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"Das war es?", fragte ich mit leiser Stimme, als Yoongi den Kofferraum des Autos schloss. "Nichts, das noch irgendwo herumliegt?"

Er kam zu mir und sah mich mit traurigem Lächeln an. "Wenn du etwas findest, heb es für mich auf, ja? Ist ja nicht lange, dann bin ich wieder hier." Ich nickte und sah auf den Boden. "Hey, hey", er hob meinen Blick sanft, mit einer Hand an meinem Kinn. "Noch bin ich nicht weg. Sei nicht traurig, ja? Wir essen jetzt und dann-" Selbst er konnte sein Lächeln nicht aufrechterhalten. "Es wird alles gut, Jimin."

"Ich weiß", murmelte ich und sah kurz hinter mich, ging sicher, dass dort keiner stand. Dann gab ich ihm einen schnellen Kuss, bevor ich ihn an meine Hand nahm, um mit ihm zurück zum Haus zu gehen. "Ich werde an dich denken, jeden Tag."

"Und ich werde mich mit jedem Pinselstrich danach sehen, dich zu malen und anzublicken."

Jungkook war mit meinen Eltern im Haus und schien erleichtert, dass er nicht mehr alleine war. "Seit wann bist du da?", fragte ich ihn. Natürlich halten Yoongi und ich nicht mehr unsere Hände.

"Gerade gekommen. Wollte ja noch das letzte Mal mit- Nicht das letzte Mal. Aber..." Er seufzte. "Wer hat Hunger?", fragte er in die Runde.

Beim Essen sagte ich fast nichts, während die restlichen drei sich an die besten Zeiten mit Yoongi erinnerten. Das Essen schmeckte ich nicht wirklich, aber ich hatte auch keinen Hunger, weshalb ich irgendwann nicht weiter aß. Erst, als Yoongi mich unter dem Tisch anstupste, mit seinem Fuß, lächelte ich ihn an und trank aus meinem Glas, um ihn etwas zu beruhigen.

Ich weiß auch nicht, was ich sagen soll. Der ganze Tag ging eigentlich wie in einem Traum vorüber. Es fühlte sich nicht real an, nach dem Essen mit Yoongi zu seinem Auto zu gehen. Als meine Eltern und schließlich Jungkook ihn umarmten, stand ich stumm und reglos daneben. "Nun, wir werden dich im Oktober wiedersehen", sagte Jungkook und sah zu mir, dann zu meinen Eltern. "Es scheint mir, als ob Jimin noch etwas, ähm, mit Yoongi klären will. Am besten..." Dafür muss ich Jungkook auf jeden Fall noch danken. Er hat es geschafft, dass Yoongi und ich alleine bei seinem Auto standen.

"Jungkook hat es gesagt, im Oktober besuche ich dich wieder."

"Für zwei Tage..."

Er nahm mich in seinen Arm. Wir standen lange da, einfach in einer Umarmung. "Glaub mir, wenn ich dir sage, alles wird okay."

"Aber ich bin jetzt schon so traurig." Er gab meiner Wange einen Kuss und hielt mich weiter. Irgendwann spürte ich etwas Nasses an meinem Gesicht. Langsam löste ich mich etwas von ihm und sah ihm erschrocken ins Gesicht. Yoongi weint.

"Ich bin auch traurig", gestand er. "Zwar versuche ich, stark zu sein, aber ich weiß, wie du dich fühlst. Es schmerzt."

Meine Hände legte ich an seine Wangen und wischte die Tränen weg. Yoongi hat recht. Er war immer der Starke. "Es ist okay", sagte ich nun. Immer und immer gibt er mir Komfort, muntert mich auf. Selbst, wenn er selber traurig ist. Jetzt bin ich dran. "Dass wir uns so fühlen. Es ist auch schön, wie viel wir für einander fühlen. Und wie du sagst, wird es okay."

"Ah, du wirst so schnell erwachsen", lachte er traurig und sah kurz über meine Schulter. Dann sah er wieder zu mir und sah auf meine Lippen. Ich war es, der sich zu ihm lehnte und unsere Lippen miteinander verband. "Ich liebe dich wirklich sehr."

"Und ich liebe dich."

"Es ist nur etwas mehr als einen Monat, dann sehen wir uns wieder", sagte er und löste sich von mir, wischte sich über sein Gesicht und lächelte wieder leicht. "Wir- wir sollten das nicht schwerer machen, als es schon ist." Mit Kloß im Hals nickte ich. Er hielt mir seine Hand hin, die ich annahm. "HIermit verabschiede ich, Min Yoongi, mich von dir, Park Jimin." Er gab meiner Hand einen Kuss. "Wir sehen uns schon bald wieder, ja?"

"Wir sehen uns bald wieder", wiederholte ich und ging noch mit ihm zur Autotür. Es dauerte ein paar Momente, dann stieg er ins Auto. Dann erst lösten wir unsere Hände voneinander. Ich wollte noch etwas sagen, irgendwas, aber mir kam nichts in den Sinn, was noch passen würde. Stumm schloss ich also die Autotür für ihn.
Er legte seine Hand ans Fenster, ich legte meine an die andere Seite des Glases.

"Ich liebe dich", hörte ich abgedämpft von ihm.

"Ich liebe dich", erwiderte ich. Noch kurz hielten wir unsere Hände am Glas, dann ließ er seine Hand fallen uns startete das Auto. Ich trat einen Schritt zurück. Noch einmal sah er zu mir, dann fuhr er los.

Ich sah ihm hinterher.

Bis ich das Kennzeichen nicht mehr erkennen konnte.

Bis ich die Einzelheiten des Autos nicht mehr erkennen konnte.

Bis er immer kleiner und kleiner wurde.

Bis er nicht mehr zu sehen war.

Ich stand trotzdem noch weiter dort.

Erst als es anfing zu regnen, drehte ich mich um und ging langsam zurück zum Haus. Dort drinnen empfing Jungkook mich sofort. "Wie geht es dir?", fragte er.

"Es ist nett, dass du gewartet hast", sagte ich mit monotoner Stimme. "Aber es würde mir gerade besser gehen, bin ich alleine, tut mir leid."

"Natürlich." Er legte seine Hand auf meine Schulter. "Wenn was ist, ich bin immer für dich da. Ich liebe dich, ja?"

Ich liebe dich.

Meine Augen wurden feucht, an die Erinnerung von Yoongi. Schnell nickte ich noch und ging schnell nach oben, in das Zimmer, in dem Yoongi die letzten drei Monate gehaust hat. Mein Zimmer. Den Tränen nahe ging ich auf das Bett zu und sah dann einen Pinsel auf dem Kissen liegen. Ein kleines Papier lag auf ihm. Mit zittrigen Händen nahm ich es in meine Hand und las die Worte.

"Heb den Pinsel für mich auf, ja? Ich vermisse dich jetzt schon, Jiminie. Sei nicht traurig und lächel viel! Bald bin ich schon wieder da!"

Ich schluchzte und druckte den Zettel und den Pinsel an mich, dann legte ich mich auf mein Bett und weinte. Alles, was ich fühlte, ließ ich raus, bis ich erschöpft einschlief.

𝐋𝐞𝐭 𝐦𝐞 𝐛𝐞 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐦𝐮𝐬𝐞 | ʸᵒᵒⁿᵐⁱⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt