4. leidenschaftlich

6 0 0
                                    

"Aktuell sind in unserer Galerie 5 Künstler, denen wir hier ihren Raum bieten. Ich gehe mal davon aus, dass du sie in den nächsten zwei bis drei Wochen alle zu Gesicht bekommen wirst", erklärte Mia, während wir durch die Galerie liefen und sie mich mit den Räumlichkeiten meines neuen Arbeitsplatzes vertraut machen wollte. Die Galerie war nicht groß, so wie man das vielleicht aus Berlin kannte. Sie bestand aus 2 kleinen Räumen, doch trotzdem wirkten sie zusammen schön offen und gemütlich. Mia lief schnell und ihr voluminöser, dunkler Afro wippte bei jedem Schritt mit. "Die Ausstellung, die du hier gerade siehst ist von Leyla. Ich bin jedes mal von ihren Gemälden beeindruckt und den Kunden ging es da nicht anders. Alle Bilder wurden verkauft". Mia schwärmte von Leylas Kunst und gestikulierte dazu euphorisch mit ihren Armen. Sie zeigte auf die großen Leinwände, die an den weißen Wänden hingen.

Ihr Blick strahlte etwas aus, das mich an den Stolz einer Mutter erinnerte, wenn ihr Kind aus der Schule kam und eine gute Note geschrieben hatte, oder wenn es ohne Stützräder Fahrrad fahren konnte. "Wahnsinn. Sie sehen aus wie Fotografien", stimmte ich ihrer Begeisterung zu. Meine Augen wanderten durch den Raum, fasziniert von der Kunst, die an den Wänden lebte. Sie lächelte und wendete sich dann zu mir. "Die nächste Vernissage ist in etwa drei Monaten. Die Ausstellung wird völlig anders. Die Kunst, die Technik, die Gefühle. Ich habe noch keine genauen Informationen, aber das ist auch nicht meine Aufgabe. Die nächste Vernissage gebe ich dir in die Hände, Ian." Überrascht schaute ich sie ihn.

Natürlich war ich nicht völlig unerfahren. Ich hatte bereits in zwei Galerien gearbeitet, als ich in Berlin gelebt hatte. Eine Ausstellung zu organisieren machte Spaß. Der Austausch mit den Künstlern hingegen war schwierig und ich kam nicht immer mit ihnen zurecht. Würde das hier anders sein? Ich hoffte es.

"Vielen Dank Mia, ich freue mich wirklich sehr auf die Arbeit hier". Lächelnd sah ich mich nochmal in dem Raum um, in dem wir standen. "Du meintest, die Kunst ist eine ganz andere, was muss ich mir darunter vorstellen?", fragte ich neugierig, gespannt auf die Antwort, die mich erwarten würde.

In Berlin hatte ich viele verschiedene Kunstrichtungen kennengelernt, darunter waren außergewöhnliche Stile und Techniken dabei, teilweise wirklich schön und interessant. Wenn die Künstler nicht so arrogant gewesen wären, dann hätte mir die Arbeit dort sicherlich Spaß gemacht. Mia fing an zu lachen. Dabei zogen sich ihre Augen leicht zusammen und es entstanden Grübchen auf ihren Wangen. Ihr Lachen wirkte herzlich und offen. "Das kann ich dir nicht erklären, das musst du sehen, Ian. Ich denke Luke wird hier in den nächsten Tagen vorbei schauen. Wann genau kann ich dir allerdings nicht sagen. Er kommt meistens, wann er möchte." Ich runzelte die Stirn. Ehrlicherweise klang das für mich nicht nach dem, was ich mir vorstellte. Mia bemerkte meine Skepsis und rieb sich die Schläfe. Es herrschte eine kurze, intensive Stille, bevor sie zu sprechen begann. "Luke ist ein sehr begehrter Künstler hier. Fast die ganze Stadt besucht seine Ausstellungen oder kommt zur Vernissage. Er ist sehr speziell in mancher Hinsicht. Aber irgendwie gehört es einfach zu seiner Art".

Mia machte eine kurze Pause in der Sie auf ein Gemälde an der Wand starrte und den Anschein machte, ehrlich nachzudenken.
"Für mich als Galeristin war seine Art zu Beginn auch sehr schwierig, aber ich habe festgestellt, dass Menschen, die ihre völlig eigene Art haben, auf eine viel intensivere Art kreativ denken. Sei es in der Musik, Literatur oder Malerei. Luke liebt die Kunst und das was er mit ihr machen kann. Es ist die Leidenschaft, die ihn bewegt und die auch mich letztendlich bewegt hat."

"Das ist ja fast schon unangenehm, solche Worte über sich selbst zu hören", ertönte es lachend hinter uns und unterbrach die aufkommende Stille im Raum. Augenblicklich drehte ich mich um und mein Blick traf auf zwei blaue Augen, die mich ebenso irritiert ansahen, wie ich sie.

Vermutlich schaute ich sogar noch dümmer als beim ersten Mal, doch dieses mal lag es nicht daran, dass er halbnackt vor mir stand und sein Oberkörper mich förmlich ansprang.

"Luke, was machst du denn hier?", hörte ich Mia überrascht nachfragen. Mit offenen Armen lief sie auf Luke zu, dann fingen sie an sich lebhaft zu unterhalten. Zumindest bildete ich mir das ein, doch eigentlich war es nur Mia die sich lebhaft unterhielt und 'Luke', der immer wieder nickte oder mit "ja Mia" und "nein Mia" oder "noch nicht Mia", antwortete. Er wirkte unauffällig mit seinem schwarzen Rollkragenpullover, der schwarzen Hose und, wer hätte es gedacht, einer schwarzen, weiten Jacke. Doch so unscheinbar wie er im ersten Moment auf einen wirken mochte, war er absolut nicht. Seine markanten Gesichtszüge, die hellen blauen Augen und sein dunkles Haar, das im Kontrast zu seiner Augenfarbe noch viel dunkler erschienen, stachen eindeutig hervor.

Ich betrachtete ihn eine Weile, während er sich mit Mia unterhielt. Dabei huschten seine Augen immer wieder zu mir.

𝐒𝐲𝐦𝐩𝐡𝐨𝐧𝐢𝐞 𝐝𝐞𝐬 𝐋𝐞𝐛𝐞𝐧𝐬Where stories live. Discover now