wozu auch? Welchen Grund sollte es in dieser kaputten Welt noch geben um aufzustehen?
Vor fünf Jahren ist ein Experiment in einem Labor schrecklich schiefgelaufen. Die Wissenschaftler hatten mit einem Virus experimentiert, welches sie tief in Urzeiteis gefunden wurde. Dieses Virus bringt sein Opfer erst um bevor es einen übernahm und ihn in einen untoten Zombie verwandelte. Außerdem war es hoch ansteckend, ein Kratzer oder ein Biss reichten um einen anzustecken. Die Zombieapokalypse hatte begonnen als genau, so ein Zombie aus einem Labor ausbrach und immer mehr Menschen ansteckte und tötete. Doch das ich fast schon Seelenruhig in meinem Bett lag ohne vor Angst in der Ecke zu kauern, lag daran, dass wir in einem kleinen Dorf lebten. Das Labor lag in einer weiter entfernten Großstadt und wir wurden gewarnt ehe alle Kommunikationssysteme ausfielen. Wir fingen sofort an uns zu verschanzen und eine Mauer zu bauen. Erst bestand sie nur aus Schrottteilen und Stacheldraht. Mit der Zeit wurde sie immer höher und stabiler. Müde raffte ich mich nun doch auf und schleppte mich zum Fenster. Nachdenklich sah ich mir die gigantische Mauer an die unser gesamtes Dorf umgab. Mittlerweile war sie fünf Meter hoch und bestand komplett aus massiven Stahlbeton. In der Mauer befanden sich drei Tore, das Süd-, Nord-, und Osttor. Diese bestanden jeweils aus zwei Massivholztoren und einem Stahltor. Sollte im Ernstfall das vordere Metalltor fallen, hatten wir noch zwei weitere Tore die uns schützte und uns die Möglichkeit gab durch die anderen Tore zu flüchten.
„Kate! Steh endlich auf, es ist schon fast Mittag!" schrie meine Mutter genervt zu mir rauf. Ich Atmete tief durch bevor ich aufstand und mich umzog. Eine Positive Sache an der Apokalypse war, das Style völlig egal war. Hauptsache man hatte irgendwas zum Anziehen das weniger als drei Löcher oder nur wenig Flecken hatte. Heute entschied ich mich für ein Top mit Holzfällerhemd und eine Löchrige Jeans. Meine langen Hellbraunen Haare band ich zu einem straffen Pferdeschwanz zusammen. Kurz betrachtete ich mich in dem Mannshohen Spiegel an meiner Wand. Ich sah Müde und abgeschlagen aus, so wie jeder der innerhalb dieser Mauern lebet. Aufstehen, Arbeiten, Überleben und Schlafen gehen. Mehr gab es für uns hier nicht mehr.

Augenreibend und Lustlos lief ich die Treppe runter, wo ich gleich von drei Hunden begrüßt wurde. Zwei Border Collies und einen Zwergspitz. Meine Mutter stand in der Küche und bereitete schon das Mittagessen vor. Sah mir schwer nach einem Gemüse Eintopf aus, ein Gericht welches es regelmäßig gab und extrem Kohl lastig war. Fleisch gab es nur an besonderen Tagen, da es Mangelware war. Der Platz in den Mauern war begrenzt und bot nicht viel Platz für die Haltung von Schlachtvieh. Die Bauern riskierten schon ihr Leben, wenn sie durch das Westtor zu ihren Feldern gingen. Dabei bekamen sie Glücklicherweise Geleitschutz von der Stadtwache.
„Na sieh mal einer an, wer da aufgestanden ist" stichelte sie gleich als sie mich sah. Ich verdrehte die Augen und holte mir ein Glas Wasser. Früher hätte ich mir einen Kaffee gemacht, doch so etwas gab es nur noch sehr selten und auch nur hochangesehene Leute bekamen manchmal eine Packung Bohnen. Da mein Vater bei der Stadtwache Arbeitete, bekam er im Monat manchmal eine.
„Wirst du dich heute endlich einer Gruppe anschließen?" fragte sie gleich weiter.
„Mal sehen" murmelte ich nur um meine Ruhe zu haben. Sie sagte nichts mehr und kümmerte sich weiter um das Essen. Ich spülte mein Glas ab und lief mit einem der Hunde nach draußen um das schöne Wetter in Ruhe zu genießen.
Mit den Gruppen war folgendes gemeint. Da es nicht mehr für alle Berufe etwas zu tun gab, wurden diese in kleinere Gruppen aufgeteilt. Die gefährlichste waren die Militärischen Gruppen. Diese bestand aus der Mauerwache, der Stadtwache und dem Außenteam. In der Arbeitergruppe arbeiteten die meisten Menschen. Entweder in der Landwirtschaft, als Handwerker, auf dem Markt oder als Näher. Wer sich einmal einer Gruppe angeschlossen hatte, konnte sich nicht mehr umentscheiden und das war einer der Gründe warum ich mich noch immer nicht entschieden hatte.

Nachdenklich lief ich durch die Straßen und beobachtete das wilde treiben. Jeder ging seiner Arbeit nach, als würden sie nicht innerhalb einer Mauer leben welche sie vor Fleischfressenden Zombies schützte. Es dauerte nicht lange und ich befand mich auf dem Marktplatz, welcher sich direkt neben dem Stadtplatz am oberen Teil des Dorfes befand. Es war kein gewöhnlicher Markt, da wir keine Währung mehr hatten. Hier kaufte man nichts, sondern bekam die Mengen die einem Haushalt zustanden ausgeteilt. Dafür hatte jeder Marktstand eine Lister auf der alle Haushalte draufstanden. Bevor ich mir die Angebote näher ansehen konnte, lief mir schon jemand freudestrahlend mit schmutziger Kleidung und Gummistiefeln entgegen.
„Kate!" vor mir blieb sie stehen.
„Hey Liv" begrüßte ich sie. Liv war meine beste Freundin, auch schon vor der Apokalypse, da wir beide hier im Dorf lebten.
„Wie geht es dir? Ich habe dich den ganzen Tag noch gar nicht gesehen" ich zuckte nur mit den Schultern.
„Ich war zu Hause" sofort wurde ihr Blick besorgter.
„Kate, irgendwann musst du dich einer Gruppe anschließen. Das Angebot das du bei uns auf dem Hof arbeiten kannst, steht noch" schlug sie gleich vor. Sie konnte mir so ein Angebot machen, da ihr Vater der Leiter der Landwirtschaft war.
„Danke... ich werde darüber nachdenken" sie verdrehte die Augen.
„Das sagst du immer, aber nicht machst du es. Das geht jetzt schon seit Jahren Kate. Früher oder Später wirst du Probleme bekommen" drängte sie, doch bevor ich noch was dazu sagen konnte, ertönte ein lauter Gong vom Südtor.
„Das Außenteam ist zurück" stellte ich fest und ich lief gleich los, Liv wollte das aber nicht einfach auf sich sitzen lassen.
„Wir sind noch nicht fertig Kate!" rief sie mir nach bevor sie mir zum Südtor folgte.

Sämtliche Menschen hatten sich bereits vor dem Tor versammelt. Die meisten waren besorgte Angehörige die hofften, das ihre Familienmitglieder von der letzten Expedition zurückkehrten. Das Außenteam war einige Tage weg um Vorräte und Informationen über die Zombies zu sammeln. Mit einem tiefen grollen öffneten sich die Tore und das völlig erschöpfte Außenteam ritt dicht gefolgt von drei Planwagen ins Innere der Mauer. Vorne an der Spitze ritt Henry Rider, der Kommandant des Außenteams auf seinem Weißen Schlachtross. Mit strengem Blick blieb er stehen und sah sich um. Die Dorfbewohner schlossen ihre teils verletzten Verwandten in die Arme, während andere weinend zusammenbrachen, als die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen aus einem der Planwagen geborgen wurden. Fassungslos betrachtete ich das Team, welches bei ihrer Abreise fast doppelt so viele Leute hatte.
„So viele sind gestorben?" hauchte ich entsetzt.
„Das ist ja schrecklich" bestätigte Liv und noch bevor ich zu ihr noch etwas sagen konnte, tauchte auch schon unser Bürgermeister auf. Ein Arroganter Mistkerl der sich für den Chef hielt, obwohl ihn niemand gewählt hatte. Er bekam den Posten nur, weil ihn sonst keiner wollte.
„Henry. Wie ich sehe ist dein Team wieder um die Hälfte geschrumpft. Du lässt nach" motzte er den Kommandanten an. Ich hatte mit keinen der beiden große Sympathie, aber den Kommandanten nach so einer harten Expedition so anzumaulen, fand ich nicht in Ordnung.
„Anstatt hier den großen Helden zu markieren, begleite uns doch einfach auf unserer nächsten Mission. Vielleicht kann ich ja noch was von dir lernen Logen" konterte der Kommandant und bevor sich der Bürgermeister zur Wehr setzen konnte, ritt der Kommandant weiter zu den Ställen. Die Menschen um uns herum verstummten als sie den Schlagabtausch der beiden mitbekamen. Auch ich und Liv sahen ihm Fassungslos hinterher.

Als sich die Menge auflöste gingen wir ein Stück in Richtung der Ställe.
„Der Kommandant ist so ein Gefühlskalter Mensch" stellte Liv nach längerem schweigen fest.
„Kannst du es ihm verübeln? Ich mag mi gar nicht ausmalen, was er da draußen alles gesehen hat"
„Ja das mag sein... ein bisschen Mitgefühl kann man aber noch erwarten, wenn man bedenkt wie viele unter seinem Kommando sterben"
„Das ist ein Argument" stimmte ich zu und blieb vor den Ställen stehen.
„Ich helfe mal Chiara. Die Pferde brauchen nach den Expeditionen sehr viel Pflege"
„Ok, ich muss auch wieder zum Hof zurück. Wir sehen uns später" verabschiedete sie sich.

Ich nickte nur und lief dann in den Stall, wo Chiara den aufgebrachten Hengst des Kommandanten in der Box versorgte.
„Kann ich dir helfen?"
„Ja... du könntest den Pferden schon mal die Heu-Netze füllen" schlug sie vor und ich merkte wie gestresst sie von der vielen Arbeit war. Ohne zu zögern lief ich in die Futterkammer und fing an das Heu in die Engen Netze zu füllen, als ich bei der Hintertür zwei Männer miteinander reden hörte. Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt breit und sah mich um. Ich erschrak als ich den Kommandanten mit seinem Bruder Sullie sprechen sah. Neben dem Kommandanten sah sein Bruder wie ein kleiner dickerer Mann aus.
„Das kannst du nicht machen Henry!"
„Ich habe keine andere Wahl"
„Damit wirst du das ganze Dorf gegen dich aufbringen"
„Das nehme ich in Kauf!" das war das letzte Wort vom Kommandanten ehe er wütend davonlief. Sein Bruder stand noch kurz regungslos da, bevor er ihm folgte.
Wovon haben sie nur gesprochen?
„Kate wo bleibt das Heu!" schrie Chiara.
„Ich komme!" antwortete ich und begann das Heu in den Boxen zu verteilen. Wir hatten uns schnell dazu entschieden uns auf Pferden Fortzubewegen, da sie leiser sind und den Menschlichen Geruch besser überdeckten. Die lauten Motoren von Autos oder Motorädern, haben Zombies nur so angelockt. Damals sind weit mehr Menschen bei den Expeditionen gestorben als heute und mit Pferden konnte man unwegsames Gelände besser überqueren. Während ich mich um die Pferde kümmerte konnte ich an nichts anderes Denken als an das Lückenhafte Gespräch welches ich mitbekommen hatte. Dabei blieb ich auch an der Box meines eigenen Pferdes stehen. Ich besaß ihn schon vor der Apokalypse und ich war froh, dass wir ihn und noch viele andere Pferde zusammen mit meiner Reitlehrerin hier her retten konnten. Sie lebten zuvor auf einem kleinen abgelegenen Hof in der Nähe unseres Dorfes. Nachdenklich streichelte ich seine weiche Schnauze und dachte weiter über den Kommandanten und seinen Bruder nach. Gleichzeitig war ich froh darüber, dass Zombies kein Interesse an Tieren, sondern nur an Menschen hatte. Wenn genauso viele Pferde wie Menschen sterben würden, könnte ich Elijah nicht davor bewahren ein Militärpferd zu werden.
„Ich komme jetzt alleine klar, du kannst gehen Kate" rief mir Chiara zu, als sie mit einer gefüllten Schubkarre an mir vorbeifuhr.
„Ok, dann bis morgen" verabschiedete ich mich und lief ohne ein Ziel vor Augen nach draußen. In Gedanken versunken wanderte ich durch das Dorf und überlegte was ich mit meinem Leben anfangen sollte während meine Neugierde unbedingt wissen wollte worum es in dem Gespräch ging. Da wusste ich noch nicht, dass ich den Wahren Grund der Unterhaltung, eigentlich doch nicht wissen wollte...

The Survivors - Kampf gegen den Tod [Neuauflage] Where stories live. Discover now